Leitsatz:
Allein das Vorhandensein eines Bordells rechtfertigt eine Mietminderung in Höhe von 10 Prozent, auch wenn der Betrieb von außen nicht ohne Weiteres als Bordell zu erkennen ist. Konkret nachgewiesene Störungen können eine zusätzliche Minderung rechtfertigen.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 4.6.2015 – 23 C 25/15 –
Mitgeteilt von RA Martin Kirsch
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im März 2014 hatte im Erdgeschoss des vom Mieter im dritten Stock bewohnten Hauses ein sogenannter Massagesalon den Betrieb aufgenommen. Der Mieter minderte deswegen 10 Prozent der Miete. Der Vermieter akzeptierte dies nicht. Das Amtsgericht gab dem Mieter Recht.
Das Gericht vertritt mit der im Wohnungsmietrecht herrschenden Ansicht, dass allein das Vorhandensein eines Bordells eine Mietminderung in Höhe von 10 Prozent rechtfertigt. Konkret nachgewiesene Störungen können darüber hinaus eine zusätzliche Minderung rechtfertigen. Die „Basisminderung“ sei auch dann gerechtfertigt, wenn der Betrieb von außen nicht ohne weiteres als Bordell zu erkennen sei. Denn aufgrund des Umstandes, dass der Zugang zum Bordell über den Hausflur erfolge, bestehe grundsätzlich die Möglichkeit von Belästigungen der Mieter durch wartende Kunden. Allein deshalb bestehe eine Einschränkung des Wohlgefühls im direkten Wohnumfeld, welche die Minderung rechtfertige. Anhand der eingereichten Unterlagen war das Gericht vom Vorhandensein eines erotischen Betriebes überzeugt.
Dabei könnte zwar die dokumentierte Neonwerbung im Fenster gerade noch als diskrete Betriebsführung durchgehen. Doch hätten die Mieter unwidersprochen vorgetragen, dass die Firma A.H. im Internet mit vorwiegend erotischen Massagen, Penismassage und nackten Frauen werbe, seit Betriebsaufnahme manchmal leicht bekleidete Damen vor der Gewerbeeinheit und suchende männliche Kunden im Haus zu beobachten seien. Insbesondere aufgrund des letzteren, unwidersprochen gebliebenen, Vortrages wäre die Minderung in Höhe von 10 Prozent auch nach der weitergehenden Ansicht, welche für jegliche Minderung eine konkrete Beeinträchtigung verlange, gerechtfertigt. Dies gelte auch, wenn nur eine Handvoll Interessenten täglich das Haus besuchte.
Nehme man nämlich die abgedunkelten Fenster im Souterrain sowie die blinkende Leuchtreklame hinzu, könne eine merkliche Einschränkung des Wohnumfeldes nicht verneint werden. Dies gelte auch bei Vorhandensein diverser anderer Gewerbebetriebe der Umgebung. Denn gerade der zwielichtige Charakter des hier in Rede stehenden Gewerbes unterscheide sich deutlich von den übrigen Nutzungen, insbesondere von der Nutzung durch das vom Vermieter scherzhaft zum Vergleich herangezogene Rechtsanwaltsbüro. Denn der regelmäßige – und sei es auch – niederfrequente Zustrom von sexuell unausgelasteten Personen, die zudem bereit seien, gewisse Schamgrenzen wegen dieser Unausgelastetheit zu überschreiten, sei in der direkten Wohnumgebung besonders unangenehm.
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Urteilstext
Aus den Gründen:
I.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung ausstehender Miete aus § 535 Absatz 2 BGB lediglich in Höhe von 38,46 € aus der Miete für Juli 2014 zu.
A.
Die von den Beklagten geschuldete Bruttowarmmiete von 1464,51 € war seit 7.7.2014 um monatlich 146,45 € nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert.
Denn seit März 2014 hat im Erdgeschoss des von den Beklagten im dritten Stock bewohnten Hauses ein Massagesalon XYZ den Betrieb aufgenommen.
Nach der Entscheidung des BGH (GE 2012, 681) muss der Mieter nur einen konkreten Sachmangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt, vortragen. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht anzugeben. Anhand der Schilderung der Beklagten in der Klageerwiderung und dem Schreiben vom 4.7.2014, mit welchem sie den Minderungsgrund gegenüber der Klägerin anzeigten, kann sich das Gericht ein Bild von der Tauglichkeitseinschränkung machen.
Danach lag ein nicht unerheblicher Mangel vor, der zur Minderung der Bruttowarmmiete berechtigte.
