Leitsatz:
Das kirchliche Verwaltungsamt Berlin Mitte-Nord ist durch gesetzliche Aufgabenübertragung befugt, auch ohne besondere Vollmachtsurkunde die vermietende Kirchengemeinde gegenüber Mietern zu vertreten.
AG Mitte vom 6.8.2014 – 11 C 49/14 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Dies folgt aus §§ 2 und 8 Abs. 1 Nr. 5 des Verwaltungsämtergesetzes (Kirchengesetz über die Rechtsstellung der Kirchenverwaltungsämter vom 18.11.2000, kurz: VÄG) in Verbindung mit der Satzung des Evangelischen Kirchenkreisverbandes Berlin Mitte-Nord (Kirchliches Amtsblatt der EKBO vom 30.3.2011, S. 47 f.).
Danach sind den Verwaltungsämtern im Kirchenkreis unter anderem als Regelaufgabe die klassischen Hausverwaltertätigkeiten für die Kirchengemeinden übertragen worden.
Urteilstext
Tatbestand
Die Beklagten mieteten von der als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragenen evangelischen Sophienkirchgemeinde mit Vertrag vom 01.07.1997 eine Wohnung in der G.- Straße XX, Vorderhaus, 4.0G links in 10115 Berlin). Die Miete betrug zuletzt 591,57 € nettokalt zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 110,00 €. Am 12.05.2014 wurde die Klägerin im Grundbuch eingetragen.
Das kirchliche Verwaltungsamt Berlin Mitte-Nord (im Folgenden: KVA) erstellte im Namen der Eigentümerin unter dem 16.12.2013 eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2012, aus der sich eine Nachzahlung von 341,50 € ergab.
Die Beklagten hatten sich im Jahr 2010 schriftlich an das KVA gewandt und um Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung von zwei Zimmern gebeten. Das KVA erteilte die Zustimmung zur Untervermietung eines Teils der Wohnung mit Schreiben vom 29.06:2010.
Die Klägerin bzw. das KVA erhielt durch Beschwerden der Nachbarn davon Kenntnis, dass die Beklagten Teile der Wohnung an Touristen vermieteten. Insbesondere der Beklagte zu 2. bot zwei Räume über das Internetportal airbnb.de für 270 € pro Woche zur Vermietung an Touristen an. Der für Immobilienverwaltung zuständige Mitarbeiter des KVA, der Objektbetreuer H., stellte am 05.11.2013 eine Buchungsanfrage und erhielt eine Zusage.
Daraufhin erklärte das KVA durch Herrn H. und Herrn S. mit Schreiben vom 15.11.2013 im Namen der evangelischen Kirchengemeinde S. die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses wegen unerlaubter Untervermietung. Die Beklagten wiesen die Kündigung zurück und rügten das Fehlen einer Vollmacht.
Vorsorglich sprach das KVA unter Beifügung einer Vollmacht der Kirchengemeinde S. am 04.12.2013 erneut eine Kündigung aus. Auch diese Kündigung wiesen die Beklagten mit dem gleichen Wortlaut zurück.
Unter dem 20.12.2013 wandten sich die Beklagten schriftlich an die Kirchengemeinde S. und beriefen sich auf die Untermieterlaubnis vom 25.05.2010. Sie teilten mit, dass sie getrennt lebten, die Beklagte zu 1. nicht mehr in der streitgegenständlichen Wohnung lebe, und dass der Beklagte zu 2. „durch den Verlust mehrerer Kunden mit derzeit lediglich 1.300,00 € nur einen Bruchteil“ des sonst erzielten Einkommens von 4.000,00 € verdiene. Sie kündigten für die Zeit ab 01.01.2014 zwei neue Untermieterinnen namentlich an.
Der Gemeinderatsvorsitzende der Klägerin erklärte mit Schreiben vom 28.01.2014 nochmals die Kündigung. Die Beklagten reagierten darauf mit Schreiben vom 16.02.2014 und erklärten, es fehle ein gültiges Legitimationszeichen sowie ein Beschluss des Gemeindekirchenrates.
Mit der Klage wurde erneut eine Kündigung ausgesprochen, die von den Beklagten mit Schreiben vom 05.04.2014 zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin hat zwei Prozessvollmachten eingereicht, auf die Bezug genommen wird.
Das KVA sandte den Beklagten am 30.01.2014 ein Mieterhöhungsverlangen, dem die Beklagten mit Schreiben vom 18.02.2014 teilweise zustimmten.
Die Klägerin behauptet, die Kirchengemeinde S. sei am 01.01.1999 mit zwei weiteren Gemeinden zur Klägerin fusioniert worden. Das Mieterhöhungsverlangen sei versehentlich an die Beklagten gesandt worden. Sie meint, eine Absicht, das Mietverhältnis fortzusetzen, sei daraus nicht abzuleiten. Die Klägerin behauptet ferner, die Beklagten seien unter dem 11.02.2013 und 13.08.2013 wegen der unerlaubten Untervermietung abgemahnt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
- an die Klägerin 341,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (31.03.2014) zu zahlen.
