Einer Straßenumbenennung geht in aller Regel eine jahrelange Diskussion voraus. Manchmal dürfen sogar die Bürger mitreden. Anders sieht es aus, wenn es sich um eine Privatstraße handelt, wie unlängst Anwohner aus Kladow erfahren mussten.
„Das hat wirklich keinen Spaß gemacht“, meint eine Gewerbetreibende, deren Adresse sich von Kladower Damm zu Parkviertelallee änderte. Nicht nur, dass neue Visitenkarten gedruckt und Adressverzeichnisse aktualisiert werden mussten, auch bei der Postzustellung brach das Chaos aus. „Wir haben wochenlang keine Post bekommen, einiges ging für immer verloren“, sagt die Geschäftsfrau. Doch während sie von ihrem Vermieter informiert wurde, sagen andere Mieter, dass sie von der Umbenennung erst durch die Postrückläufe erfahren haben. Hintergrund: Die ehemalige Alliiertensiedlung wird derzeit umgebaut und um Reihenhäuser erweitert. Das neue Wohnquartier wird unter dem Namen „Parkviertel Kladow“ vermarktet – und das soll sich eben in den Straßennamen wiederfinden. Allerdings gab es offenbar auch sachliche Gründe. Die vom Kladower Damm zurückgesetzten Häuser waren von der Feuerwehr nur schwer zu finden.
Weil es sich um Privatstraßen handelt, musste dem bezirklichen Straßen- und Grünflächenamt die Umbenennung lediglich angezeigt werden. Der Eigentümer musste aber auch hier die Vorgaben des Straßengesetzes beachten, heißt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Eine „Hitlerstraße“ wäre beispielsweise ebenso wenig zulässig wie die Verewigung des eigenen Namens auf dem Straßenschild, erklärt Sprecher Matthias Tang: „Straßen nach Personen zu benennen, ist nur unter Voraussetzungen möglich, zum Beispiel nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Tod der Person.“
Wie viele Privatstraßen es in Berlin gibt, kann man beim Senat nicht sagen. Auch die Bezirke führen keine Aufstellung. Privatstraßen und Privatwege sind Verkehrswege, die sich nicht im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, sondern Hausbesitzern, Investoren oder Bauherren gehören. Häufig sind es Zufahrtswege zu Tiefgaragen oder Fußwege innerhalb einer Wohnanlage. Auch bei Neubaugebieten werden oft Privatstraßen angelegt, die dann lediglich der inneren Erschließung der Baugrundstücke dienen.
Weil sie somit keinen Nutzen für die Allgemeinheit bringen, beteiligt sich die öffentliche Hand auch nicht an den Kosten für die Erschließung. Der Eigentümer ist für Instandhaltung, Reinigung und Schneeräumung zuständig. Auf reinen Privatstraßen, die ausschließlich Anwohnern vorbehalten sind, gilt die Straßenverkehrsordnung nicht. Hier kommt daher auch keine Polizei vorbei, um Falschparker aufzuschreiben.
Der Eigentümer kann jederzeit beschließen, die Straße für die öffentliche Nutzung freizugeben. Dann gilt automatisch die Straßenverkehrsordnung. Er kann das aber nicht in jedem Fall nach Gutdünken entscheiden, heißt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Sobald sie eine Durchgangs- oder Verbindungsfunktion im Straßennetz hat, muss eine öffentliche Nutzung zugelassen werden. Die Entscheidung trifft das jeweilige Bezirksamt entweder nach Bauplanungsrecht oder im Rahmen eines Verkehrskonzeptes.
Privatstraßen schon zur Gründerzeit
Viele Privatstraßen erhalten später eine Widmung, wie es im Amtsdeutsch heißt, und werden somit zu „ganz normalen“ öffentlichen Straßen. So gab es im neu angelegten Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof ursprünglich viele Privatstraßen. Später wurden sie dem Bezirk übertragen. Aus Kostengründen reißt sich ohnehin kaum ein Grundstückseigentümer darum, Privatstraßen zu unterhalten.
Privatstraßen sind übrigens kein Phänomen der zunehmenden Privatisierung der Stadt. Es gab sie schon zur Gründerzeit, etwa in der Wohnanlage Helenenhof in Friedrichshain oder im Blockinnenbereich von „Riemers Hofgarten“ in Kreuzberg.
Birgit Leiß
Die Verkehrssicherungspflicht
Finanziell hat das Wohnen in einer Privatstraße für Mieter weder Vor- noch Nachteile. Der Eigentümer wird in aller Regel die Reinigung und Schneeräumung an eine Firma übertragen – das kann die Berliner Stadtreinigung sein, muss aber nicht – und darf dies im Rahmen der Betriebskosten auf die Mieter umlegen. Für Probleme wie Sperrmüll auf der Straße, Falschparker oder eisglatte Wege ist einzig und allein der Eigentümer zuständig. Er hat in diesem Fall eine Verkehrssicherungspflicht, das heißt er muss die Straße frei von Gefahren halten. Besuchern von Mietern darf der Zutritt nicht verwehrt werden. Sie dürfen auch dort parken.
bl
25.05.2018