Leitsätze:
1. Ein zu geringer Wasserdruck in der Wohnung begründet bei erheblichen Beeinträchtigungen eine Minderungsquote von 20 Prozent der Brutto-Warmmiete (hier: Die Toilette musste mit einem Eimer nachgespült werden und die Füllung einer Badewanne dauerte 45 Minuten).
2. Allein aus dem Umstand, dass einzelne Heizkörper in einer Wohnung nicht erwärmt werden können, folgt noch keine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung. Der Mieter muss vielmehr die in den betroffenen Räumen erzielbaren Temperaturen in Abhängigkeit von den jeweiligen Außentemperaturen vortragen.
3. Der Mieter kommt bei Instandsetzungsarbeiten nicht in Annahmeverzug, wenn er bestimmte Arbeiten lediglich als Modernisierung ablehnt.
4. Der Mieter muss in angemessener Zeit rechtliche Folgen aus einem erklärten Vorbehalt herleiten. Ein Zeitraum von vier Jahren ist nicht mehr angemessen.
5. Hat der Mieter das Recht zur Mietminderung verwirkt, lebt es auch nach einer Mieterhöhung nicht vollständig auf. Vielmehr ist im Falle der Mieterhöhung die Minderung auf den Erhöhungsbetrag anteilig beschränkt.
LG Berlin, Urteil vom 26.8.05 – 63 S 98/05 –
Mitgeteilt von RA Berndt Hintzelmann
Urteilstext
Aus den Gründen:
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Die zulässige, Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß § 535 Abs. 2 BGB Zahlung restlicher Mieten für November 2000 bis August 2001 in Höhe von monatlich 90,18 Euro, d.h. insgesamt 901,80 Euro verlangen. Die von dem Beklagten in diesem Zeitraum vorgenommenen Einbehalte von monatlich 117,23 Euro waren nur in Höhe von 27,05 Euro begründet. Der von dem Beklagten geschuldete Mietzins war in dieser Höhe gemäß § 537 BGB a.F. bzw. § 536 BGB n.F. in Höhe von 20 Prozent bezogen auf den Erhöhungsbetrag von 264,55 DM (= 135,26 Euro) auf Grund der Mieterhöhung zum 1. Februar 2000 gemindert.
Mit dieser Minderungsquote ist den Gebrauchsbeeinträchtigungen durch einen zu geringen Wasserdruck in der Wohnung des Beklagten angemessen Rechnung getragen. Der Beklagte hat die Auswirkungen der Mängel im Einzelnen dargetan. Der unzureichende Wasserdruck stellt danach eine deutlich mehr als nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung dar. Das gilt vor allem für die Tatsache, dass in der Toilette mit einem Eimer nachgespült werden muss und die Füllung einer Badewanne 45 Minuten dauert. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Zu einem substantiierten Gegenvortag hätte er gegebenenfalls die vom Beklagten angezeigten Mängel besichtigen müssen. Im Übrigen hat er die Mängelbeseitigung inzwischen veranlasst und er hätte insbesondere auch aus diesem Grund konkret auf den Vortrag des Beklagten eingehen müssen, welche Mängel nach seiner Auffassung nicht oder nicht in dem vom Beklagten geschilderten Umfang vorgelegen haben. Hierzu hätte er auch die von den von ihm beauftragten Handwerkern gewonnenen Erkenntnisse heranziehen können.
Die Mängel an den Heizkörperventilen begründen hingegen keine Minderung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zwar die Mängel an den Heizkörperventilen selbst beschreibt, die zum Teil schwergängig sind und zum Teil wegen ihrer Undichtigkeit nicht geöffnet werden können. Er legt aber nicht die sich daraus ergebenden tatsächlichen Beeinträchtigungen dar. Allein aus dem Umstand, dass einzelne Heizkörper in einer Wohnung nicht erwärmt werden können, folgt eine mehr als nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung nicht, § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. Der Beklagte hätte insoweit vielmehr die in den betroffenen Räumen erzielbaren Temperaturen in Abhängigkeit von den jeweiligen Außentemperaturen vortragen müssen. Wenn auch diese Räume durch die Heizung in den übrigen Räumen ausreichend warm werden, kann es letztlich – jedenfalls im Rahmen einer Minderung – dahinstehen, ob einzelne Heizkörper kalt bleiben. Die bloße Schwergängigkeit eines Heizkörperventils stellt ebenfalls einen nur unerheblichen Mangel dar.
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass der Beklagte die von ihm beabsichtigte Mängelbeseitigung nicht zugelassen habe. Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Annahmeverzug mangels eines konkreten tatsächlichen Angebots nicht vorgelegen habe. Ein solches war auch auf Grund des Schreibens des Beklagten vom 15. September 2000 nicht entbehrlich. Der Beklagte hat nicht insgesamt die Vornahme jeglicher Arbeiten verweigert. Er hat lediglich zum Ausdruck gebracht, die als Modernisierung gemäß Schreiben des Klägers vom 15. Juli 2000 angekündigten Maßnahmen nicht als solche, sondern gegebenenfalls nur als Instandsetzung ohne Auswirkungen auf die Höhe der von ihm geschuldeten Miete zu dulden. Dass der Kläger unter diesem Gesichtspunkt tatsächlich eine Instandsetzung angeboten hat, ist nicht ersichtlich.
