Das Vorhaben war löblich: Die Mieten bei Wiedervermietung sollten bei maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete gedeckelt werden. Aber: „Die Mietpreisbremse wirkt nicht wie erhofft“, stellt Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten enttäuscht fest. „Nach 16 Monaten ist die Bilanz ernüchternd“, kommentiert der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild. Renommierte Forschungsinstitute bestätigen: Die Wiedervermietungsmieten liegen nach wie vor 30 bis 50 Prozent über der Mietpreisbremsenkappung.
Nachdem eine Senkung der geforderten Mieten bei Wiedervermietung auf den Immobilienportalen im Internet nach Einführung der Mietpreisbremse nicht wahrnehmbar war, hat der Berliner Mieterverein ein Jahr nach Inkrafttreten der Preisbremse in Berlin vom Forschungsinstitut RegioKontext und dem Institut für Soziale Stadtentwicklung (IFSS) die Wirkung der Preisbremse untersuchen lassen. Beide Institute kamen zu dem Ergebnis, die Mietpreisbremse habe in Berlin keinen nennenswerten Einfluss auf die Mieten. Die Ergebnisse fanden deutschlandweit große Beachtung. Der Deutsche Mieterbund (DMB) nahm dies zum Anlass, auch in Hamburg, München und Frankfurt/M. die Wirkung der Mietpreisbremse von den beiden Instituten untersuchen zu lassen und die Untersuchungsergebnisse für Berlin noch einmal zu aktualisieren.
Zwischen 66,5 und 94,8 Prozent aller Angebote beziehungsweise Wiedervermietungsmieten lagen in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten der Mietpreisbremse und dem Stichtag 30. Juni 2016 über den zulässigen Werten der Mietpreisbremse. Die Wiedervermietungsmieten überstiegen dabei in mehr als 100.000 Fällen die Obergrenzen der Mietpreisbremse. „Offensichtlich werden die gesetzlichen Regelungen von vielen Vermietern ignoriert“, stellte Lukas Siebenkotten bei der Präsentation der Studien fest.
Interessant ist ein Vergleich der Nettokaltmieten vom März 2016 (IFSS-Studie im Auftrag des BMV) und vom August 2016 (IFSS-Studie im Auftrag des DMB): Im arithmetischen Mittel liegen die Angebote im August bereits um 17 Cent über den März-Angeboten. Im Ranking der vier untersuchten Städte ist in Berlin die Differenz der inserierten Mieten von der zulässigen Höchstmiete am größten: 34 Prozent oder 2,28 Euro mehr als laut Mietpreisbremse zulässig verlangen die Vermieter hier.
Beim Anstieg der Angebotsmieten ist Berlin seit Jahren Spitzenreiter: Zwischen 2006 und 2013 stiegen sie um 6,9 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: In Hamburg betrug der Anstieg pro Jahr 3,9 Prozent, in Frankfurt/M. und in München nur durchschnittlich 2,8 Prozent. Einziger Pluspunkt ist das vergleichsweise niedrige Ausgangsniveau in der Hauptstadt. Deshalb liegt das arithmetische Mittel der Nettokaltmieten in Berlin bei 9,94 Euro pro Quadratmeter, in München aber bereits bei 18,07 Euro.
Die Untersuchungen erheben nicht den Anspruch, „vollständig repräsentativ“ zu sein. RegioKontext stützte sich bei seinen Untersuchungen ausschließlich auf Datenbestände des Internet-Vermittlungsportals ImmobilienScout24. Über Wartelisten der Genossenschaften oder kommunalen Wohnungsunternehmen beziehungsweise über persönliche Kontakte vermietete Wohnungen wurden nicht berücksichtigt. Das IFSS bezog in seine Stichproben zwar Angebote auf den Plattformen der städtischen Wohnungsunternehmen ein, kam aber zu nahezu identischen Ergebnissen.
In den Untersuchungen bleibt offen, ob die Vormiete der inserierten Wohnungen bereits über der zulässigen Höchstgrenze lag. Beim Berliner Mieterverein geht man davon aus, dass etwa ein Drittel der Mieten bei Wiedervermietung aufgrund einer Ausnahmeregelung rechtlich zulässig waren, zwei Drittel aber nicht. Deshalb und auch weil ein Drittel Ausnahmen zuviel sind, bedarf es dringend einer gesetzlichen Nachsteuerung, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Rainer Bratfisch
Und das muss sich ändern
Um die Mietpreisbremse zu einem wirklich effektiven Instrument zu machen, fordern die im Deutschen Mieterbund zusammengeschlossenen Mietervereine:
- Die Mietpreisbremse muss bundesweit und flächendeckend gelten.
- Der Vermieter muss verpflichtet werden, den Mietanteil, der die Obergrenze der Mietpreisbremsen-Regelung überschreitet, gegebenenfalls von Beginn des Mietverhältnisses an zurückzuzahlen.
- Der Ausnahmetatbestand „Vormiete“ ist ersatzlos zu streichen.
- Der Vermieter muss zumindest verpflichtet werden, beim Abschluss des Mietvertrages nachprüfbare Angaben zur Vormiete zu machen, wenn die von ihm geforderte Miete die Mietpreisobergrenze überschreitet.
- Das Gleiche muss gelten, wenn der Vermieter sich auf den Ausnahmetatbestand „Modernisierung“ berufen will.
- Neben der Mietpreisbremsen-Regelung ist die Vorschrift des Paragrafen 5 Wirtschaftsstrafgesetz so zu ändern, dass Mieten, die mehr als 20 Prozent über der Vergleichsmiete liegen, grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einem Bußgeld belegt werden können.
rw
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12.10.2016