Leitsatz:
Die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 ist wirksam, insbesondere wurde sie und ihre Begründung rechtzeitig vor ihrem Inkrafttreten am 1. Juni 2015 veröffentlicht.
LG Berlin vom 4.1.2023 – 63 S 166/22 –
mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
LG Berlin vom 12.1.2023 – 64 S 230/22 –
mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
In dem Verfahren 64 S 230/22, in dem es um die Feststellung einer überhöhten Miete ging, bestritt der Vermieter die Anwendbarkeit der Mietpreisbremse (§§ 556 d ff.
BGB), weil die Begründung der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung nicht rechtzeitig veröffentlicht worden sei. Er berief sich hierbei auf das in den Berliner Medien vielfach kommentierte Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 9 C 489/20 – vom 16.11. 2022.
Die 64. Zivilkammer des Landgerichts Berlin erteilte der Rechtsansicht des AG Neukölln jedoch eine klare Absage und entschied wie aus dem Leitsatz ersichtlich.
Die Drucksache Nr. 17/2272, mit der die Verordnung samt ihrer Begründung veröffentlicht wurde, datiere vom 20.5.2015. Es sei nicht zu bezweifeln, dass die Verordnungsbegründung bereits am 20.5.2015 über das Internet für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei und zwar über das parlamentarische Dokumentationssystem des Abgeordnetenhauses. Nach der erteilten Auskunft des Abgeordnetenhauses vom 14.9.2021 sei der die Verordnung betreffende Datensatz im System „PARDOK“ seit dem 20.5.2015 nicht mehr verändert worden.
Es dürfte zwar zutreffen, dass die „Dokumenteneigenschaften der im PARDOK System hinterlegten“ .pdf-Datei mit dem Text der Verordnungsbegründung nicht zu belegen vermögen, seit wann die Datei öffentlich zugänglich sei. Die Auskunft des Abgeordnetenhauses beziehe sich aber nicht auf die „Dokumenteneigenschaften“ der .pdf-Datei, sondern auf einen Datensatz des PARDOK Systems, der seit dem 20.5.2015 nicht mehr geändert wurde und seitdem auf die im System abgelegte pdf-Datei mit dem Text der Verordnungsbegründung verweise: Wenn die Datei dank des unveränderten Datensatzes heute über das PARDOK System öffentlich zugänglich sei, müsse sie es bei im wesentlichen identischer Funktionsweise des Systems auch schon am 20.5.2015 gewesen sein. Darauf, dass es denkbar und technisch möglich sein mag, eine seit 2015 im PARDOK System unverändert referenzierte Datei inhaltlich zu ändern oder durch eine andere Datei mit demselben Namen zu ersetzen, komme es nicht an; denn es gäbe überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Computersysteme und Server des Abgeordnetenhauses entsprechend kompromittiert worden wären oder etwa jemand mit entsprechenden Befugnissen und Zugriffsrechten die in Frage stehende Datei solchermaßen manipuliert hätte.
In dem Verfahren 63 S 166/22 führt die Landgerichtskammer aus, dass es unerheblich sei, ob die Begründung nicht oder nur schwer über das Katalogsystem der Website des Abgeordnetenhauses zugänglich war. Denn es reiche aus, „wenn die Verordnungsbegründung an anderer (amtlicher) Stelle als im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht wird und dabei gewährleistet ist, dass die Verordnungsbegründung für den Regelungsadressaten leicht zugänglich ist“ (so der BGH im Urteil vom 17.7.2019 – VIII ZR 130/18 –). Genau dies sei der Fall. Das Abgeordnetenhaus hätte die Begründung nämlich dergestalt auf ihren Servern hinterlegt, dass sie vor lnkrafttreten der Verordnung am 1.6.2015 durch gängige Suchmaschinen auffindbar gewesen sei. Grenze man etwa bei der Suchmaschine Google die Suche auf Ergebnisse von vor dem 1.6.2015 ein, so erhalte man als erstes Resultat die streitgegenständliche Begründung. Für den Vortrag des Vermieters in der Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis, dass gängige Suchmaschinen im Jahr 2015 das Dokument nicht gefunden hätten, etwa weil die Algorithmen dafür an einem Wochenende hätten laufen müssen, weil Computer im Jahre 2015 zu langsam für derartige Aufgaben gewesen seien oder weil sich damals weniger Daten im Netz befunden hätten, gäbe es keine Anhaltspunkte.
21.03.2023