Weitergehende Minderungsansprüche stehen dem Beklagten für den Zeitraum von Oktober 2000 bis August 2001 nicht zu. Diese sind in entsprechender Anwendung von § 539 BGB a.F. ausgeschlossen, nachdem der Beklagte in Kenntnis der Mängel die Miete über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten in voller Höhe weiter gezahlt hat (BGH NJW 1997, 2674). Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten liegen die Mängel bereits seit 1997 beziehungsweise 1999 vor und waren Gegenstand der Korrespondenz der Parteien. Mit Schreiben vom 3. Januar 1997 hat der Beklagte die Mängel an den Heizkörperventilen angezeigt und insoweit hinsichtlich der weiteren Mietzahlungen einen Vorbehalt erklärt; mit Schreiben vom 14. August 1999 sind die Sanitärmängel angezeigt worden, ohne dass jedoch insoweit ein Vorbehalt in Bezug auf die weiteren Mietzahlungen erfolgt ist. Eine Minderung hat der Beklagte hingegen erst ab November 2000 vorgenommen. Auf den 1997 erklärten Vorbehalt kommt es hierbei nicht mehr an, denn aus diesem sind innerhalb einer angemessenen Zeit (hier annähernd vier Jahre) keine rechtlichen Folgen hergeleitet worden.
Das Recht des Beklagten zur Mietminderung ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts durch die Mieterhöhung gemäß § 2 MHG ab 1. Februar 2000 nicht vollständig wiederaufgelebt. Nach der Rechtsprechung der Kammer ist im Falle einer Mieterhöhung die Minderung auf den Erhöhungsbetrag anteilig beschränkt. Zwar stellt eine Mieterhöhung nach § 2 MHG bzw. § 558 BGB n.F. eine Änderung des Mietvertrags dar. Durch die vor der Mieterhöhung erfolgte vorbehaltlose Fortführung des Mietverhältnisses trotz Kenntnis eines Mangels verzichtet der Mieter jedoch im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt geschuldeten Mietzins konkludent auf sein Minderungsrecht, das er daher analog § 539 BGB a.F. verliert. Allein durch eine Mieterhöhung gemäß § 2 MHG bzw. § 558 BGB n.F. kann der bezüglich des vor der Erhöhung geschuldeten Mietzinses erklärte Verzicht nicht rückwirkend entfallen. Der Mieter hat insoweit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung als angemessen erachtet. Das Äquivalenzverhältnis wird durch eine Mieterhöhung nur hinsichtlich des Erhöhungsbetrages, nicht aber hinsichtlich des Ausgangsbetrages geändert. Der Mieter ist daher auch im Falle einer Vertragsänderung nach einer Mieterhöhung bezüglich des vor der Mieterhöhung geschuldeten Mietzinses an seinen konkludenten Verzicht gebunden. Der konkludente Verzicht des Mieters auf das Minderungsrecht erstreckt sich dementsprechend nicht auf den Erhöhungsbetrag, da dieser erst durch eine nach dem Verzicht erfolgende Vertragsänderung entsteht. Bezüglich des Erhöhungsbetrages besteht daher ein Minderungsrecht des Mieters, auch wenn er hinsichtlich des Ausgangsmietzinses auf dieses verzichtet hat. Die Minderungsquote ist daher auf den Erhöhungsbetrag zu beziehen (LG Berlin [ZK 63] GE 2003, 326 m.w.N. auch zur a.A.).
Mietzinsansprüche für die Zeit von September 2001 bis September 2003 stehen dem Klägerin nicht zu. Der von dem Beklagten geschuldete Mietzins war in Höhe der von ihm vorgenommenen Einbehalte gemäß § 536 BGB n.F. gemindert. Für die Zeit seit Inkrafttreten der Mietrechtsreform, d.h. ab September 2001, sind nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 155, 380) auch bereits zuvor verwirkte Minderungsansprüche wieder aufgelebt. Die von dem Kläger zitierte frühere Rechtsprechung der Instanzgerichte ist durch die genannte Entscheidung des BGH überholt. Die Einbehalte des Beklagten von 117,23 Euro (bis Februar 2003) bzw. 134,65 Euro (ab März 2003) entsprechen 17 Prozent bzw. 19 Prozent der von ihm geschuldeten Miete einschließlich allen Nebenkosten (vgl. BGH GE 1005, 666), wobei die Kammer die so genannten warmen Betriebskosten für Heizung und Warmwasser mit etwa 0,75 Euro pro Quadratmeter (bei einer Wohnungsgröße von 120 Quadratmetern circa 90,- Euro monatlich) geschätzt hat. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen sind diese Einbehalte angesichts der Gebrauchsbeeinträchtigungen angemessen. …
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14.06.2016