Leitsatz:
Eine Modernisierungsmieterhöhung kann, nachdem ein Verzicht wegen Vorliegens einer mieterseitigen finanziellen Härte einmal erklärt wurde, auch nicht bei späteren Veränderungen der Leistungsfähigkeit des Mieters nachgeholt oder wiederholt werden.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 15.1.2021 – 8 C 167/20 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter stellte der Mieterin eine Modernisierungsmieterhöhung in Höhe von monatlich 113,17 Euro mit Wirkung ab dem 1.2.2019 zu. Diese erhob mit Schreiben vom 12.12.2018 gegenüber dem Vermieter Widerspruch gegen die Modernisierungsmieterhöhung wegen finanzieller Härte und fügte dem Schreiben eine „unverbindliche Wohngeldberechnung“ bei. Mit Schreiben vom 29.1.2019 teilte der Vermieter der Mieterin mit, dass er ihr Schreiben vom 12.12.2018 geprüft habe. Sodann wird ausgeführt: „Daher werden wir auf die Mietanpassung zum 1.2.2019 in Höhe von 113,17 Euro verzichten. Die Mietanpassung wurde bereits systemisch storniert.“
Mit Schreiben vom 30.9.2019 teilte der Vermieter der Mieterin eine neue Modernisierungsmieterhöhung aufgrund derselben Modernisierungsmaßnahmen, die im Zeitraum November 2017 bis August 2018 durchgeführt worden waren, in Höhe von nunmehr monatlich 92,46 Euro mit Wirkung ab dem 1.12.2019 mit. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass die Abrechnung mit der Voreigentümergesellschaft in einigen Punkten nicht vollständig gewesen sei. Deswegen sei die Mietanpassung zum 1.2.2019 storniert worden. Das jetzige Modernisierungsmieterhöhungsschreiben diene einer erneuten Mietanpassung nach Modernisierung.
Die Mieterin erhob daraufhin Feststellungsklage dahingehend, dass sich ihre Miete durch die Mieterhöhungen nicht erhöht habe. Das Amtsgericht gab ihr Recht.
Die Vermieterin habe mit Schreiben vom 29.1.2019 ausdrücklich auf eine Modernisierungsmieterhöhung wegen der streitgegenständlichen Modernisierungsmaßnahmen verzichtet. Diesen Verzicht habe die Mieterin durch Schweigen auf dieses Schreiben konkludent angenommen, so dass ein Erlassvertrag zwischen den Parteien im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB zustande gekommen sei. Der Umstand, dass der Vermieter wegen Abrechnungsfehlern der Voreigentümergesellschaft nach Zustandekommen des Erlassvertrags eine neue Modernisierungsmieterhöhung unter Stornierung der alten Modernisierungsmieterhöhung wegen exakt derselben Modernisierungsmaßnahmen erklärt habe, liege allein in der Risikosphäre des Vermieters. Der Vermieter müsse sich daher an seinem zuvor ausdrücklich erklärten Verzicht festhalten lassen. Er könne nicht mit dem Argument gehört werden, dass die neue Mieterhöhung ja geringer sei und sich unter Umständen die Einkommensverhältnisse der Mieterin verändert haben könnten.
Urteilstext
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage der Wirksamkeit eines von der Beklagten erklärten Verzichts auf eine Modernisierungsmieterhöhung.
Zwischen den Parteien bestand bis zum 31.10.2020 ein Mietverhältnis über die im Erdgeschoss im Hause G.-Str. xx, 1xxxx Berlin, gelegene Wohnung, das mit Mietvertrag vom 22.6.2009 begründet wurde. Die Klägerin zu 2. wurde mit Wirkung zum 1.11.2020 aus dem Mietverhältnis entlassen. Seit diesem Zeitpunkt besteht das Mietverhältnis nur noch mit der Klägerin zu 1. alleine.
Mit Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 5.7.2017 kündigte die Beklagte energetische Modernisierungsmaßnahmen an den Fenstern und den Fassaden des Hauses an, in dem sich die Wohnung der Klägerinnen befindet. Die Durchführung der Maßnahmen erfolgte im Zeitraum von November 2017 bis August 2018.
