Leitsatz:
Die Kammer hält die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der „Mietpreisbremse“ und die Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 für unbegründet. Sie folgt den überzeugenden Erwägungen der Zivilkammer 65 (vgl. LG Berlin – 65 S 424/16, Urteil vom 29.3.2017), wonach weder die gesetzlichen Regelungen in §§ 556 d ff. BGB durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, noch die Verordnung vom 28.4.2015 formelle oder materielle Mängel aufweist, die ihrer Wirksamkeit entgegenstünden.
LG Berlin vom 20.6.2018 – 64 S 199/17 –
Mitgeteilt von RA Reinhard Lebek
Urteilstext
Gründe
I. Die Kläger sind seit dem 15. Juni 2015 Mieter, die Beklagte ist Vermieterin der im Tenor bezeichneten Wohnung. Die Parteien vereinbarten eine monatliche Nettokaltmiete von 860,00 €. Die Kläger nehmen die Beklagte nach diesbezüglicher Rüge vom 21. Januar 2016 auf Grundlage der „Mietpreisbremse“ gemäß §§ 556 d ff. BGB auf anteilige Rückzahlung der für den Zeitraum Februar bis September 2016 geleisteten Miete sowie auf Feststellung in Anspruch, dass die höchstzulässige monatliche Nettokaltmiete nicht mehr als 553,80 € betrage. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands einschließlich der zur Entscheidung gestellten Anträge wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das der Beklagten am 6. September 2017 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben; es hat eine höchstzulässige Nettokaltmiete von 574,22 € festgestellt und die Beklagte zur Rückzahlung von 2.286,24 € nebst Verzugszinsen verurteilt. Hiergegen wendet die Beklagte sich mit der Berufung, die sie am 21. September 2017·eingelegt und mit am 30. Oktober 2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 26. Oktober 2017 begründet hat.
Die Beklagte macht in erster Linie geltend, dass die gesetzlichen Regelungen über die „Mietpreisbremse“ verfassungswidrig seien. ln zweiter Linie wendet sie sich gegen deren Anwendung und macht geltend, die ortsübliche Vergleichsmiete liege höher als das Amtsgericht angenommen habe; außerdem seien die vorgetragenen Modernisierungsaufwände in voller Höhe zu berücksichtigen. Mit der Berufung vertieft die Beklagte ihren Vortrag zur Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung in § 556 d Abs. 2 BGB und zur Nichtigkeit der Berliner Verordnung.
Die Beklagte trägt ferner ergänzend zur vermieterseitigen Ausstattung der Küche vor. Nachdem erstinstanzlich unstreitig gewesen ist, dass außer einem Kühlschrank alle Komponenten einer „modernen Küchenausstattung“ im Sinne des Mietspiegels vorhanden waren, ist nunmehr unstreitig, dass Küchenschränke, eine Einbauspüle, Cerankochfeld, Backofen, Dunstabzugshaube sowie Fliesen im Arbeitsbereich vorhanden waren. Die Beklagte meint, das Sondermerkmal „moderne Küchenausstattung“ dürfe jedenfalls nicht neben einer positiven Wertung der Merkmalgruppe 2 berücksichtigt werden, zumal die Fliesen in der Küche nicht „hochwertig“ seien.
Die Beklagte trägt weiter zur „bevorzugten Citylage“, zur „besonders ruhigen Lage“ (insbesondere: unstreitige Lage am Ende einer Sackgasse) und zu „villenartigen Mehrfamilienhäusern“ in der Umgebung vor. Die Beklagte bestreitet diese Merkmale weiterhin; eine besonders ruhige Lage sei schon wegen der unstreitig vorhandenen zahlreichen Cafés mit Außenbewirtschaftung ausgeschlossen.