- die von ihnen innegehaltene Wohnung in dem Objekt G.-Straße xx, Vorderhaus, 4. OG links, 10117 Berlin, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Toilette, Bad, Diele, Keller und Kammer mit einer Wohnfläche von ca. 112,04 m2 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen, hilfsweise, eine ausreichend bemessene Räumungsfrist zu bewilligen.
Die Beklagten sind der Ansicht, die Vollmachten seien unwirksam, da die handelnden Personen nicht genannt seien und die Vollmachten nicht gemäß Art. 24 Abs. 2 der Grundordnung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, kurz: EKBO (Fassung v. 24.11.2003, geändert am 17.11.2012) korrekt mit einem Siegel versehen seien. Daher seien auch die Kündigungen unwirksam. Ferner habe die Klägerin durch Abgabe des Mieterhöhungsverlangens ihren Willen zur Fortsetzung des Mietverhältnisses erklärt. …
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klageerhebung ist wirksam, denn (spätestens) mit der Prozessvollmacht vom 17.07.2014 hat die Klägerin eine wirksame Vollmacht im Sinne von§ 80 ZPO vorgelegt. Die Vollmacht ist vom rechtmäßigen Vertreter der Klägerin, dem Gemeindekirchenratsvorsitzenden, unterschrieben und zudem auch gesiegelt worden, so dass den Formerfordernissen gem. Art. 24 Abs. 2 der Grundordnung der EKBO Genüge getan ist. Es ist unschädlich, dass der Gemeindekirchenratsvorsitzende als Vollmachtsaussteller nicht die Klägerin, sondern seinen eigenen Namen auf dem Formular eingefügt hat, denn durch das Siegel und die Angabe des Geschäftszeichens ist deutlich geworden, dass es sich um eine Vollmacht der Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit handelt.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 341,50 € aus § 535 BGB i.V.m. dem Mietvertrag vom 01.07.1997 und der Abrechnung vom 16.12.2013 zu. Die Abrechnung ist ordnungsgemäß, da sie die notwendigen Angaben zu den Kosten, dem Umlageschlüssel, den Zahlungen und dem Anteil der Mieter enthält. Die Beklagten haben die Abrechnung erhalten und keine Einwendungen erhoben.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB. Rechtshängigkeit ist mit der Klagezustellung am 31.03.2014 eingetreten.
Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 BGB zu. Das Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 04.12.2014 mit sofortiger Wirkung beendet worden.
Die Kündigung ist formell wirksam. Die Zurückweisung wegen fehlender oder fehlerhafter Vollmacht ist ohne Bedeutung, da eine Vollmacht nicht erforderlich ist. Das KVA ist durch gesetzliche Aufgabenübertragung befugt, auch ohne besondere Vollmachtsurkunde die vermietende Gemeinde gegenüber Mietern zu vertreten. Dies folgt aus §§ 2 und 8 Abs. 1 Nr. 5 des Verwaltungsämtergesetzes (Kirchengesetz über die Rechtsstellung der Kirchenverwaltungsämter vom 18.11.2000, kurz: VÄG) in Verbindung mit der Satzung des Evangelischen Kirchenkreisverbandes Berlin Mitte Nord (Kirchliches Amtsblatt der EKBO vom 30.03.2011, S. 47 f.). Danach ist den Verwaltungsämtern im Kirchenkreis, zu dem die Klägerin sowie die Rechtsvorgängerin, die ursprüngliche Vermieterin, gehört, u.a. als Regelaufgabe die klassischen Hausverwaltertätigkeiten für die Gemeinden übertragen worden. Die Kirchengemeinden können sich zwar davon befreien lassen, indem sie eine andere Hausverwaltung beauftragen. Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht behauptet worden. Demnach ist das KVA per Kirchengesetz Vertreter der Kirchengemeinden des Kirchenkreisverbandes in Wohnungsangelegenheiten, was sich auch aus § 12 Abs. 1 VÄG ergibt, wonach das KVA die genannten Geschäfte im Auftrag der beteiligten Körperschaft führt. Die Zurückweisung durch die Beklagten vom 12.12.2013 lief somit ins Leere.
