Leitsatz:
Fehlen Wärmezähler zur Vorwegerfassung der Wärmemenge für das Warmwasser, werden die Kosten für die Wassererwärmung aber mit der Formel des § 9 Abs. 2 HeizkostenVO abgerechnet, scheidet das 15%ige Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 HeizkostenVO aus.
LG Berlin vom 20.6.2018 – 65 S 29/18 –
Mitgeteilt von RA Sebastian Leonhard
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Gericht folgt der 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin (vom 15.6.2017 – 67 S 101/17, MM 4/2018, Seite 29). Die gegenteilige Auffassung, wonach Mietern in einem solchen Fall das 15%ige Kürzungsrecht nach § 12 HeizkostenVO zusteht, vertritt die 63. Zivilkammer des Landgerichts Berlin (vom 16.1. 2018 – 63 S 91/17 –, MM 5/2018, Seite 27).
Urteilstext
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
1. Die Berufung ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf (Rück-)Zahlung von 366,30 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit den Heiz- und Warmwasserkostenabrechnungen vom 2. Dezember 2015 und 12. November 2016.
Die von den Klägern in 2014 und 015 geleisteten Vorauszahlungen auf die Heiz- und Warmwasserkosten übersteigen in Höhe der geltend gemachten Beträge von 192,95 € für 2014 und 173,65 € für 2015 nicht die auf sie umlagefähigen Kosten, über die die Beklagte unstreitig fristgerecht abgerechnet hat; eine Mehrleistung ohne Rechtsgrund liegt nicht vor.
Ein weitergehendes Abrechnungsguthaben ergibt sich nicht unter Berücksichtigung des von den Klägern erstmals mit Schreiben vom 18.·Dezember 2016 geltend gemachten Kürzungsrechtes aus § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV.
Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV liegen nicht vor. Nach dieser Regelung hat der Nutzer das Recht, den auf ihn entfallenden Kostenanteil einer nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten um 15 % zu kürzen, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Verordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet wurden.
Zuzugeben ist den Klägern, dass die Beklagte hier entgegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV (nF) die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge der verbundenen Anlage nicht mit einem Wärmezähler gemessen hat, um sie – entsprechend der überarbeiteten Fassung des§ 9 HeizkostenV (vgl. BR-Ds. 570/08, S. 15f.) – von denen der zentralen Heizungsanlage zu trennen. Sie hat die Wärmemenge stattdessen nach der Gleichung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2, 3 HeizkostenV bestimmt, dies offenbar, ohne dass die – von ihr darzulegenden – Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nach § 9 Abs. 2 Satz 2 HeizkostenV vorliegen; die Beklagte hat schon erstinstanzlich vorgetragen, dass sie die Zähler inzwischen installiert hat.
Die HeizkostenV sanktioniert jedoch nicht jeden Verstoß gegen ihre Regelungen mit dem pauschalierten Schadenersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 1. Kumulativ erforderlich ist, dass infolge des Verstoßes verbrauchsunabhängig abgerechnet wurde. Die letztgenannte Voraussetzung ist hier nicht gegeben.
Die Beklagte hat den individuellen Verbrauch der Kläger an Wärme und Warmwasser den Regelungen der §§ 4 Abs. 1, 2, 5 Abs. 1 HeizkostenV entsprechend erfasst und auch abgerechnet. Der Umstand, dass die Beklagte die auf die. zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende – vom einzelnen Nutzer ohnehin nur bedingt beeinflusste – Wärmemenge 2014 und 2015 nicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV gemessen hat, um ihren Anteil am Gesamtverbrauch zu ermitteln, führt hier nicht dazu, dass sie nunmehr nicht verbrauchsabhängig im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV abgerechnet hätte. Die Abrechnungen erfolgten vielmehr – anders als im Falle eines Verstoßes gegen § 5 HeizkostenV – weiterhin auf der Grundlage des individuell gemessenen Verbrauchs der einzelnen Nutzer; die Verwendung der Gleichung nach § 9 Abs. 2 Satz 2, 3 HeizkostenV stellt sicher, dass – anders als bei Verwendung der Gleichung nach Satz 4 – auch der Anteil der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden Wärmemenge weiterhin verbrauchsbezogen ermittelt wird, denn sie knüpft an das gemessene Volumen des verbrauchten Warmwassers und die gemessene oder geschätzte mittlere Temperatur des Warmwassers an (vgl. überzeugend: Lammel, ZMR 2016, 6, [7]; ders., jurisPR-MietR 6/2018, Anm. 4, juris).
Die – im Urteil des Amtsgerichts und dem von diesem in Bezug genommenen Urteil der Zivilkammer 67 (Urt. v. 15. Juni 2016 – 67 S 101/17, juris) vermisste – Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2016 (VIII ZR 2016, WuM 2018, 174, juris) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. ln dem vom BGH entschiedenen Fall wurde – entgegen § 5 Abs. 2 HeizkostenV – keine Vorerfassung vorgenommen, obwohl es zwei Gruppen von Nutzern gab, die mit unterschiedlichen Messgeräten ausgestattet waren. Für eine Nutzergruppe (Ausstattung mit Wärmemengenzählern) wurde nach dem ermittelten individuellen Verbrauch abgerechnet, der anderen Gruppe (Ausstattung mit .Heizkostenverteilern) im Wege der Differenzberechnung der „Rest“ auferlegt; Messungenauigkeiten gingen damit einseitig zu Lasten der Nutzergruppe, deren individuell erfasster Verbrauch nicht die Grundlage der Abrechnung bildete (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 2, 7, 19). Letzteres ist der maßgebliche Unterschied. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof sich in der Entscheidung vor allem ausführlich mit der Auffassung des Berufungsgerichts auseinandergesetzt, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV verlange, dass für die mit Heizkostenverteilern ausgestattete Nutzergruppe eine neue Heizkostenabrechnung auf der Grundlage der Kostenverteilung nach Wohnflächen zu erstellen sei.
Die Kammer weicht damit auch – entgegen der missverständlichen Formulierung der Entscheidungsgründe – nicht vom Urteil der Zivilkammer 63 vom 16. Januar 2018 (63 S 91/17, juris) ab. Auch dieser Entscheidung lag – ausweislich des Tatbestandes – ein anderer Sachverhalt zugrunde.
ln dem streitgegenständlichen Objekt wurde gerade nicht verbrauchsabhängig abgerechnet; die dortige Vermieterin hat die Verteilung der Heiz-·und Warmwasserkosten nach Flächen durchgeführt, nicht nach dem individuell-erfassten Verbrauch der einzelnen Nutzer.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Entscheidung beruht auf den maßgeblichen Regelungen der HeizkostenV, den Motiven des Verordnungsgebers und weicht nicht von höchstrichterlich entwickelten Maßstäben ab.
23.04.2019