Schließlich trägt die Beklagte ergänzend zur Qualität der vom 4. September 2014 bis 5. Dezember 2014 durchgeführten Arbeiten an der Fassade sowie am Gebäude vor und behauptet unter Bezugnahme auf die schon im ersten Rechtszug vorgelegten beiden Energieausweise (Energieverbrauchskennwerte vor und nach den Fassadenarbeiten) weiterhin, dass es sich um eine energetische Modernisierung im Sinne von § 555 b Nr. 1 BGB gehandelt habe. Sie erläutert erstmals, dass und warum es sich bei dem Vorwegabzug von 32.861,33 € um den Instandsetzungsanteil gehandelt habe und tritt dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 17. August 2017 entgegen, wonach der Austausch der Fenster im Treppenhaus sowie der Hauseingangstür und die Überarbeitung/Dämmung der Toreinfahrt jedenfalls nicht Bestandteil einer energetischen Modernisierung gewesen sein könne, sondern als Instandsetzung abzusetzen sei.
Die Klägerin hat zunächst angeregt, das Berufungsverfahren im Hinblick auf die Vorlage nach Art. 100 GG der Zivilkammer 67 auszusetzen, hält daran aber nicht mehr fest.
…
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2. Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Kammer hält die Bedenken der Beklagten gegen die Verfassungsmäßigkeit der „Mietpreisbremse“ und die Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 für unbegründet. Sie folgt den überzeugenden Erwägungen der Zivilkammer 65 (vgl. LG Berlin – 65 S 424/16, Urteil v. 29.03.2017, GE 2017, 596 ff., zitiert nach juris), wonach weder die gesetzlichen Regelungen in §§ 556 d ff. BGB durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, noch die Verordnung vom 28. April 2015 formelle oder materielle Mängel aufweist, die ihrer Wirksamkeit entgegen stünden. Entgegen der Ansicht der Zivilkammer 67 (vgl. LG Berlin – 67 S 218/17, Beschl. v. 7.12.2017, GE 2018, 125 ff., zitiert nach juris) ist insbesondere die Verordnungsermächtigung in § 556 d Abs. 2 BGB hinreichend bestimmt und verstoßen die gesetzlichen Regelungen nicht deswegen gegen Art. 3 GG, weil sie Vermieter in verschiedenen Städten unterschiedlich stark belasteten; vielmehr ist es wegen der unterschiedlichen Marktbedingungen gerade sachgerecht, dass die Höhe der zulässigen Miete sich nach der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne des § 558 Abs. 2 BGB bestimmt, also von der Belegenheit des Mietobjekts abhängt und sich nach den örtlichen Marktverhältnissen richtet (vgl. LG Berlin- 65 S 238/17-, Urt. v. 25.04.2018, bisher n. v.; Tietzsch/Raabe, WuM 2017, 688 ff.; Hanser/Schuldt, NZM 2018, 124 f.; Börstinghaus, NZM 2018, 346 f. und NJW 2018, 665 ff.).
Die für die Wohnung nach §§ 556 d Abs. 1, 556e Abs. 2 BGB zum 15. Juni 2015 höchstzulässige Miete liegt jedoch höher als das Amtsgericht angenommen hat. Sie beträgt 735,78€ (73,94 m² x [110 % x 7,91 €/m² + 1,25 €/m²), der gemäß § 812 Abs. 1 BGB für den Zeitraum Februar bis September 2016 zurückzuzahlende Betrag folglich 993,76 € (8 x 124,22 €). Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist die ortsübliche Miete zum Zeitpunkt des Mietvertragsbeginns nicht allein an Hand des Mietspiegels 2015, sondern an Hand einer linearen Interpolation zwischen den sich aus dem Mietspiegel 2015 zum Stichtag 1. September 2014 und aus dem Mietspiegel 2017 zum Stichtag 1. September 2016 ergebenden ortsüblichen Mieten zu gewinnen (vgl. BGH – VIIl ZR 295/15 -, Urt. v. 15.03.2017, GE 2017, 472 ff., Rn. 26, zitiert nach juris). Der sich so ergebende Wert von 7,91 €/m² (7,32 €/m² + 9,5 Monate / 24 Monate x [8,82 €/m² ./. 7,32 €/m²]) ist gemäß § 555d Abs. 1 BGB um 10 % und nach § 555 e Abs. 2 BGB anschließend um einen fiktiven Modernisierungszuschlag von 1,25 € zu erhöhen, denn es bestehen auf Grundlage der von der Beklagten schon im ersten Rechtszug vorgelegten Rechnungen und Energieausweise keine vernünftigen Zweifel daran, dass das nach dem damaligen Stand der Technik Ende der 1950er Jahre errichtete Gebäude durch die Aufbringung einer Wärmedämmung im Sinne des § 555b Nr. 1 BGB energetisch modernisiert wurde.
