Leitsätze:
Berechtigt Vogelkot auf Balkon und Terrasse zur Minderung der Miete? Kann einem Mieter das Füttern und Tränken von Vögeln untersagt werden?
LG Berlin vom 21.5.2010 – 65 S 540/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ein Mieter minderte die Miete, weil sein Balkon von Vogelkot „übersät“ sei. Er fordert den Vermieter auf, dafür zu sorgen, dass der Mieter der Oberwohnung es unterlasse, die Vögel zu füttern und einen Wassernapf zur Tränkung der Tiere aufzustellen. Der Vermieter widersprach der Minderung und blieb auch im Hinblick auf den Vogelfreund untätig. Der Streit eskalierte und kam schließlich vor Gericht. Das Landgereicht aber hatte ein Herz für Tiere: Eine Mietminderung scheide wegen mangelnder Erheblichkeit der Verschmutzung aus. Die Kotbelastung sei ortsüblich. Lediglich ganz unverhältnismäßige Verschmutzungen durch Vogelkot wären geeignet, eine Minderung der Miete zu rechtfertigen. Solche hatte der Mieter indessen für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht in ausreichendem Maße dargelegt. Im übrigen sei das Auftreten von Vogelkot bei Balkonen und Terrassen nicht zu vermeiden und für sich genommen deshalb kein vertragswidriger Zustand. Auch sei es durchaus sozialadäquat, dass sich Bewohner von Balkonen nicht nur an der frischen Luft und der Möglichkeit erfreuen, sich dort aufzuhalten, dort Blumen zu ziehen, Wäsche zu trocknen und so weiter, sondern sich auch an dem Flug und dem Gezwitscher von Vögeln erfreuen. Das Füttern von Vögeln in diesem Zusammenhang sei deshalb recht verbreitet. Einen Anspruch gegen solche Mieter, dies zu unterlassen, gebe es jedenfalls solange nicht, wie es keine gesundheitlich bedenklichen Folgen oder ganz unverhältnismäßig starke Verschmutzungen gibt. Auch verhielt sich der Obermieter durch das Aufstellen von Wassergefäßen und das Füttern von Vögeln nicht von vorneherein pflichtwidrig. Nach der Hausordnung sei nur das Füttern von Tauben verboten, von Tauben sei hier aber nicht die Rede. Tauben stünden nicht als Synonym für jedwede Vogelart. Sie unterschieden sich durch ihre Größe und dadurch, dass ihr Kot häufig von Krankheitserregern verunreinigt sei, von der übrigen einheimischen Vogelpopulation.
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Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die Miete war im Zeitraum zwischen Oktober 2008 und Juli 2009 nicht gemindert. Eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung im streitgegenständlichen Zeitraum durch Vogelkot auf den Balkonen der Bekl. ist nicht ersichtlich. Bei Balkonen handelt es sich um zur Umwelt offen gestaltete Bauteile. Die Öffnung in die Umwelt ist aber bei Balkonen und Terrassen gerade ein gewollter Umstand, er soll eine Verbindung in die äußere Umwelt vermitteln, ohne dass das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, verlassen werden muss. Er soll damit die Möglichkeit schaffen, einen Aufenthalt im Freien den dortigen Bedingungen angepasst zu vermitteln. Zu der natürlichen Umwelt gehört aber auch, dass dort Vögel, Insekten, Regen, Wind und Sturm hin gelangen und eben auch Vogelkot. Das gilt umso mehr dann, wenn sich das Gebäude mit dem Balkon in begrünten Bereichen befindet, in denen für die Fauna eine gute Lebensgrundlage herrscht. Das Auftreten von Vogelkot ist deshalb bei Balkonen und Terrassen nicht zu vermeiden und für sich genommen deshalb kein vertragswidriger Zustand. Auch ist es durchaus sozialadäquat, dass sich Bewohner von Balkonen nicht nur an der frischen Luft und der Möglichkeit erfreuen , sich dort aufzuhalten, dort Blumen zu ziehen, Wäsche zu trocknen usw., sondern sich auch an dem Flug und dem Gezwitscher von Vögeln erfreuen. Das Füttern von Vögeln in diesem Zusammenhang ist deshalb keineswegs bereits im Grundsatz nicht sozialadäquat, sondern recht verbreitet. Einen Anspruch gegen solche Mieter, dies zu unterlassen, gibt es jedenfalls solange nicht, wie es keine gesundheitlich bedenklichen Folgen oder ganz unverhältnismäßig starke Verschmutzungen gibt. Auch verhielt sich entgegen der Auffassung der Bekl. die Mitmieterin durch das Aufstellen von Wassergefäßen und das Füttern von Vögeln nicht von vorneherein pflichtwidrig. Denn nach der Hausordnung war nur das Füttern von Tauben verboten, von Tauben ist hier aber nicht die Rede. Tauben stehen nicht als Synonym für jedwede Vogelart. Sie unterscheiden sich durch ihre Größe und dadurch, dass ihr Kot häufig von Krankheitserregern verunreinigt ist, von der übrigen einheimischen Vogelpopulation.
Hier reichte es auch nicht, ein vermehrtes Auftreten gegenüber früheren Zeiträumen vorzutragen, insbesondere denjenigen Zeiträumen, in denen die Mitmieterin dort noch nicht wohnte. Ein vollkommen von äußeren Einflüssen befreites Wohnen kann die Bekl. jedenfalls nicht verlangen, bis zu einem gewissen Maß hat sie dieses, soweit es sozialadäquat ist und bzw. oder aufgrund der äußeren Gegebenheiten nicht vermeidbar ist, hinzunehmen.
Lediglich ganz unverhältnismäßige Verschmutzungen durch Vogelkot wären geeignet, eine Minderung der Miete zu rechtfertigen. Solche hat die Bekl. indessen für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht in ausreichendem Maße dargelegt. Ihr Vorbringen dazu ist zu ungenau geblieben. Aus den vorgelegten Fotografien vermag das Gericht wohl Verschmutzungen zu erkennen, nicht aber, dass es sich um übermäßig starke Verschmutzungen handeln würde. Zwar hat die Bekl. vorgetragen, dass innerhalb von zwei Tagen 20 neue Kotflecken aufgetreten seien, dies ist aber noch nicht ausreichend, da es auf eine entsprechenden Intensität über einen längeren Zeitraum ankommt und die Intensität nicht nur von der absoluten Zahl von Kotflecken, sondern auch von der Größe der Balkone, dem flächenmäßigen Ausmaß ihrer Betroffenheit abhängt. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass es jahreszeitlich bedingte Unterschiede aufgrund des natürlichen Wanderverhaltens eine Teils der Vogelpopulation und aufgrund ihres Brutverhaltens gibt. Soweit die Bekl. einen scharenweisen Abflug von Vögeln behauptet, hat sie nicht weiter dargelegt, was sie darunter versteht.
Aus den Angaben der Zeugin, die bei einer Besichtigung eine starke Verkotung wahrgenommen hat, ergibt sich nichts für die Bekl. Günstigeres, weil nicht nachvollziehbar wird, was diese unter einer starken Verkotung verstanden hat. Auch die Fotos, auf die die Zeugin Bezug nimmt, die dem Zustand „schon näher kommen“ sollen, lassen eine in einer verhältnismäßig kurzen Zeit so starke Verkotung, die über jedes übliche im Freien herrschende Maß hinausginge, nicht nachvollziehbar erkennen. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Fotos lediglich den Brüstungsbereich, nicht aber die weiteren Bereiche des Balkons erkennen lassen, in denen sich Menschen für gewöhnlich aufhalten. …
31.12.2016