Das Bündnis „Pankower Mieterprotest“ macht weiter mobil gegen übertriebene und unwirtschaftliche energetische Sanierungen des Wohnungsunternehmens Gesobau. Schützenhilfe erhoffte man sich von den Gerichten. Doch das Landgericht hält – anders als die Erstinstanz – die Frage der Wirtschaftlichkeit für unerheblich.
Die Entscheidung des Pankower Amtsgerichts Anfang 2015 hatte Dämmkritiker bundesweit aufhorchen lassen. Es ging um das Pankower Gebäude Pestalozzistraße 4, das von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau umfassend energetisch saniert wurde. Zwar war auf Druck des Mieterbündnisses Anfang 2014 in Pankow ein bezirklicher Rahmenvertrag geschlossen worden, der die Mieterhöhungen sozial abfedert. Doch die betroffenen Mieter wehren sich grundsätzlich gegen das Maximalpaket an Maßnahmen, das in keinem Verhältnis zu den Einsparungen stehe. Das Gericht schloss sich dem an und entschied, der klagende Mieter habe die Fassadendämmung nicht zu dulden (Amtsgericht Pankow-Weißensee, 28. Januar 2015 – 7 C 52/14 –). Erst nach circa 20 Jahren werde die Umlage niedriger sein als die eingesparte Heizenergie. Eine solche Maßnahme sei unwirtschaftlich. Doch das Landgericht folgt nun wieder der vorherrschenden Rechtsprechung, wonach es darauf gar nicht ankomme. Wärmedämmung sei eine vom Gesetzgeber gewünschte energetische Maßnahme. Ob ein Missverhältnis zwischen den Kosten der Maßnahme und der Energiekosteneinsparung vorliege, sei unerheblich (Landgericht Berlin – 67 S 120/15 –).
Doch die Debatte um die Angemessenheit energetischer Sanierungen wird nicht nur vor Gericht geführt. Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen) rief ein öffentliches Forum zu dem Thema ein. Dass zum zweiten Termin mit Professor Axel Bretzke ein ausgewiesener Dämmbefürworter geladen wurde, gefiel nicht jedem. Der Experte ist der Überzeugung, dass die anvisierten Energieeinsparungen im Gebäudebereich ohne Fassadendämmung nicht machbar seien. Auch Altbauten könne man quasi auf Passivhausstandard bringen – je dicker die Dämmschicht, desto mehr bringe es. Die energiebedingten Mehrkosten fielen bei einer Komplettsanierung ohnehin kaum ins Gewicht, so seine These.
Zwar räumte er ein, dass die errechneten Energieeinsparungen praktisch nie erzielt werden. „Dafür steigt aber der Wohlfühlfaktor in der Wohnung“, so der Professor von der Hochschule Biberach. Bei den anwesenden Mietern stießen diese Argumente auf heftigen Widerspruch. Denn dicke Dämmwände machen Fenster zu Lichtluken. „Sie haben wohl noch nie etwas vom Schießscharteneffekt gehört“, empörte sich Tilo Trinks vom Pankower Mieterprotest.
Birgit Leiß
05.02.2018