a) Die Bedenken der Beklagten gegen die Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin Drucksache 17/2272, Verordnung Nr. 17/186; GVBI Berlin Nr. 9/2015, 101) greifen nicht durch.
(1) Die Verordnung ist sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht hinreichend begründet. Der Senat hat der Verordnung eine umfangreiche Begründung beigegeben, die über das parlamentarische Dokumentationssystem des Abgeordnetenhauses Berlin abgerufen werden kann und damit öffentlich zugänglich ist. ln formeller Hinsicht genügt die Verordnung damit den Vorgaben des § 556 d Abs. 2 Satz 5 BGB (vgl. LG Berlin – 65 S 424/16, Urt. v. 29.03.2017, GE 2017, 596 ff., Rn. 51 f., zitiert nach juris; im Folgenden nur: „ZK 65“). Der Umstand, dass im Gesetz- und Verordnungsblatt von Berlin nur der Verordnungstext ohne die Begründung veröffentlicht wurde, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen; entscheidend ist allein, dass die Verordnung eine den gesetzlichen Vorgaben genügende Begründung enthält, die auch veröffentlicht wurde.
ln materieller Hinsicht ist es entgegen der Ansicht der Beklagten dem hier als Gesetzgeber tätig gewesenen Senat von Berlin zu überlassen, ob und inwieweit er die Begründung des ministeriellen Entwurfs der Verordnung übernimmt. Ebenso unterliegt es dem weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers, welcher im Zeitpunkt des Gesetzgebungsaktes verfügbarer Erkenntnisquellen er sich bedient und ob es danach weiterer Untersuchungen oder Begutachtungen bedarf, um ein Urteil über das Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes treffen zu können. Die Rüge der Beklagten, der Senat habe für die Ermittlung der durchschnittlichen Mietbelastung der Berliner Haushalte veraltete Quellen aus den Jahren 2002 bis 2010 herangezogen und seine Entscheidung auf Grundlage einer bloßen, haltlosen Vermutung getroffen, geht fehl (vgl. ZK 65, a. a. 0., Rn. 53 ,ff., Rn. 70 ff., Rn. 84).
Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hat ausführen lassen, dass die Verordnung angesichts der konkreten Vorgaben des § 556 d Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB einer „qualifizierten“ Begründung bedürfe, kann offen bleiben, ob dem zu folgen ist. Die vom Senat getragene und veröffentlichte Begründung der Verordnung adressiert jedenfalls sämtliche vom Bundesgesetzgeber vorgegebenen Indikatoren und stellt sich damit als „qualifiziert“ dar. Dagegen ergibt sich weder aus Art. 80 GG, noch aus der bundesgesetzliehen Ermächtigungsgrundlage oder aus IandesrechtIichen Vorschriften ein Erfordernis, die Begründung „qualifiziert“, nämlich gerade im Gesetz- und Verordnungsblatt, zu veröffentlichen. Den Vorgaben des Art. 64 Abs. 3 der Verfassung von Berlin hat der Senat genügt, indem er die begründete Verordnung dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnisnahme – und damit zugleich zur Veröffentlichung – vorlegte.