Nach der zutreffenden Rechtsprechung der Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin (WuM 04, 234 = NJOZ 04, 1475) stellt allein das Vorhandensein eines Bordells im Haus eine Einschränkung des Gebrauchs der Mietwohnung dar, welche eine Minderung von 10 % rechtfertigt. Bereits die Möglichkeit von Belästigungen sowie die Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens rechtfertigen nach einer früheren Entscheidung ebenfalls diesen Minderungssatz, selbst wenn in großstädtischer Wohnlage grundsätzlich auch vom Vorhandensein von Bordellbetrieben auszugehen ist (LG Berlin, NJW-RR 1996, 264). Allerdings verlangt eine vereinzelt gebliebene Entscheidung, dass konkrete bordelltypische Störungen vorliegen (LG Berlin, NJW-RR 2000, 601). Die von der Klägerseite angeführte Entscheidung des BGH ist dagegen nicht vergleichbar. Denn sie ist zum Gewerbemietrecht ergangen und verhält sich zum Recht des Gewerbemieters auf eine bestimmte Zusammensetzung der Mieterschaft („Mietermix“).
Das Gericht vertritt mit der im Wohnungsmietrecht herrschenden Ansicht vielmehr, dass allein das Vorhandensein eines Bordells eine Mietminderung in Höhe von 10% rechtfertigt, konkret nachgewiesene Störungen allenfalls eine zusätzliche Minderung rechtfertigen können. Die „Basisminderung“ ist auch dann gerechtfertigt, wenn der Betrieb von außen nicht ohne weiteres als Bordell zu erkennen ist (LG Berlin, NJW-RR 1996, 264). Denn aufgrund des Umstandes, dass der Zugang zum Bordell über den Hausflur erfolgt, besteht grundsätzlich die Möglichkeit von Belästigungen der Mieter durch wartende Kunden. Allein deshalb besteht eine Einschränkung des Wohlgefühls im direkten Wohnumfeld, welche die Minderung rechtfertigt. Das Amtsgericht Neukölln hat entsprechend in einem ähnlichen Fall die Minderung von 10 % gewährt, obwohl der Betrieb als „Wellness Salon“ bezeichnet war (AG Neukölln, GE 2008,606).
Anhand der eingereichten Unterlagen ist das Gericht vom Vorhandensein eines erotischen Betriebes überzeugt.
Dabei mag zwar die dokumentierte Neonwerbung im Fenster gerade noch als diskrete Betriebsführung durchgehen. Doch haben die Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass die Firma A. H. im Internet mit vorwiegend erotischen Massagen, Penismassage und nackten Frauen werbe, seit Betriebsaufnahme manchmal leicht bekleidete Damen vor der Gewerbeeinheit und suchende männliche Kunden im Haus zu beobachten seien. Insbesondere aufgrund des letzteren, unwidersprochen gebliebenen, Vortrages wäre die Minderung in Höhe von 10 % auch nach der weitergehenden Ansicht, welche für jegliche Minderung eine konkrete Beeinträchtigung verlangt, gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn nur eine Handvoll Interessenten täglich das Haus besuchen. Nimmt man nämlich die abgedunkelten Fenster im Souterrain sowie die blinkende Leuchtreklame hinzu, kann eine merkliche Einschränkung des Wohnumfeldes nicht verneint werden. Dies gilt auch bei Vorhandensein diverser anderer Gewerbebetriebe der Umgebung. Denn gerade der zwielichtige Charakter des hier in Rede stehenden Gewerbes unterscheidet sich deutlich von den von Klägerseite aufgeführten übrigen Nutzungen, insbesondere von der Nutzung durch das scherzhaft zum Vergleich herangezogene Rechtsanwaltsbüro. Denn der regelmäßige – und sei es auch – niederfrequente Zustrom von sexuell unausgelasteten Personen, die zudem bereit sind, gewisse Schamgrenzen wegen dieser Unausgelastetheit zu überschreiten, ist in der direkten Wohnumgebung besonders unangenehm.
Der Mangel und die Minderung sind der Klägerin mit Schreiben vom 4.7.2014 von den Beklagten angezeigt worden, § 536 c BGB. ln diesem Schreiben legten die Beklagten eine Minderung von 20 % ab Juli 2014 zu Grunde, welche hinsichtlich der Julimiete mit der Augustzahlung verrechnet werden sollte. Nachdem die Beklagten auf das Schreiben vom 21.10.2014 „als Zeichen des Entgegenkommens“ die Hälfte des Einbehalts beglichen, ist noch von einer geltend gemachten Minderung in Höhe von 10 % ab 7. Juli 2014 auszugehen.
Bezogen auf die vollen streitgegenständlichen Monate August, September und Oktober 2014 stand den Beklagten somit ein Einbehalt von 146,45 € und für den Juli 2014 ein anteiliger Einbehalt von 113,38 € (146,45 € x 24/31) zu. Dies summiert sich auf einen Betrag von 552,73 €, die Differenz zur Klageforderung ist im Tenor zu 1. tituliert.
B.
1.
Der Ausspruch zu den Zinsen rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286 Absatz 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
2.
Hingegen kann die Klägerin die Bezahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von den Beklagten nicht verlangen. Wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, haben die Beklagten auf das Schreiben vom 21.10.2014 „als Zeichen des Entgegenkommens“ auch die Hälfte der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ausgeglichen. Nachdem die Hälfte des Einbehalts sich als gerechtfertigt erwiesen hat, können weitere Rechtsanwaltskosten schon deshalb nicht verlangt werden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO
14.06.2016