Leitsatz:
Hat die Vermieterin bei einer seit 30 Jahren bestehenden Wohngemeinschaft bereits 13 Mieterwechseln seit Abschluss des Mietvertrages jeweils ohne Bonitätsprüfung zugestimmt, kann sie die Zustimmung zu weiteren Mieterwechseln nicht mehr von der Vorlage von Unterlagen für eine Bonitätsprüfung abhängig machen.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 9.4.2018 – 7 C 348/17 –
Mitgeteilt von RA Berndt Hintzelmann
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Vorliegend hatten die Mietvertragsparteien im Mietvertrag vereinbart, dass die Vermieterin dem Eintritt eines von den übrigen Mietern vorgeschlagenen Nachmieters nur dann nicht zustimmen wird, wenn in der Person des Vorgeschlagenen ein wichtiger Grund vorliegt oder ihr sonst der Eintritt des Vorgeschlagenen in den Vertrag nicht zugemutet werden könne.
Um prüfen zu können, ob ein wichtiger Grund entgegen stehe, könne – so das Amtsgericht – ein Vermieter auch bei einer antizipierten Zustimmung grundsätzlich die für eine Bonitätsprüfung erforderlichen Auskünfte verlangen. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass die Vermieterseite bei den dreizehn vorhergehenden Mieterwechseln seit Abschluss des Mietvertrages vor circa 30 Jahren für ihre Zustimmung nicht die Vorlage von Unterlagen für eine Bonitätsprüfung verlangt habe. Diese Übung sei Gegenstand des Mietverhältnisses geworden. Zwar sei zu berücksichtigen, dass ohne Bonitätsprüfung nicht verhindert werden könne, dass alle solventen Mieter ausscheiden und lauter insolvente eintreten könnten. Allerdings habe sich die Vermieterin beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin durch die über 30 Jahre gelebte Praxis selbst ihres Rechts auf Prüfung enthoben und werde auch nicht rechtlos gestellt. Sollten Mietzahlungen ausbleiben, könne die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos kündigen und stehe dann ähnlich da wie bei Vermietung an einen solventen in einem festen Arbeitsverhältnis stehenden Mieter, der nach Abschluss des Mietvertrages beziehungsweise Eintritt in den Mietvertrag in finanzielle Schieflage gerate.
Deshalb dürfe die Vermieterin ihre Zustimmung nicht von der Vorlage weiterer Unterlagen abhängig machen. Einen anderen Grund, der der Zustimmung entgegenstehen könnte, habe die Vermieterin nicht dargetan. Durch den begehrten Mieterwechsel und den Eintritt eines weiteren Mieters werde die Wohnung auch nicht überbelegt, da sie dann – wie bei Abschluss des Mietvertrages – von vier Personen bewohnt werde.
Urteilstext
Tatbestand:
Zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der G. GmbH, als Vermieterin und der Mietergemeinschaft M. L. u.a. wurde am 22.10.1987 ein Mietvertrag über die Wohnung K. Str. xx, 1xxxx Berlin, geschlossen. Die Wohngemeinschaft bestand damals aus den Mietern M. L., G. L., I. S., Ch. P. und U. R.. Aufgrund des Wohngemeinschafts-Mietverhältnisse traten immer wieder einzelne Personen aus dem Mietverhältnis aus und andere für sie ein. Insgesamt kam es zu … dreizehn Mieterwechseln. Diese erfolgten dergestalt, dass die Mieter mitteilten, welche Personen aus dem Mietverhältnis ausscheiden und welche eintreten sollten. Dann erteilte die Vermieterin jeweils ihre Bestätigung/Zustimmung.
Anfang des Jahres 2017 wollte der Kläger zu 1) aus dem Mietverhältnis ausscheiden und dafür sollte Herr S. M. in den Mietvertrag eintreten. Die Mieter baten die Beklagte mit Schreiben vom 10.03.2017 um Bestätigung. Mit Schreiben vom 20.03.2017 teilte die Beklagte mit, dass sie von den verbleibenden und den zukünftigen Vertragspartnern Einkommensnachweise und Schufa-Auskünfte benötige. Mit Schreiben vom 03.04.2017 wiesen die Mieter darauf hin, dass die Forderung nach Nachweisen nicht den mietvertraglichen Vereinbarungen und nicht der bisherigen Praxis entspreche. Mit Anwaltsschreiben vom 6.06.2017 wurde die Beklagte erneut zur Vertragsumstellung aufgefordert und wurde ihr zugleich mitgeteilt, dass auch noch Herr L. V. in den Mietvertrag eintreten wolle.