Die Kündigungserklärung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie nicht vom Leiter des KVA, sondern von zwei Mitarbeitern unterschrieben wurde. Denn das KVA als Behörde der Körperschaft Kirchenkreisverband Berlin Mitte-Nord handelt wie jede Behörde durch die im jeweiligen Bereich zuständigen Amtsträger. Ein Blick in das im Internet veröffentlichte Organigramm des KVA ergibt, dass genau diese beiden Mitarbeiter, S. und H., für den Bereich Wohnungswesen zuständig sind. Weshalb hier- anders als sonst auch stets bei Behörden üblich – nicht die jeweiligen Funktionsträger die Behörde in ihrem übertragenen Wirkungskreis nach außen repräsentieren und vertreten, sondern der Amtsleiter jede Kündigung selbst unterschrieben müsste, haben die Beklagten nicht plausibel dargelegt.
Die Voraussetzungen für eine sofortige Kündigung lagen vor. Die Beklagten haben eine Pflicht aus dem Mietvertrag erheblich verletzt, indem sie ohne entsprechende Genehmigung eine gewerbliche Untervermietung betrieben haben, § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die ursprünglich erteilte Untermieterlaubnis bezog sich auf konkrete Personen und umfasste nicht die Möglichkeit, fortlaufend mit Gewinnerzielungsabsicht an stets wechselnde Personen, d.h. Touristen, zu vermieten. Die unerlaubte Untervermietung ist unstreitig.
Die Beklagten haben die Vermietung trotz Abmahnung gem. § 543 Abs. 3 BGB fortgesetzt. Es kann dahinstehen, ob die Beklagten die Abmahnungen vom 11.02.2013 und 13.08.2013 erhalten haben. Denn unstreitig haben sie die Kündigung vom 15.11.2013 bekommen, die als Abmahnung umgedeutet werden kann, da ihnen spätestens dadurch deutlich geworden ist, dass die Klägerin die weitere Untervermietung nicht dulden wird. Die Abmahnung war auch wirksam, da sie vom zuständigen KVA durch die dafür eingesetzten Mitarbeiter ausgesprochen wurde (siehe oben).
Die Beklagten haben ferner auch nach der Abmahnung die unerlaubte Untervermietung fortgesetzt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Zurückweisungsschreiben vom 22.11.2013, in welchem sie mit keinem Wort auf die inhaltlichen Vorwürfe eingehen und etwa erklären, ab sofort eine Untervermietung zu unterlassen. Zum anderen ist dies aus dem Schreiben vom 20.12.2013 ersichtlich, in dem zwar von Einbußen die Rede ist, aber nicht von gänzlicher Einstellung der Vermietung an Touristen – immerhin teilen sie mit, dass der Beklagte zu 2. noch 1.300,00 € monatlich daran verdient. Die Beklagten bzw. der Beklagte zu 2. hat offensichtlich als Reaktion auf die Kündigung eine Einschränkung der Vermietung vorgenommen, sie aber nicht gänzlich eingestellt.
Da die Beklagten in ihrem Schreiben vom 22.11.2013 nicht zu erkennen geben, dass sie die Vorwürfe ernst nehmen, sondern vielmehr mitteilen, dass sie dem Grunde nach bei ihrem Verhalten bleiben wollen, und sogar in fast vorwurfsvollem Ton den Einkommensverlust beklagen, musste die Klägerin davon ausgehen, dass die Beklagten nicht zu einer wesentlichen Änderung ihres Verhalten bereit sind. Daher bedurfte es keiner Fristsatzung für die Abhilfe mehr, bevor die Kündigung vom 04.12.2013 ausgesprochen wurde. Denn dadurch wurde deutlich, dass eine Fristsetzung keinen Erfolg verspricht, § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB.
Überdies ist nach Auffassung des Gerichts in Fällen wie diesen sogar vertretbar, ohne jegliche Abmahnung eine sofortige Kündigung auszusprechen. Die unerlaubte gewerbliche Untervermietung stellt einen so erheblichen Vertrauensverstoß im Mietverhältnis dar, dass von einer schweren Vertragsverletzung auszugehen ist. Der Mieter maßt sich die wirtschaftliche Verwertung der Wohnung an und hintergeht damit den Vermieter in grober Weise. Zudem stört er dadurch meist auch den Hausfrieden, da der ständige Wechsel der Bewohner in der Regel zu deutlich mehr Unruhe und Unsicherheit im Haus führt und damit die anderen Hausbewohner in ihrem Mietgebrauch beeinträchtigt.
Auf ihren Antrag hin war den Beklagten gemäß § 712 Abs. 1 ZPO eine Räumungsfrist von knapp vier Monaten zu gewähren. Die Wohnungssituation ist in Berlin relativ angespannt, so dass die Frist nicht allzu kurz bemessen sein durfte. Andererseits wissen die Beklagten schon seit mehr als einem halben Jahr, dass mit einer Räumung zu rechnen haben, und konnten sich schon in der Zwischenzeit nach Wohnungen umschauen.
Die übrigen prozessualen Nebenentscheidung folgen aus§§ 91, 708 Nr. 7 und Nr. 11, 711 ZPO. Streitwert: 7.440,34 €
23.12.2017