In Moabit sollen preisgünstige Mietwohnungen abgerissen werden, um Platz für einen Neubau mit Eigentumswohnungen zu machen. Das Bezirksamt hat das bestehende Gebäude zunächst als „nicht schützenswerten Wohnraum“ eingestuft und den Neubau genehmigt. Nun rudert man zurück.
In der Spenerstraße 4 und 5, einem ehemaligen Sozialen Wohnungsbau aus den 1960er Jahren, stehen 21 Wohnungen leer, zum Teil seit Jahren. Durch normale Fluktuation – hier wohnen viele alte Mieter – aber auch geködert mit dem Anreiz von Abfindungen bei Auszug sind sie frei geworden und wurden nicht wieder vermietet. Denn der Eigentümer, die „Primus Projekt Bestand Spenerstr. 4, 5 B GmbH“, ein Unternehmen der Fortis Group, will hinter den Häusern einen Neubau errichten. Da er sich direkt an die Giebelwand der Spenerstraße 5 anschließen soll, müssten die Balkone und Fenster an dieser Seite des Hauses zugemauert werden.
Das Bezirksamt Mitte hatte damit kein Problem. Der Lückenschluss sei nach dem Baurecht zu genehmigen und die fensterlosen Wohnungen – die Einzimmerwohnungen haben lediglich Fenster zu dieser Seite – seien eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen Mieter und Vermieter, so Stadtrat Ephraim Gothe (SPD). Auch der Leerstand wurde genehmigt. Der Eigentümer hatte dargelegt, dass es ihm nicht möglich sei, die Wohnungen mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand zu sanieren.
Der Vermieter, der bereits eine Modernisierung angekündigt hatte, schickte daraufhin im August 2018 sämtlichen Mietern, die ihre Wohnungen an der Giebelwand haben, eine Kündigung wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung. Für die Bewohner ist das völlig unverständlich. „Die Wohnungen sind in Ordnung, wir wohnen alle gerne hier“, meint eine Frau, die für ihre 30 Quadratmeter große Wohnung nur 240 Euro warm zahlt. Das über 40-seitige Gutachten, mit dem die Kündigung untermauert wird, sei „formal nicht zu beanstanden“, heißt es beim Berliner Mieterverein. Ob stimmt, was hier behauptet wird, müsse das Gericht gegebenenfalls in einem unabhängigen Sachverständigengutachten klären. Für nicht rechtschutzversicherte Mieter ist dies jedoch ein hohes Risiko.
Unterdessen hat das Bezirksamt Mitte die Zustimmung zum Leerstand wegen formaler Fehler zurückgezogen. Die für Zweckentfremdung zuständige Bezirksstadträtin Ramona Reiser (Linke), erklärt: „Ich gehe fest davon aus, dass es sich bei der Spenerstraße 4 und 5 um schützenswerten Wohnraum im Sinne des Gesetzes handelt.“ Für die Mieter bedeutet das: Ihnen muss zumindest Ersatzwohnraum angeboten werden.
Auch die angekündigte Zusammenlegung von Wohnungen sei einstweilen ausgeschlossen, so Reiser.
Birgit Leiß
19.03.2019