Eine Kopie der Personalausweise der Herren L. V. und S. M. lag der Beklagten vor.
Die Kläger meinen, die Beklagte müsse dem Mieterwechsel ohne Vorlage der verlangten Auskünfte Genehmigung erteilen.
Die Kläger beantragen, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie könne ohne die verlangten Nachweise nicht prüfen, ob ein wichtiger Grund für eine Zustimmungsverweigerung vorliege.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Den Klägern steht der geltend gemachte Zustimmungsanspruch aus dem Wohnungsgemeinschafts-Mietverhältnis zu.
Die Rechtsbeziehungen einer Wohngemeinschaft im Innenverhältnis bestimmen sich in der Regel nach den §§ 705 ff. BGB, da die Wohngemeinschaft nach überwiegender Auffassung eine GbR darstellt (Schmidt-Futterer/Blank, 12. Aufl. 2015, BGB § 540 Rn. 16-20, beck-online). Allein aus dieser Beurteilung des Innenverhältnisses lässt sich jedoch noch nicht ableiten, ob diese Personenvereinigung im Außenverhältnis zum Vermieter eine Einheit oder eine Mehrheit von Mietern bildet, wer also auf Mieterseite Partei des Mietvertrags wird: Die Wohngemeinschaft als Außen-GbR oder ihre Mitglieder gemeinschaftlich, die nach innen eine lnnen-GbR bilden (vgl. Dr. Jörn Jacobs, Haftung der (studentischen) Wohngemeinschaft nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR, NZM 2008, 111, beck-online).
Ob also auf Mieterseite eine Außen-GbR ist, oder ob die einzelnen Mitglieder der Wohngemeinschaft Mieter werden, ist durch Auslegung zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass die einzelnen Mitglieder der WG Mieter werden. Die Mieter werden im Rubrum des Mietvertrages als „Mietergemeinschaft M. L. u.a. siehe Anlage Nr. 5 zum Mietvertrag“ bezeichnet. ln der Anlage Nr. 5 sind alle Mitglieder der Mietergemeinschaft namentlich aufgeführt und haben jeweils unterschrieben. Hinzu kommt, dass bei Abschluss des Mietvertrages im Jahr 1987 noch keine Rechtsfähigkeit einer Außen-GbR anerkannt war. Der BGH hat eine Rechtsfähigkeit einer GbR erst im Jahr 2001 bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 -, BGHZ 146, 341-361). Für einen dahingehenden Willen der Vertragsparteien, dass alle Mitglieder Mieter werden spricht auch die gelebte Übung bei Mieterwechseln: Die WG-Mitglieder haben jeweils ihr Einverständnis mit einem Mieterwechsel bestätigt. Dies wäre nicht erforderlich, wenn die GbR als solche Mietvertragspartei geworden wäre, denn ein Wechsel ihrer Mitglieder hätte dann keinen Wechsel der Mietvertragspartei zur Folge. Allein durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR hat sich die Rechtslage nicht geändert (vgl. Dr. Jörn Jacobs, a.a.O.).
