Soll es in einem der teuersten Gegenden des Bezirks Mitte auch künftig Platz für alle sozialen Schichten geben? Im Kern geht es beim Fall Habersaathstraße 40-48 um nichts weniger als diese Frage.
Noch wohnen in den 106 Wohnungen direkt neben dem Bundesnachrichtendienst die sprichwörtlichen „kleinen Leute“ – und auch einige Menschen, die ihr Leben nicht so recht auf die Reihe bekommen. Über die Hälfte der Wohnungen steht allerdings leer. Der Plattenbauriegel war 1983 für Angestellte der Charité gebaut worden. Vor allem Ärzte aus den sozialistischen „Brüderländern“ sowie Krankenschwestern wohnten in den kleinen Wohnungen.
2006 verscherbelte der Senat die Häuser für nur 2 Millionen Euro an einen privaten Eigentümer. Der ließ eine teure Fotovoltaikanlage auf dem Dach installieren und führte eine umstrittene energetische Sanierung durch. Seitdem kleben auf dem wegen seiner bunten Fassade einst liebevoll Papageienhaus genannten Objekt hässliche Dämmplatten.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. 2017 wurde die Habersaathstraße 40-48 an die „Arcadia Estates“ verkauft, für das Zehnfache des 2006 erzielten Kaufpreises. Der neue Investor stellte vor einigen Wochen, im Juli, einen Antrag auf Abriss. Solange dieser nicht genehmigt wird, kann er sein Bauvorhaben mit 93 Luxusapartments und 41 Tiefgaragenstellplätzen nicht umsetzen. Schon im Mai war ein anderer Versuch erfolgt, um die Mieter loszuwerden: eine Modernisierungsankündigung, durch die sich die Mieten drastisch verteuern würden. Schall- und Wärmeschutzmaßnahmen, Rück- und Neubau der intakten Bäder sowie die Aufwertung der Hofanlage würden eine Modernisierungsumlage von rund 6,60 Euro pro Quadratmeter nach sich ziehen. „Juristisch kaum zu beanstanden“, heißt es beim Berliner Mieterverein, der die Modernisierungsankündigung geprüft hat. Sie sei „von Profis erstellt“. Die Mieter könnten lediglich Härtefälle geltend machen.
Die Miete von Theo Diekmanns 39-Quadratmeter-Wohnung soll von jetzt 299 Euro auf 546 Euro warm steigen. Der Sprecher der Interessengemeinschaft Habersaathstraße kämpft seit nunmehr zehn Jahren dafür, dass alle bleiben können: „Uns war nach der ersten Privatisierung klar, dass wir uns zusammenschließen müssen, sonst fallen die Schwachen als erste runter.“ Die Initiative organisiert nicht nur Protestaktionen – so wurden am 1. August gegen die zunehmende Verdrängung aus dem Kiez Tücher aus den Fenstern gehängt –, sondern man macht öffentlichen Druck und sieht sich mittlerweile auch von Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) unterstützt.
„Wir appellieren an das Bezirksamt, Verhandlungen mit dem Vermieter aufzunehmen“, sagt Sebastian Bartels, stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Solange die dauerhafte Abwälzung von Modernisierungskosten in solcher Höhe gesetzlich zulässig ist, werde dies aber weiterhin zu Herausmodernisierungen führen. „Nur ein umfassender Schutz und eine Kappung der Modernisierungsumlage kann spekulative Investoren in ihre Schranken weisen“, so Sebastian Bartels.
Birgit Leiß
04.10.2018