(2) Die Verordnung greift entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch unverhältnismäßig in Art. 14 GG ein, dass sie für ganz Berlin gilt (vgl. dazu ZK 65, a a. 0., Rn. 59 ff.; a. A., jedoch ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Verordnungsbegründung: AG Pankow-Weißensee – 102 C 182/17 -, Urt. v. 20.10.2017, GE 2017, 1559, zitiert nach juris).
Das Argument der Beklagten, der Berliner Wohnungsmarkt könne entgegen der Verordnungsbegründung (unter 3.1, 3. Absatz) sehr wohl in geographisch getrennte Teilmärkte zerlegt werden, ändert daran nichts. Es ist zwar richtig, dass die Kündigungsschutzklauselverordnung von 2011 nur für einzelne Bezirke galt und – gemessen an den Vorgaben des § 556 d Abs. 2 BGB – ein selbst im Rahmen des weiten Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers wohl nicht hinzunehmender Ermessensausfall des Landesgesetzgebers vorläge, wenn er nicht einmal erwogen hätte, die Mietenbegrenzungsverordnung auf Teile des Stadtgebiets zu beschränken. Die Verordnungsbegründung belegt aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass der Senat irrig davon ausgegangen wäre, eine Zerlegung des Stadtgebiets in Teilmärkte sei gar nicht möglich; vielmehr hat er dies durchaus in Betracht gezogen, ausweislich des nachfolgenden Absatzes der Begründung (unter 3.1, 4. Absatz) jedoch als unzweckmäßig verworfen. Die Beklagte legt auch nicht dar, dass die in § 556 d Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB bezeichneten und die weiteren Indikationen, die nach den Feststellungen des Senats für das gesamte Stadtgebiet vorliegen, für einzelne Teile des Stadtgebiets und namentlich den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf tatsächlich nicht vorlägen.
(3) Es trifft nicht zu, dass der Bundes- und in der Folge auch der Landesgesetzgeber die Beschränkung der Eigentumsrechte der Beklagten aus Art. 14 GG nur auf die von vorne herein weniger gewichtigen (Grund-)Rechte der Mietinteressenten nach Art. 20 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG stützen könnten und übersehen hätten, dass die durch die Verordnung allein geschützten ,.Noch-nicht Mieter“ sich gerade (noch) nicht auf ein eigentumsgleiches Grundrecht, sondern allenfalls auf ein Recht zum Marktzugang stützen können. Es ist zwar richtig, dass die Position der in erster Linie durch die Verordnung geschützten Mietinteressenten nicht unmittelbar durch Art. 14 GG geschützt ist, da diese noch nicht Mieter sind, sondern erst Mieter werden wollen. Es ist jedoch weder zutreffend, dass der Gesetzgeber dies übersehen hätte, noch, dass die ,.Mietpreisbremse“ und die Mietenbegrenzungsverordnung ausschließlich dem Schutz von Mietaspiranten dienten; denn das wirtschaftliche Interesse eines Vermieters an der Beendung bestehender Mietverhältnisse – und damit der zumindest mittelbare Druck auf Bestandsmieter – wächst mit der anlässlich einer Neuvermietung erzielbaren Mietsteigerung (vgl. ZK 65, a. a. 0., Rn. 36).
