Nach langem Hin und Her wird Deutschland nun doch wieder von einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD regiert. Die Koalitionsvereinbarung gibt wenig Anlass, auf grundlegende Verbesserungen für Mieter zu hoffen. Der Berliner Mieterverein hat die Passagen zur Bau- und Wohnungspolitik analysiert und stellt der „Groko“ kein gutes Zeugnis aus:
„Unser Eindruck ist: CDU/CSU und SPD nehmen die Wohnungsmarktprobleme nicht ernst“, erklärt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). Im Mietrecht sind keine wesentlichen Verbesserungen vorgesehen. „Die Mieter in den Großstädten und Ballungsräumen werden letztendlich kaum entlastet“, sagt Wild.
Besonders enttäuschend ist die vorgebliche Verschärfung der Mietpreisbremse. Vermieter sollen verpflichtet werden, die Höhe der Vormiete zu nennen, wenn sie sich bei einer Wiedervermietung darauf berufen. „Das ist so gut wie gar nichts – eine Mietendämpfung wird damit nicht erzielt“, kommentiert Reiner Wild. Die vielen anderen Schwachstellen, die die Mietpreisbremse nahezu wirkungslos machen, bleiben unangetastet. Wild: „Weder werden die Ausnahmen und Umgehungen abgeschafft, noch droht Vermietern bei Missachtung der Bremse eine Strafe.“
Auch bei der Modernisierungsumlage tut sich wenig. Künftig sollen nur noch acht statt elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umgelegt werden können – allerdings nur in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt und nur für fünf Jahre. Zudem soll die Modernisierungsmieterhöhung bei drei Euro pro Quadratmeter im Monat gekappt werden. Aus Sicht des BMV bleiben immer noch unzumutbare Belastungen. „Für die Abwälzung von acht Prozent der Kosten gibt es in Anbetracht des Zinsniveaus keine Rechtfertigung“, sagt Reiner Wild. „Eine ergänzende Kappungsgrenze ist gut, aber mit drei Euro pro Quadratmeter viel zu hoch.“ Sie mildert nur bei extrem teuren Modernisierungsmaßnahmen die Mieterhöhung ab und auch dann nur in geringem Umfang. Der BMV schlägt eine Kappung bei 1,50 Euro vor.
Bei normalen Mieterhöhungen wird es keine Verbesserung geben. Die Laufzeit von Mietspiegeln soll zwar von zwei auf drei Jahre verlängert werden, um den Mietanstieg zu dämpfen. Doch weil der Bundesgerichtshof den Vermietern Stichtagsaufschläge auf die Mietspiegelwerte erlaubt hat, läuft dieser Ansatz ins Leere. Wie die Mietspiegel rechtssicher aufgestellt werden sollen, lässt der Koalitionsvertrag offen. Eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums, die tatsächlich eine dämpfende Wirkung haben kann, soll nur „geprüft“ werden. Gut möglich ist also, dass weiterhin nur Neuverträge und Mieterhöhungen der letzten vier Jahre in den Mietspiegel einfließen.
Eigentumsförderung löst die Wohnungsprobleme nicht
Die Koalition will, dass jährlich 375.000 neue Wohnungen gebaut werden, schlüsselt das Ziel aber nicht genauer auf. Am Bau von Sozialwohnungen will sich der Bund auch über das Jahr 2019 hinaus beteiligen, zunächst für 2020/21 mit zwei Milliarden Euro. In den Städten fehlen aber investitionswillige Eigentümer und preisgünstige Baugrundstücke, auf denen Sozialwohnungen errichtet werden könnten. Die Fördersumme reicht auch nur für ein Zehntel der angepeilten Neubauwohnungen.
Daneben sieht die Koalitionsvereinbarung eine Reihe von Maßnahmen zur Eigentumsförderung vor: Baukindergeld, ein Bürgschaftsprogramm und ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer. Dadurch wird kein Wohnungsproblem gelöst. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen könnte sich dadurch sogar noch verstärken – Eigenbedarfskündigungen und Mieterverdrängung inklusive. Für den BMV ist die Eigentumsförderung eine falsche Schwerpunktsetzung.
Jens Sethmann
Mietrecht macht Barley, Wohnen Seehofer
Als neue Bundesjustizministerin ist Katarina Barley (SPD) für das Mietrecht zuständig. Die promovierte Juristin und vorherige Familienministerin zählt zum linken Flügel der SPD. Die Bereiche Bauen und Wohnen fallen in die Zuständigkeit des Innenministers Horst Seehofer (CSU). Damit diese Aufgaben nicht im riesigen Innenressort untergehen, fordert der Deutsche Mieterbund (DMB), einen Baustaatssekretär und einen eigenen Bundestagsausschuss für Bauen und Wohnen einzusetzen. „Der Wohnungsbau, die Stadtentwicklung und die rasant steigenden Mieten gehören zu den zentralen Herausforderungen in diesem Jahrzehnt“, sagt DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. „Der Bereich Bauen und Wohnen ist zu wichtig, um ihn allein den Innenpolitikern mit völlig anderen Aufgabenschwerpunkten zu überlassen.“
js
28.03.2022