Leitsätze:
1. Zum Anbau eines Balkons als Modernisierung: auch ein verglaster Balkon ist ein Balkon.
2. Bei zwischen 1956 bis 1964 erstellten Wohnungen ist ein Balkon in Berlin allgemein üblich.
LG Berlin vom 15.4.2010 – 67 S 446/08 –
Mitgeteilt von RAin Cornelia Möller
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Anbau eines verglasten Balkons führt nach Ansicht des Landgerichts zu einer Wohnwertverbesserung. Ein verglaster Balkon werde dann nicht zu einem Wintergarten, wenn – wie vorliegend – die Verglasung nicht vollkommen dicht sei, sondern nur einen gewissen Lärm- und Windschutz biete, ohne grundsätzlich die „Freiluftsituation“ eines Balkons aufzuheben. Der geplante Balkon sei mit 7 Quadratmetern groß und geräumig. Er lasse sich gut praktisch nutzen.
Auf den Einwand einer finanziellen Härte konnte sich der Mieter wegen § 554 Absatz 2 Satz 4 BGB nicht berufen, da die Wohnung mit dem Balkon nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt werden sollte. Ein allgemein üblicher Zustand ist bei einer Ausstattung von mehr als zwei Dritteln vergleichbarer Wohnungen, also Wohnungen derselben Baualtersklasse mit dem entsprechenden Merkmal gegeben. Eine Unterscheidung zwischen dem Ost- und dem Westteil Berlins sei dabei nicht mehr angezeigt, da bereits seit dem Berliner Mietspiegel 2005 und sodann in den Mietspiegeln 2007 und 2009 eine einheitliche Übersicht der Mieten in Ost und West ausgewiesen werde, die nur noch bei den zwischen 1973 und 1990 gebauten Wohnungen Unterscheidungen treffe. Hier handele es sich indes um eine Wohnung der Baualtersklasse 1956-64. In dem vom Gericht eingeholten Gutachten habe der Sachverständige nach Auswertung seines umfangreichen Datenbestandes und nach Anfragen bei großen Vermietern und Hausverwaltungen von den insgesamt 152100 Wohnungen in der Baualtersklasse Daten zu 44 272 Wohnungen erheben können, von denen 36048 Wohnungen mit einem Balkon ausgestattet waren, was einem Anteil von 81 Prozent entspreche.
Urteilstext
Gründe
I)
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 ZPO zu tragen.
1) Die Parteien haben um die Pflicht der Beklagten zur Duldung des Anbaus eines verglasten Balkon an ihre von der Klägerin gemietete Wohnung gestritten.
Die Beklagte mietete von der Klägerin die Wohnung Nr. xxx, drittes Obergeschoss rechts, xxx, deren Lage aus dem Foto Bl. 44 d.A. und deren Grundriss aus der Skizze Bl. 8 d.A. zu ersehen sind. Auf die Unterlagen wird verwiesen.
Mit dem Schreiben vom 30. April 2008 kündigte die Klägerin der Beklagten den Anbau eines 7 qm großen verglasten Balkons an ihre Wohnung an. Der Balkon sollte dem größten Wohnraum (Wohnzimmer) zugeordnet werden.
Für die Errichtung des Balkons waren in der Wohnung eine Änderung des Heizungsrohrverlaufs und der Einbau eines neuen Fensters und einer Balkontür (mit Wärmeschutzglas) erforderlich. An die Wohnung der Beklagten sollte ein Einzelbalkon (im Unterschied zu der an anderen Wohnungen ausgeführten „Zwillingskonstruktion“) angebracht werden. Der Balkon sollte mit einer umlaufenden – nicht völlig dichten – Schiebeverglasung ausgestattet werden.
Die im Schreiben angekündigte voraussichtliche Modernisierungsmieterhöhung betrug 120,31 Euro monatlich.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Duldung des Balkonanbaus abgewiesen, da die sich ergebende Mieterhöhung für die Beklagte eine unzumutbare Härte wäre.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
2) Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, da die Beklagte die Wohnung aufgegeben hat.
3) Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien hatte die Kammer unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten zu entscheiden, was zur Kostenlast der Beklagten führt, da sie voraussichtlich in der Hauptsache unterlegen wäre.
Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Duldung des Balkonanbaus aus § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Gegen die Ankündigung vom 30. April 2008 bestehen keine formellen Bedenken. Die Arbeiten sind ausführlich (auch anhand des Grundrisses) erläutert. Ein Bauzeitenplan ist genannt. Die voraussichtliche Mieterhöhung wird berechnet.