b) Die gesetzlichen Regelungen über die Mietpreisbremse in §§ 556 d ff. BGB begegnen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit die Beklagte das Regelungsmodell rundheraus als unverhältnismäßig abtut, übersieht sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches bereits im Jahre 1974 angedeutet hat, dass eine Preisgrenze für Neuvermietungen durchaus mit den Vermietergrundrechten aus Art. 14 GG vereinbar sein könne (vgl. BVerfGE 37, 132 ff., Rn. 29, zitiert nach juris). Die Beklagte setzt sich weder mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Beschränkung von Mieterhöhungen auf die „ortsübliche Vergleichsmiete“, noch mit den weiteren Entscheidungen zur Einführung der Kappungsgrenze (vgl. BVerfGE 71, 230 ff., zitiert nach juris) oder zur Verwendung von Mietspiegeln (vgl. nur BVerfG, GE 1992, 609 ff., zitiert nach juris) und den dort entwickelten Maßstäben für die in Art. 14 Abs. 2 GG festgeschriebene Gemeinwohlbindung des Eigentums auseinander. Zu den konkreten Rügen der Beklagten nimmt die Kammer wie folgt Stellung:
(1) Die den Erlass von Mietenbegrenzungsverordnungen regelnde Ermächtigungsgrundlage in § 556 d Abs. 2 BGB ist entgegen der Ansicht der Beklagten hinreichend bestimmt, denn sie ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Verordnungsgeber die ihm eingeräumte Regelungsmacht auszuüben hat, wenn und soweit er nach der ihm obliegenden Prüfung an Hand der durch das Gesetz genannten Vorgaben einen angespannten Wohnungsmarkt und eine Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen feststellt (vgl. ZK 65, a. a. 0., Rn. 16 ff. sowie Urt. v. 25.04.2018, – 65 S 238/1, unter 11.1.b)(1), S. 6 ff. des Umdrucks, m. w. N.; a. A. LG Berlin – 67 S 218/17, Beschl. v. 07.12.2017, GE 2018, 125 ff., Rn. 34 ff., zitiert nach juris).
(2) Das Argument der Beklagten, der Gesetzgeber habe die höchstzulässige Neuvermietungsmiete nicht von der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ nach § 558 Abs. 2 BGB ableiten dürfen, geht fehl. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die „ortsübliche Vergleichsmiete“ keine „reine“ Marktmiete, sondern insofern eine bereits regulierte Miete ist, als sie nicht nur an Hand von Neuvermietungsmieten eines Vierjahreszeitraums ermittelt wird, sondern auch Veränderungen von Bestandsmieten einfließen, die den Einschränkungen des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff. BGB unterliegen. Richtig ist auch, dass sich die „ortsübliche Vergleichsmiete“ in Folge der Einführung der „Mietpreisbremse“ weiter von einer „reinen“ Marktmiete entfernen wird, da zukünftig auch ein großer Anteil der Neuvermietungsmieten nicht mehr frei ausgehandelt, sondern durch die Beschränkungen der §§ 556 d ff. BGB beeinflusst sein werden. All dies ändert aber nichts daran, dass die „ortsübliche Vergleichsmiete“ in der Vergangenheit maßgeblich durch Neuvermietungen der jeweils letzten vier Jahre und damit durch das unregulierte Marktgeschehen geprägt war. Auch in Zukunft wird das unregulierte Marktgeschehen jedenfalls durch nicht der „Mietpreisbremse“ unterfallende „Erstvermietungen“, worunter nach § 556 f Satz 2 BGB auch Vermietungen umfassend modernisierte Wohnungen fallen, einen gewichtigen Einfluss auf die ortsübliche Miete behalten. Die von der Beklagten beschworene Gefahr, dass das System der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 BGB durch die Einführung der §§ 556 d ff. BGB selbstreferentiell und vom Marktgeschehen abgekoppelt wird, besteht daher nicht, zumal die „Mietpreisbremse“ nur für einen befristeten Zeitraum eingeführt worden ist.
