Leitsatz:
Die Miete darf um 10 Prozent gemindert werden, wenn Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung die Wohnqualität beeinträchtigt.
LG Berlin vom 30.4.2013 – 67 S 307/12 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter der Wohnung unter unserem Mieter rauchten in den Sommermonaten ständig auf dem Balkon.
Ein Zeuge hatte im Prozess um die Berechtigung der Mietminderung glaubhaft bekundet, dass er bei seinen im Schnitt etwa wöchentlich stattfindenden Besuchen des Mieters jedenfalls im Sommer jedes Mal zwei- bis dreimal stündlich extrem unangenehmen, von unten hinaufziehenden Zigarettenrauch wahrgenommen hatte, der bei offenem Fenster beziehungsweise geöffneter Balkontür eine erhebliche Beeinträchtigung darstellte, und auch bestätigt, dass jedenfalls in den Sommermonaten ein Lüften des einzigen großen Zimmers, das nur zum Hof hin möglich ist, wegen der entstehenden Wärme unumgänglich war.
Das Landgericht sprach dem betroffenen Mieter deshalb eine Minderung in Höhe von 10 Prozent der Bruttomiete zu.
Es sei nicht erforderlich, dass der Rauch vollständig in den Wohnbereich des Mieters eindringe, um eine Störung anzunehmen, da auch Anteile hiervon ausreichten, um einen unangenehmen Geruch zu empfinden, der – sobald er sich einmal in der Wohnung befinde – nur durch längeres Lüften wieder entfernt werden könne. Genau dies sei aber für den Mieter nicht ohne Weiteres möglich gewesen, weil er zu jeder Zeit damit rechnen musste, dass Rauch von unten heraufsteigt und daher sein Lüftungsverhalten und die Nutzung der Wohnung beeinträchtigt war. Im Hinblick auf die Häufigkeit und Intensität des aufziehenden Rauches bei damit einhergehender praktischer Unmöglichkeit der Belüftung des einzigen zentralen Raums mit hoher Bedeutung für die Wohnungsnutzung des Mieters sei das hinzunehmende Maß des in einer Innenstadt Üblichen deutlich überschritten und die Beeinträchtigung unzumutbar.
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Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die vertraglich vorausgesetzte Gebrauchstauglichkeit war dadurch erheblich gemindert, dass die Mieter in der Wohnung unter der des Beklagten in der streitgegenständlichen Zeit jeweils in erheblichem Maß auf ihrem Balkon rauchten und dieser Rauch in die Wohnung des Beklagten zog bzw. dieser aufgrund dieses Umstands gezwungen war, eine Belüftung der Wohnung zu unterlassen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung, deren Fenster und Balkontür ausgehend von dem betroffenen Hauptzimmer ausschließlich zum Hof ausgerichtet sind, in den Sommermonaten durch das Rauchen von Mietern der unter seiner Wohnung liegenden Wohnung in erheblichen Maße in der Weise beeinträchtigt ist, dass ein Lüften nicht mehr möglich ist, ohne dass diese intensiven Gerüche in seine Wohnung dringen.
Der Zeuge W. hat glaubhaft bekundet, dass er bei seinen im Schnitt etwa wöchentlich stattfindenden Besuchen des Beklagten jedenfalls im Sommer jedes Mal zwei bis dreimal stündlich extrem unangenehme, von unten hinauf ziehenden Zigarettenrauch wahrgenommen hat, der bei offenem Fenster beziehungsweise geöffneter Balkontür eine erhebliche Beeinträchtigung darstelle und auch bestätigt, dass jedenfalls in den Sommermonaten ein Lüften des einzigen großen Zimmers, das nur zum Hof hin möglich ist, wegen der entstehenden Wärme unumgänglich sei. Er habe anfangs auch genau geschaut, woher der Rauch komme.
Der Zeuge hat ausgesprochen detailliert in sich widerspruchsfrei Einzelheiten zu dem wahrgenommenen Zigarettenrauch geschildert und auch die Nachfragen präzise ohne zu zögern in glaubhafter Weise beantwortet.
Die damit gewonnene Überzeugung der Einzelrichterin von dem Bestehen einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung jedenfalls in den hier maßgeblichen Sommermonaten ist nicht durch die Aussage der Zeugin M. entkräftet worden. Die Zeugin konnte zu etwaigen Beeinträchtigungen des Beklagten in seiner Wohnung nichts aussagen. Sie hat lediglich angegeben, anlässlich mehrerer Begehungen des Hauses in den Treppenhäusern keine Rauchentwicklung festgestellt zu haben. Zu den Verhältnissen in der Wohnung des Beklagten konnte sie keine Angaben machen. Ihre allgemeine Bekundung, die Mieter hätten im Rahmen lediglich telefonischer Nachfragen nicht bestätigt zu rauchen, ist nicht geeignet, die Aussage des Zeugen W. zu entkräften, da ihr nicht einmal entnommen werden kann, es würde tatsächlich auf den Balkonen des Hauses nicht geraucht.
Die festgestellten Beeinträchtigungen durch in einer Stunde mehrmals auftretenden, starken aufziehenden Rauch, der bei dem im Sommer jedenfalls erforderlichen Lüften des Hauptzimmers in die Wohnung in unangenehmer, störender Weise eindringt, berechtigt den Beklagten zu der geltend gemachten Minderung in Höhe von 10 % der Bruttomiete.
Ob in derartigen Fällen schlechterdings jeglicher Raucheinzug in eine Wohnung einen Mangel darstellt, kann dahinstehen, weil jedenfalls vorliegend entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes ein erheblicher Mangel vorliegt, der das allgemeine Lebensrisiko in einer Großstadt übersteigt und nicht hinzunehmen ist.
Die Zeugenvernehmung hat ergeben, dass es sich um eine Beeinträchtigung allein bei den Besuchen des Zeugen von mehrmals stündlich handelt und man praktisch auf den Raucheinzug warten könnte.
Es ist nicht erforderlich, dass der Rauch vollständig in den Wohnbereich des Beklagten eindringt, um eine Störung anzunehmen, da auch Anteile hiervon ausreichen, um einen unangenehmen Geruch zu empfinden, der – sobald er sich einmal in der Wohnung befindet – nur durch längeres Lüften wieder entfernt werden kann. Genau dies war aber für den Beklagten nicht ohne weiteres möglich, weil er zu jeder Zeit damit rechnen musste, dass Rauch von unten heraufsteigt und daher sein Lüftungsverhalten und die Nutzung der Wohnung beeinträchtigt war (so auch in einem vergleichbaren Fall das LG Hamburg, Urteil vom 15. Juni 2012 – 311 S 92/10 – zitiert nach juris, vgl. auch LG Berlin, Urteil vom 7. Oktober 2008 – 65 S 124/08 -). Im Hinblick auf die Häufigkeit und Intensität des aufziehenden Rauches bei damit einhergehender praktischer Unmöglichkeit der Belüftung des einzigen zentralen Raums mit hoher Bedeutung für die Wohnungsnutzung des Beklagten ist vorliegend das hinzunehmende Maß des in einer Innenstadt Üblichen deutlich überschritten und die Beeinträchtigung unzumutbar.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hält die Einzelrichterin im Wege der Schätzung eine Minderungsquote von 10 % für angemessen. …
21.12.2016