Knapp 100.000 Privat- und Kleingewerbekunden drohte die Stromnetz Berlin GmbH im Jahr 2015 mit einer Unterbrechung der Stromversorgung. Die Gasag verschickte sogar über 120.000 Sperrandrohungen. Nur ein Bruchteil davon wurde auch tatsächlich durchgeführt. Beleg für einen menschlichen Umgang mit Schuldnern?
„Meine Vermutung ist, dass der Druck so groß ist, dass viele dann doch zahlen“, erklärt die Abgeordnete Elke Breitenbach von der Linksfraktion, die die Kleine Anfrage zum Thema Strom- und Gassperren eingebracht hat. Demnach wurde 2015 in Berlin 15.374 Mal der Strom abgeklemmt. Außerdem wurden 2219 Gasanschlüsse gesperrt – angesichts von über 120.000 angedrohten Unterbrechungen eine erstaunlich niedrige Zahl. „Die allermeisten Kunden reagieren darauf und zahlen dann doch“, erklärt dazu eine Sprecherin der Gasag. In Gesprächen biete man den Kunden zudem Ratenzahlung an und verweise auf die Möglichkeit, „Zuschüsse“ vom Jobcenter oder Sozialamt zu bekommen. Doch das Amt gewährt in der Regel nur ein Darlehen, das heißt: Die Betroffenen verschulden sich weiter. Zudem wird nicht jeder Antrag bewilligt.
Die Anfrage im Abgeordnetenhaus belegt, dass es zwischen den Bezirken erhebliche Unterschiede gibt. Die weitaus meisten Anträge auf darlehensweise Übernahme der Energieschulden wurden 2015 beim Jobcenter Lichtenberg gestellt. Von den 1819 Anträgen wurden 979 bewilligt. In Friedrichshain-Kreuzberg gingen dagegen lediglich 112 Anträge ein, von denen 15 abgelehnt wurden.
„Offenbar werden die Leute in einigen Bezirken entmutigt, indem man ihnen zu verstehen gibt, dass der Antrag sowieso keine Aussicht auf Erfolg hat“, so Breitenbach. Die gesetzliche Härtefallregelung, wonach bei besonders Schutzbedürftigen die Strom- oder Gaslieferung gar nicht unterbrochen werden darf, sei weitgehend unbekannt. Das gilt beispielsweise bei Dialysepatienten oder pflegebedürftigen Menschen.
Trotz rund 17.500 Haushalten, die ohne Licht, Heizung oder Herd leben müssen, sieht man beim Senat keinen Handlungsbedarf. Tendenziell sei seit einigen Jahren ein „erheblicher“ Rückgang der Sperrungen zu verzeichnen.
Mit einer besseren Energieberatung, einem angemessenen Hartz-IV-Regelsatz sowie der Übernahme von Energieschulden durch die Ämter könne und müsse die Zahl auf null reduziert werden, heißt es dagegen bei der Linkspartei.
Birgit Leiß
26.01.2020