(3) Zu Unrecht meint die Beklagte, dass die Verhinderung einer Gentrifizierung kein legitimer Gesetzeszweck sei; das Gegenteil ist richtig (so auch ZK 65, a. a. 0., Rn. 36). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang polemisierend von einer „Wohngarantie für ln-Viertel“ spricht, die der Gesetzgeber nicht gewähren könne und dürfe, verkennt sie das sämtlichen übergeordneten Schutzzwecken der „Mietpreisbremse“ gemeine Anliegen des Gesetzgebers, den Anstieg der Mieten in angespannten Wohnungsmärkten vorübergehend zu dämpfen und abzubremsen, an dem sowohl Geeignetheit als auch Verhältnismäßigkeit der Regelungen zu messen ist (vgl. ZK 65, a. a. 0., Rn. 39 ff., Rn. 43 ff.). Der Umstand, dass weiterhin unterschiedlich leistungsfähige Mieter um denselben Wohnungsbestand konkurrieren werden, rechtfertigt daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht den Schluss, die „Mietpreisbremse“ sei ungeeignet, eine Teilhabe einkommensschwächerer Mieter am Wohnungsmarkt zu fördern.
(4) Soweit die Beklagte schließlich meint, die Wohnungsbauförderung oder die Gewährung ausreichenden Wohngeldes seien mildere und geeignetere Mittel, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, setzt sie ihr eigenes Ermessen an Stelle des weiten Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers. Eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ergibt sich daraus nicht, denn es bleibt allein dem Gesetzgeber vorbehalten, zwischen mehreren geeigneten Maßnahmen zu wählen.
c)) Die für die Wohnung nach §§ 555d Abs. 1, 555 e Abs. 2 BGB zum 15. Juni 2015 höchstzulässige Miete beträgt 9,95 €/m²; sie setzt sich zusammen aus der an Hand linearer Interpolation zwischen den vor und nach Mietbeginn gültigen Mietspiegeln ergebenden ortsüblichen Miete zuzüglich 10 % und einer fiktiven Modernisierungsmieterhöhung von 1,25 €/m². Die Ansicht der Klägerin, eine Interpolation zwischen zwei Mietspiegeln komme nur für einfache, nicht aber für qualifizierte Mietspiegel in Betracht, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen; wenn qualifizierte Mietspiegel auch eine „stärkere Bindungswirkung“ als einfache Mietspiegel aufweisen mögen, verliert die Indizwirkung für die Richtigkeit der abgebildeten ortsüblichen Vergleichsmieten gleichwohl mit zunehmenden zeitlichen Abstand vom jeweiligen Stichtag an Gewicht.
(1) Die ortsübliche Miete zum Stichtag 1. September 2014 beträgt 7,32 €/m²; sie entspricht dem Spannenoberwert des unstreitig heranzuziehenden Feldes I 3 des Berliner Mietspiegels 2015. Neben den unstreitig positiv bewerteten Merkmalgruppen 1, 2 und 3 weist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils wegen der frisch sanierten Fassade und Balkone auch Merkmalgruppe 4 „Gebäude“ eine positive Bewertung auf. Obwohl die Kammer, anders als das Amtsgericht, wegen der Überarbeitung der Fassade gleichzeitig einen fiktiven Modernisierungszuschlag für gerechtfertigt hält, stellt sich das Problem der Doppelberücksichtigung dieser Maßnahme nicht; denn die Beklagte hat bei der Berechnung des Modernisierungszuschlags unstreitig einen namhaften Betrag von über 30.000,00 € als Instandhaltungsaufwand abgegrenzt, der schon für sich genommen das Merkmal des „überdurchschnittlichen lnstandhaltungszustands“ auszufüllen vermag.
