Muss Prostitution in einem Wohnhaus hingenommen werden? Eine Anfrage beim Berliner Mieterverein (BMV) war der Anlass für einen Blick auf die Rechtslage. Sie ist durchaus strittig, wie die unterschiedlichen Urteile zeigen. Wichtig jedoch: Belästigungen müssen nachgewiesen, also dokumentiert werden.
„In der Wohnung direkt über mir empfängt eine Frau gemeinsam mit ihrer Freundin regelmäßig Freier“, schrieb Thomas F. im vergangenen Jahr an den Berliner Mieterverein. Verärgert und erbittert fügt er hinzu: „Tun kann ich dagegen kaum etwas – den Eigentümer interessiert es nicht.“ Tag für Tag würden dort bis zu fünf Männer empfangen – er als Bewohner des Hauses fühle sich einfach durch die Präsenz dieses Etablissements unwohl. Und es wohnten doch schließlich auch Kinder im Haus.
Muss die Ausübung von Prostitution in einer Nachbar-Mietwohnung hingenommen werden? „Konkrete Störungen muss man keinesfalls hinnehmen“, erklärt eine Juristin des Berliner Mietervereins. Beispielsweise bei nächtlichen Streitereien, dem Herausklingeln Unbeteiligter, bei ruhestörendem Lärm oder auch Belästigungen im Treppenhaus steht einem Mieter auf jeden Fall ein Anspruch auf Unterlassung zu. Der Vermieter ist verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen.
Kann ein Mieter die Beeinträchtigungen detailliert darlegen und beweisen, ist er außerdem berechtigt, seine Miete zu mindern oder die Wohnung gar fristlos zu kündigen. Die Juristin: „Vieles hängt jedoch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab – ich empfehle in jedem Fall vorher eine rechtliche Beratung.“
Schwieriger ist die Situation, wenn keine konkreten Störungen vorliegen oder wenn sie nicht bewiesen werden können. Allein die Tatsache, dass sich jemand an dem bloßen Vorhandensein eines Bordells stört, ist oft nicht ausreichend.
Der Mangel muss begründet werden
Wie umstritten die Rechtslage in derartigen Fällen ist, zeigen unterschiedliche Urteile. So entschied das Landgericht Berlin (13. Januar 2004 – 64 S 334/03), dass allein das Vorhandensein eines Bordells mit der Möglichkeit, im Treppenhaus den Kunden zu begegnen, eine Mietminderung von 10 Prozent rechtfertigt. Das Amtsgericht Köln hat einer Mieterin sogar die Berechtigung zur fristlosen Kündigung zugesprochen, weil Prostitution im Wohnhaus unabhängig vom Stand und Wandel gesellschaftlicher Werturteile einen Mangel darstelle (25. März 2002 – 22 C 324/01). Die 63. Kammer des Landgerichts Berlin entschied dagegen, dass allein das Vorhandensein eines im Haus befindlichen Bordellbetriebes in einer Großstadt ohne konkrete Störungen keinen Mangel der Mietsache darstelle (21. April 2008 – 63 S 210/07).
Und der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte zum Thema Prostitution: Ein Bordellbetrieb rechtfertige nicht ohne Weiteres ein Mietminderungsrecht. Die rein abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung genüge nicht. Zur Begründung eines Mangels müsse der Mieter konkrete Auswirkungen vortragen, aus denen sich die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit seiner Wohnung ergibt (26. September 2012 – XII ZR 122/11).
„Werden allerdings Wohnräume ausschließlich zur Prostitution genutzt, handelt es sich um eine gewerbliche Nutzung“, so die BMV-Juristin. Diese könne sowohl in einem reinen Wohngebiet wie auch in einem gemischten Wohn- und Gewerbegebiet bauordnungsrechtlich unzulässig sein. In diesem Fall müssten die Behörden eingreifen.
Wohnungsprostitution stellt aber meist eine teilgewerbliche Nutzung dar, die im Mischgebiet nicht generell unzulässig ist. Wo Wohnen und Gewerbe nebeneinander existieren, etwa weil – wie in der gesamten Berliner Innenstadt – eine solche Struktur über Jahrhunderte gewachsen ist, kann ein Haus- oder Wohnungseigentümer derzeit sogar die ausschließliche gewerbliche Nutzung zulassen. Ändern wird sich dies erst mit der beabsichtigten Einführung einer neuen Zweckentfremdungsverbotverordnung. Sie verbietet die gewerbliche Nutzung von Wohnräumen beziehungsweise macht sie genehmigungspflichtig. Dies gilt dann auch für sogenannte Massagestudios oder für einen „Empfangssalon“ wie in den Räumen über Thomas F.
Rosemarie Mieder
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MieterMagazin 3/14
Allein das Vorhandensein macht einen Bordellbetrieb nicht zum Mangel im Mietshaus
Foto: Nils Richter
Rat und Tat
Das Prostitutionsgesetz
Das Prostitutionsgesetz in Deutschland ist Bundesgesetz und regelt die rechtliche Stellung von Prostitution als Dienstleistung. Seit Inkrafttreten des Gesetzes ist das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes zur Ausübung der Prostitution nicht mehr strafbar, vorausgesetzt, es ist nicht mit einer Ausbeutung der Prostituierten verbunden. Mit dem Gesetz sollen Entgeltforderungen an Freier eingeklagt werden können. Außerdem können sich Prostituierte seither regulär kranken- und rentenversichern.
rm
06.07.2017