In der Folge teilte die Beklagte den Klägerinnen eine Modernisierungsmieterhöhung in Höhe von monatlich 113,17 € mit Wirkung ab dem 1.2.2019 mit.
Mit Schreiben vom 12.12.2018 erhoben die Klägerinnen gegenüber der Hausverwaltung der Beklagten Widerspruch gegen die Modernisierungsmieterhöhung wegen finanzieller Härte und fügten dem Schreiben eine „unverbindliche Wohngeldberechnung“ bei.
Mit Schreiben ihrer· Hausverwaltung vom 29.1.2019 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass sie ihr Schreiben vom 12.12.2018 geprüft habe. Sodann wird ausgeführt: „Daher werden wir auf die Mietanpassung zum 1.2.2019 in Höhe von 113,17€ verzichten. Die Mietanpassung wurde bereits systemisch storniert.“
Mit Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 30.9.2019 teilte die Beklagte den Klägerinnen eine neue Modernisierungsmieterhöhung aufgrund derselben Modernisierungsmaßnahmen, die im Zeitraum November 2017 bis August 2018 durchgeführt worden waren, in Höhe von nunmehr monatlich 92,46 € mit Wirkung ab dem 1.12.2019 mit. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass die Abrechnung mit der Voreigentümergesellschaft in einigen Punkten nicht vollständig gewesen sei. Deswegen sei die Mietanpassung zum 1.2.2019 storniert worden. Das jetzige Modernisierungsmieterhöhungsschreiben diene einer erneuten Mietanpassung nach Modernisierung.
Die Klägerinnen beantragen, festzustellen, dass sich die Nettokaltmiete für die von ihnen innegehalten Wohnung im Hause G.-Str. xx, Erdgeschoss, 1xxxx Berlin, aufgrund der Modernisierungsmieterhöhung der Beklagten vom 30.09.2019 nicht erhöht hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Verzicht im Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 29.1.2019 nur auf die ursprüngliche Mieterhöhung in Höhe von monatlich 113,17 € bezogen habe. Sie weist darauf hin, dass die neue Mieterhöhung geringer sei und sich in der Zwischenzeit die Einkommensverhältnisse der Klägerinnen geändert haben könnten.
…
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Beide Klägerinnen sind trotz des Ausscheidens der Klägerin zu 2. aus dem Mietverhältnis bis zum 1.11.2020 aktivlegitimiert. Denn ein Feststellungsinteresse an der geltend gemachten Feststellung, dass sich die Nettokaltmiete aufgrund der Modernisierungsmieterhöhung vom 30.9.2019 nicht erhöht habe, besteht für die Klägerin zu 2. fort, da sie bis zum 31.10.2020 für die streitgegenständliche Mieterhöhung mithaften würde bzw. bei einer Rückforderung unter Vorbehalt gezahlter Beträge Mitgläubigerin des Rückforderungsanspruchs wäre.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 29.1.2019 ausdrücklich auf eine Modernisierungsmieterhöhung wegen der streitgegenständlichen Modernisierungsmaßnahmen verzichtet. Diesen Verzicht haben die Klägerinnen durch Schweigen auf dieses Schreiben konkludent angenommen, so dass ein Erlassvertrag zwischen den Parteien im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB zustande gekommen ist (vgl. Palandt-Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 397 BGB, Rn. 6 und 8). Der Umstand, dass die Beklagte wegen Abrechnungsfehlern der Voreigentümergesellschaft nach Zustandekommen des Erlassvertrags eine neue Modernisierungsmieterhöhung unter Stornierung der alten Modernisierungsmieterhöhung wegen exakt derselben Modernisierungsmaßnahmen erklärt hat, liegt allein in der Risikosphäre der Beklagten. Die Beklagte muss sich daher an ihrem zuvor ausdrücklich erklärten Verzicht festhalten lassen. Sie kann nicht mit dem Argument gehört werden; dass die neue Mieterhöhung ja geringer sei und sich, unter Umständen die Einkommensverhältnisse der Klägerinnen verändert haben könnten. Denn eine Modernisierungsmieterhöhung kann, nachdem ein Verzicht einmal erklärt wurde, auch nicht bei späteren Veränderungen der Leistungsfähigkeit des Mieters nachgeholt oder wiederholt werden (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 559 BGB, Rn. 98).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27.05.2021