Leitsatz:
Eine Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarfs für einen Familienangehörigen ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Eigenbedarf zwar nur kurze Zeit nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist, bei Abschluss des Mietvertrages aber noch nicht absehbar war.
BGH vom 20.3.2013 – VIII ZR 233/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 8 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Mieter können sich bei Anmietung einer Wohnung oder eines Hauses nicht mehr darauf verlassen, eine bestimmte Mindestmietzeit wohnen bleiben zu können. Selbst eine mündliche Zusicherung, Eigenbedarf käme nicht in Betracht, soll nach jüngster Ansicht des BGH unbeachtlich sein.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Mieter eines Einfamilienhauses schon nach einer Mietzeit von drei Jahren wegen Eigenbedarfs gekündigt werden kann, mit der Begründung, das Haus werde für den Enkel und dessen Familie benötigt. Entscheidend sei, dass beim Abschluss des Mietvertrages der Eigenbedarf nicht vorhersehbar gewesen sei. Der Enkel habe zwischenzeitlich seine Lebensplanung geändert und wolle jetzt mit seiner Familie das Haus selbst bewohnen.
Durch die Erklärung des Sohns der Vermieterin anlässlich der Hausbesichtigung, ein Eigenbedarf komme nicht in Betracht, höchstens ein Hausverkauf, sei kein der Vermieterin zuzurechnender besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der ihre Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe. Die Äußerung, die im Übrigen eine reine Wissenserklärung darstelle und der kein rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt zukomme, entsprach den Tatsachen. Sie bezog sich auf den damaligen Stand, bei dem eine Änderung nicht absehbar war. Durch sie ist auch kein auf künftige Entwicklungen bezogener Vertrauenstatbestand erweckt worden, denn die persönlichen Verhältnisse eines Vermieters und seiner Familienangehörigen können sich ändern.
Grundsätzlich geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass eine Kündigung rechtsmissbräuchlich ist, wenn zwischen Mietvertragsabschluss und Kündigung wenige Jahre liegen (BGH vom 21.1.2009 – VIII ZR 62/08, WuM 09, 180; vom 13.4.2010 – VIII ZR 180/09, WuM 10, 512) und der Vermieter die Kündigung auf Gründe stützt, die schon vor beziehungsweise bei Abschluss des Mietvertrages vorgelegen haben oder die er hätte vorhersehen können. Dabei ging die Rechtsprechung bisher von einem Zeitraum von etwa 5 Jahren aus, die der Vermieter im Voraus überblicken muss.
Fazit: Wer als Mieter sichergehen will, muss im Mietvertrag schriftlich vereinbaren, dass der Vermieter auf eine Eigenbedarfskündigung ganz oder zumindest für 5 Jahre verzichtet. Angesicht der derzeitigen Marktsituation dürfte eine solche Vereinbarung aber nur schwer durchsetzbar sein.
27.03.2022