Der Anbau eines verglasten Balkons führt zu einer Wohnwertverbesserung. Die Konstruktion ist dem Grunde nach als ein Balkon anzusehen und insbesondere nicht als ein Wintergarten. Maßgeblich ist dabei, dass die Verglasung nicht vollkommen dicht ist, sondern nur einen gewissen Lärm- und Windschutz bietet, ohne grundsätzlich die „Freiluftsituation“ eines Balkons aufzuheben. Der geplante Balkon ist mit 7 qm groß und geräumig. Er lässt sich gut praktisch nutzen. Die Beklagte kann so, ohne die Wohnung verlassen zu müssen, Zeit im Freien verbringen, aber auch z.B. einfacher Wäsche trocknen usw. Eine Verschattung der Wohnung tritt nicht ein. Auf dem Foto Bl. 102 d.A., auf das Bezug genommen wird, ist ein vergleichbarer Balkon abgebildet. Es ist zu berücksichtigen, dass gerade die obersten Balkone – wie auch bei der Beklagten – ein Dach aus Sicherheitsglas (so ausdrücklich auch auf Seite 4 der Ankündigung) erhalten, sodass von oben weiter Sonnenlicht in die Wohnung gelangen kann, während die Balkonnutzung auch bei normalem Regen noch möglich ist.
Die Beklagte macht geltend, dass aufgrund ihrer Rente von 791,20 Euro sie vor der Modernisierung bei einer Miete von 364,21 Euro anteilig 46% ihres Einkommens, nach der Modernisierung bei einer neuen Miete von 484,52 Euro anteilig 61% ihres Einkommens für die Wohnung aufzuwenden hätte. Es kann insoweit dem Amtsgericht zugestimmt werden, dass diese Belastung – selbst wenn die Beklagte Wohngeld bekommen sollte – an sich nach § 554 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BGB zu hoch ist, da ein etwaiger Wohngeldbezug von 42 Euro für die von der Beklagten getrennt zu zahlende Heizung (39 Euro) aufgezehrt wird.
Der Härteeinwand greift hier indes wegen § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB nicht durch, da die Wohnung mit dem Balkon nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt werden sollte. Ein allgemein üblicher Zustand ist bei einer Ausstattung von mehr als zwei Dritteln vergleichbarer Wohnungen, also Wohnungen derselben Baualtersklasse nach dem Berliner Mietspiegel, mit dem entsprechenden Merkmal gegeben. Eine Unterscheidung zwischen dem Ost- und dem Westteil Berlins ist dabei jedoch nicht mehr angezeigt, da bereits seit dem Berliner Mietspiegel 2005 und sodann in den Mietspiegeln 2007 und 2009 eine einheitliche Übersicht der Mieten in Ost und West ausgewiesen wird, die nur noch bei den zwischen 1973 und 1990 gebauten Wohnungen Unterscheidungen trifft. Hier handelt es sich indes um eine Wohnung der Baualtersklasse 1956-64. Die Kammer hat aufgrund des Beschlusses vom 17. August 2009 ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. xxx dazu eingeholt, ob mehr als zwei Drittel der Wohnungen der Baualtersklasse 1956-64 in Berlin mit Balkonen ausgestattet sind. In dem Gutachten vom 11. Dezember 2009, auf das Bezug genommen wird, hat der Sachverständige nach Auswertung seines umfangreichen Datenbestandes und nach Anfragen bei großen Vermietern und Hausverwaltungen von den insgesamt 152.100 Wohnungen in der Baualtersklasse Daten zu 44.272 Wohnungen erheben können, von denen 36.048 Wohnungen mit einem Balkon ausgestattet waren, was einem Anteil von 81% entspricht. Das Gutachten ist vollkommen überzeugend. Insbesondere hat der Sachverständige eine sehr breite Datenbasis zugrunde legen können, sodass die Kammer vom Ergebnis ohne weiteres überzeugt ist.
Schließlich bilden die Modernisierungskosten nicht per se wegen ihrer Höhe eine Härte oder wären unangemessen hoch, abgesehen davon, dass die Umlage gesondert im Verfahren nach § 559 BGB zu bestimmen gewesen wäre. Die Beklagte hat jedenfalls nicht substantiiert eine Überhöhung der Kosten vorgetragen, sondern nur angegeben, sie habe von günstigeren Balkonen gehört. Die Verglasung macht keinen wesentlichen Teil der Kosten aus.
II)
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf dem Jahresbetrag der angekündigten Modernisierungsmieterhöhung von (12 x 120,31 Euro =) 1.443,72 Euro, § 41 Abs. 5 GKG.
02.01.2018