Leitsätze:
a) Eine erstmals nach Vertragsbeendigung eingetretene Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des Mietverhältnisses eine Minderung der Miete zur Folge gehabt hätte, führt grundsätzlich nicht dazu, den Anspruch des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung von § 536 BGB herabzusetzen (Fortführung von BGH – Urteil vom 7. Dezember 1960 VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916).
b) Etwas anderes gilt nur dann, wenn den Vermieter nach Treu und Glauben im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses ausnahmsweise eine nachvertragliche Pflicht zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache trifft.
BGH vom 27.5.2015 – XII ZR 66/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter hatte das Mietverhältnis zum 31.5.2010 ordentlich gekündigt. Der Mieter räumte das Objekt zunächst nicht. Bis Dezember 2011 zahlte er einen monatlichen Betrag in Höhe der vereinbarten Miete. Ende März 2012 zog der Mieter schließlich aus den Räumen aus.
Der Vermieter verlangt für den Zeitraum Januar bis März 2012 Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete. Der Mieter wendet ein, zwischen September 2011 und April 2012 sei es in den Räumen wegen Mängeln der Dachentwässerung mehrfach zu Wasserschäden gekommen. Hierdurch sei die Gebrauchstauglichkeit der Räume erheblich gemindert worden.
Der BGH gibt dem Vermieter Recht, indem er seine Rechtsprechung aus dem Jahre 1960 bestätigt: Der frühere Mieter könne sich nicht darauf berufen, dass während der Vorenthaltung der Mietsache eine weitere Verschlechterung der Mietsache eingetreten und die Nutzungsentschädigung daher (weiter) zu mindern sei. Denn die bei einem bestehenden Mietverhältnis kraft Gesetzes eintretende Abänderung der Vertragspflicht des Mieters zur Zahlung der Miete folge aus der besonderen Verpflichtung des Vermieters, seinem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch der Sache fortgesetzt zu gewähren; diese Verpflichtung entfalle mit Beendigung des Mietverhältnisses. Der Vermieter könne daher trotz weiterer Verschlechterung der ihm vorenthaltenen Mietsache den letzten Mietzins als „Mindestschaden“ weiter fordern.
Allerdings könnten auch innerhalb des bestehenden Abwicklungsverhältnisses nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB einzelne Verpflichtungen des Vermieters aus dem beendeten Mietvertrag noch nach der Vertragsbeendigung fortbestehen. Solche Pflichten könnten sich im Einzelfall aus der Eigenart des beendeten Mietvertrags oder den besonderen Belangen des Mieters ergeben; zu diesen Pflichten könnte im Einzelfall auch die Erhaltung des nach den Bestimmungen des beendeten Mietvertrags vertragsgemäßen Zustands gehören.
Als Beispiel nennt der BGH den Fall, dass der Vermieter zur Abwendung eines bei seinem früheren Mieter durch eine Versorgungssperre drohenden hohen Schadens zur Fortsetzung der Versorgung der vorenthaltenen Mieträume mit Wasser, Strom und Heizenergie verpflichtet sei, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßigen Entrichtung der Nutzungsentschädigung kein wirtschaftlicher Schaden entsteht.
Zunächst sei aber Voraussetzung, dass durch das Unterlassen von Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache akute und schwerwiegende Gefahren für Leben, Gesundheit oder hohe Eigentumswerte des Mieters drohten.
Allerdings vermöge auch eine besonders hohe Gefahr für Rechtsgüter des früheren Mieters für sich genommen noch keine nachvertragliche Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters zu begründen. Denn der frühere Mieter habe es grundsätzlich selbst zu verantworten, dass er widerrechtlich noch im Besitz der Mietsache sei, und es liege in seiner Hand, sich den durch den Zustand der Mietsache drohenden Gefahren für seine Rechtsgüter dadurch zu entziehen, dass er die geschuldete Rückgabe der Mietsache an den Vermieter vollziehe.
Eine Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters könne daher als Ausfluss nachvertraglicher Pflichten nach Treu und Glauben nur in solchen Konstellationen angenommen werden, in denen die fortgesetzte Vorenthaltung der Mietsache durch den früheren Mieter in einem milderen Licht erscheine. Davon werde jedenfalls dann auszugehen sein, wenn und soweit gesetzliche Regeln insbesondere die Vollstreckungsschutzvorschriften (§§ 721, 765 a ZPO) dem Mieter eine Weiterbenutzung der Mietsache gestatteten.
Darüber hinaus sei aber auch an solche Fälle zu denken, in denen der Mieter etwa während eines Streits um die Wirksamkeit einer von dem Vermieter ausgesprochenen Kündigung mit nachvollziehbaren Erwägungen davon ausgehen durfte, weiterhin zum Besitz der Mietsache berechtigt zu sein.
23.12.2017