Darüber hinaus ist auch Merkmalgruppe 5 „Wohnumfeld“ im Rahmen der auf § 287 ZPO gestützten Schätzung als positiv bewertet zu berücksichtigen, da die Wohnung in bevorzugter Citylage gelegen ist. Das Wohnumfeld am Ludwigkirchplatz ist verkehrsarm, parkähnlich begrünt und durch attraktive Baudenkmäler, Altbaufassaden, Kleingewerbe sowie Straßencafés geprägt. Ausweislich der strategischen Lärmkarte Berlin beträgt der über 24 Stunden gemittelte Verkehrslärmpegel an der Außenfassade des Gebäudes Ludwigkirchplatz 9 zwischen 43 dB(A) und 48 dB(A). Nachts ergeben sich Werte zwischen 35 dB(A) und 38 dB(a) und damit eine Geräuschintensität, die etwa zwischen einem Flüstern und leise hörbarer Musik einzuordnen ist. Galerien, Museen, Kinos, Schauspielhäuser sowie die Universität der Künste sind fußläufig erreichbar, und bis zum touristischen Schwerpunkt Breitscheidplatz braucht man zu Fuß weniger als 20 Minuten. Ob daneben auch das Merkmal „Lage an einer besonders ruhigen Straße“ erfüllt ist, kann dahinstehen. Unerheblich ist auch, ob die Beklagte alle berücksichtigten Tatsachen bereits im ersten Rechtszug vollumfänglich vorgetragen hat; denn die Informationen sind öffentlich frei verfügbar und damit im Sinne des § 291 ZPO gerichtsbekannt.
Da der Spannenoberwert bereits auf Grund der Wohnwertmerkmale erreicht ist, kommt es auch nicht darauf an, ob das Sondermerkmal „moderne Küchenausstattung“ erfüllt ist.
(2) Die ortsübliche Miete zum Stichtag 1. September 2016 beträgt 8,82 €/m² ; sie entspricht dem Spannenoberwert des unstreitig heranzuziehenden Feldes I 3 des Berliner Mietspiegels 2017. Hinsichtlich der Einordnung der Wohnung innerhalb der Spanne auf Grundlage der Orientierungshilfe zum Mietspiegel 2017 wird auf die Ausführungen unter (1) verwiesen. Zur Berechnung des Interpolationszuschlages ist sodann eine Quote von 9,5/24 der sich aus beiden ortsüblichen Mieten ergebenden Differenz hinzuzurechnen; anders als im Schriftsatz der Klägerin vom 13. Juni 2018 zu Grunde gelegt, liegen zwischen dem 1. September 2014 und dem 15. Juni 2015 nicht nur 8,5 Monate, sondern 9,5 Monate.
(3) Die im Dreijahreszeitraum des § 555e Abs. 2 BGB durchgeführte Fassadendämmung – die Wahrung dieser Frist ist durch die als Anlage B 7 in Kopie vorgelegte Rechnung vom 5. Dezember 2014 (BI. 1/172 ff. d. A.) hinreichend belegt – rechtfertigt einen nach §§ 559, 559b BGB ermittelten fiktiven Modernisierungszuschlag in Höhe von 1,25 €/m² (197.723,85 € x 11 % 1 [12 x 1.448,91 m²]). Dass eine energetische Modernisierung im Sinne des § 555b Nr. 1 BGB vorliegt, ist schon an Hand des unstreitigen Errichtungszeitpunkt des Gebäudes im Jahre 1959, der Berechnung und Erläuterung in Anlage B 5 (BI. 100 f. d. A.) sowie der Rechnung vom 5. Dezember 2014 offensichtlich und durch die als Anlagen B 8 sowie B 9 als Faksimile vorgelegten Energieausweise vom 13. April 2015 (nach Sanierung) sowie vom 11. Januar 2017 (vor Sanierung) hinreichend belegt. Die Beklagte kann die durch die Energieausweise belegte modernisierungsbedingte Verringerung des Energiebedarfs nicht mit Nichtwissen bestreiten, sondern müsste sich notfalls sachverständiger Hilfe versichern, um konkrete Fehler der Energieausweise aufzuzeigen. Ein Fehler der Energieausweise liegt jedenfalls nicht darin, dass sie keine Verbrauchswerte ausweisen, denn der Energiebedarf wurde, wie auf den Titelseiten der Dokumente ersichtlich, an Hand von Berechnungen auf Grundlage anerkannter Erfahrungswerte ermittelt; es handelt sich nicht um Energieverbrauchsausweise. Soweit die Klägerin darauf hinaus will, dass die Beklagte möglicherweise schon zu einem früheren Zeitpunkt – also nach Errichtung des Gebäudes, aber vor den durch Rechnungen nachgewiesenen streitgegenständlichen Baumaßnahmen – vergleichbar relevante Maßnahmen zur Dämmung des Gebäudes durchgeführt haben könnte, gibt es dafür keine Anhaltspunkte und handelt es sich um lediglich angedeuteten Vortrag „ins Blaue“ hinein.