Auch bei einer Wohngemeinschaft bedarf das Auswechseln eines Mieters der Zustimmung des Vermieters (Schmidt-Futterer/Blank, 12. Aufl. 2015, BGB § 543 Rn. 71-73, beck-online), auf deren Erteilung allerdings grundsätzlich ein Anspruch besteht (LG Berlin, Urteil vom 28. August 2013; Urteil vom 11. Januar 2017 – 65 S 375/16 -, juris). Vorliegend haben die Mietvertragsparteien sogar in Anlage 4 zum Mietvertrag vereinbart, dass die Vermieterin dem Eintritt eines von den übrigen Mietern vorgeschlagenen Nachmieters nur dann nicht zustimmen wird, wenn in der Person des Vorgeschlagenen ein wichtiger Grund vorliegt oder ihr sonst der Eintritt des Vorgeschlagenen in den Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Um prüfen zu können, ob ein wichtiger Grund entgegen steht, kann ein Vermieter auch bei einer antizipierten Zustimmung grundsätzlich die für eine Bonitätsprüfung erforderlichen Auskünfte verlangen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 23. März 2016 – 65 S 314/15 -, Rn. 20, juris). Dies hat das Landgericht Berlin in der vorgenannten Entscheidung wie folgt begründet:
„Da bei einem Mieterwechsel das Vertragsverhältnis zum Vermieter unmittelbar betroffen ist, ist kein Grund ersichtlich, warum der Vermieter einen angebotenen neuen Mieter als Vertragspartner ohne Bonitätsprüfung akzeptieren sollte. Für eine so weitreichende, vom gesetzlichen Leitbild interessenwidrig abweichende Einigung im Rahmen des Vertragsschlusses gibt es keinen Anhalt. Eine Rechtsgrundlage für die Auffassung der Berufung, dass – wie zu Beginn des Mietverhältnisses – auch bei einem Mieterwechsel eine Bonitätsprüfung zu unterbleiben habe, lässt sich dem Mietvertrag nicht entnehmen und ist auch sonst nicht ersichtlich.“ (LG Berlin, Urteil vom 23. März 2016 – 65 S 314/15 -, Rn. 20, juris).
Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Vermieterseite bei den dreizehn vorhergehenden Mieterwechseln seit Abschluss des Mietvertrages, mithin seit ca. 30 Jahren, ihre Zustimmung nicht von der Vorlage von Unterlagen für eine Bonitätsprüfung verlangt hat. Diese Übung ist Gegenstand des Mietverhältnisses geworden. Eine derartige Annahme verstößt nicht gegen Art. 14 GG (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 1993 – 1 BvR 1750/92 -, juris).
Im Übrigen leben die Mieter – wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben haben – in einem alternativen Wohnprojekt, das das gesamte Haus umfasst, was der Vermieterin bei Abschluss des Mietvertrages auch bekannt war. Dieses Wohnprojekt zeichnet sich durch einen besonderen Gemeinschaftsgedanken aus, der insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Wohnungen nicht in sich abgeschlossen genutzt werden, sondern das gesamte Haus mit offenen Türen bewohnt wird. Dementsprechend werden die Mieten zwar jeweils für die einzelnen Wohnungen bezahlt, aber diese Zahlungen erfolgen von einem einzigen gemeinsamen Mieterkonto. Die Interessenslage der Beklagten entspricht daher eher dem eines Mietverhältnisses mit einer Außen-GbR als Mieterin.
Durch den gelebten Gemeinschaftsgedanken ist die Beklagte besser gesichert, als in einer normalen – aus drei bis fünf Personen – bestehenden studentischen WG. Außerdem sollen zwei langjährige Mieter Vertragspartner bleiben, sind in 30 Jahren keine Mietschulden entstanden und gewinnt die Beklagte nach den mit der Klage begehrten Zustimmungen, sogar einen weiteren Gesamtschuldner.
Das Gericht hat berücksichtigt, dass ohne Bonitätsprüfung nicht verhindert werden kann, dass alle solventen Mieter ausscheiden und lauter insolvente eintreten können. Allerdings hat sich die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin durch die über 30 Jahre gelebte Praxis selbst ihres Rechts auf Prüfung enthoben und wird auch nicht rechtlos gestellt. Sollten Mietzahlungen ausbleiben, kann die Beklagte das Mietverhältnis fristlos kündigen und steht dann ähnlich dar, wie bei Vermietung an einen solventen in einem festen Arbeitsverhältnis stehenden Mieter, der nach Abschluss des Mietvertrages/Eintritt in den Mietvertrag in finanzielle Schieflage gerät.
Nach alledem durfte die Beklagte ihre Zustimmung nicht von der Vorlage weiterer Unterlagen abhängig machen. Einen anderen Grund, der der Zustimmung entgegenstehen könnte, hat die Beklagte nicht dargetan. Durch den begehrten Mieterwechsel und den Eintritt eines weiteren Mieters wird die Wohnung auch nicht überbelegt, da sie dann – wie bei Abschluss des Mietvertrages – von vier Personen bewohnt wird.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
21.10.2019