Die Klägerin macht allerdings zu Recht geltend, dass die von der Beklagten angesetzten Kosten nicht in voller Höhe als Modernisierungsaufwand zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der im Treppenhaus durch Fenster ersetzten Glasbausteine und der erneuerten Hauseingangstür fehlt jede Darlegung der Beklagten zu den Dämmeigenschaften der alten und der neuen Bauteile. Die Behauptung der Beklagten, die neuen Bauteile wiesen bessere Dämmwerte auf als die alten ist substanzlos und nicht überprüfbar. Mit dem Bundesgerichtshof ist, soweit der Energieeinspareffekt einer Maßnahme nicht – wie hier durch die Vorlage der Energieausweise hinsichtlich der Fassadenarbeiten – auf andere Weise auch der Höhe nach abschätzbar wird, zumindest die Angabe der U-Werte zu fordern, um den Energieeinspareffekt zu plausibilisieren (vgl. BGHZ 150, 277 ff.; BGH – VIII ZR 47/05 -, Urt. v. 25.01.2006, GE 2006, 318 f.; ständige Rechtsprechung, beide zitiert nach juris). Von den angesetzten Gesamtkosten in Höhe von 224.615,08 € sind daher die Teilbeträge von 13.800,00 € (Kunststofffenster) und 8.797,67 € (Haustür), jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, abzusetzen, sodass umlagefähige Aufwände von 197.723,85€ (224.615,08€ ./. 11%x [13.800,00 € + 8.797,67 €]) verbleiben.
Weitere Abzüge sind entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vorzunehmen; die Dämmung der Tordurchfahrt stellt sich angesichts des Baualters des Gebäudes als integraler Teil der Maßnahme zur energetischen Modernisierung dar.
Die Umlage der Modernisierungskosten ist schließlich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Abzug der Instandhaltungskosten nicht hinreichend erläutert worden wäre. Vielmehr ergibt sich schon an Hand der hinsichtlich der abgesetzten Positionen farblich markierten Rechnung (Anlage B 7) und des Berechnungsschreibens (Anlage B 5), welche Teilaufwände aus welchen Gründen abgesetzt wurden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht auf höchstrichterlich – zu einem vergleichbaren Instrument der Mietenbegrenzung – bereits entwickelten Grundsätzen, insbesondere zu den von den Zivilgerichten anzuwendenden Bewertungsmaßstäben im Rahmen der durch sie vorzunehmenden Überprüfung der Vereinbarkeit von entscheidungserheblichen Rechtsverordnungen mit höherrangigem Recht sowie der (Vor)Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage mit dem Grundgesetz. Die Abweichung der Vorgaben der Ermächtigungsnorm für die MietenbegrenzungsV von denen der – vom Bundesgerichtshof überprüften – Kappungsgrenzenverordnung·rechtfertigt allein nicht die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, denn die Regelung sieht nicht die generelle Überprüfung aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen durch Landesgesetzgeber erlassener Rechtsverordnungen durch den Bundesgerichtshof vor. Auch dieser Würdigung der Zivilkammer 65 (vgl. Urt. v. 25.4.2018, – 65 S 238/17 , bisher n. v.) schließt die Kammer sich nach eigener Prüfung an.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG, 3, 9 ZPO; der Zahlungsantrag ist mit dem Betrag von 2.286,24 € zu bewerten, die negative Feststellung mit 12.002,76 € (42 X [860,00 € ./. 574,22 €]).
16.09.2018