Wem gehören die Häuser der Stadt? Das will ein Netzwerk aus „Tagesspiegel“-Redakteuren und dem Recherchezentrum „Correctiv“ herausfinden. Seit Herbst 2018 können Berliner online den Eigentümer ihrer Wohnung mitteilen oder ermitteln lassen. Das Ziel: mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt schaffen.
Wer ist eigentlich Eigentümer des Hauses, in dem ich lebe? So mancher mag sich das schon gefragt haben. Denn oftmals werden Mietverträge mit einer Hausverwaltung abgeschlossen. So erfährt man nicht, mit wem man eigentlich vertraglich verbunden ist: Mit einem kleinen Einzelvermieter? Oder mit einem Investor, der die Wohnungen im Haus primär als Spekulationsobjekte nutzt? Die Berliner Tageszeitung „Tagesspiegel“ will das mit einer umfassenden Recherche ermitteln. Neben der Schaffung von mehr Transparenz soll sie eine informierte Debatte darüber ermöglichen, wie Wohnungen bezahlbar bleiben. Seit Mitte Oktober können Berliner online in einem von Correctiv entwickelten sogenannten „Crowdnewsroom“ – einer Plattform, auf der Redaktionen und Leser gemeinsam recherchieren – den Eigentümer ihrer Wohnung eintragen, sofern er ihnen bekannt ist. Falls nicht, kann ein Suchauftrag gestartet werden. Das Rechercheteam holt dann mit der Vollmacht des Mieters Informationen beim Grundbuchamt ein.
Die Eigentümerdaten werden streng vertraulich behandelt und „Kleinbesitzer“ auch nirgends namentlich genannt. „Es geht uns nicht darum, Eigentümer bloßzustellen oder gar zu behaupten, es sei schlecht, wenn jemand Eigentum besitzt“, stellt Hendrik Lehmann vom Tagesspiegel klar. Man wolle stattdessen die großen Strukturen aufzeigen: Welche Eigentümer beeinflussen den Wohnungsmarkt maßgeblich, und welche handeln dabei fragwürdig oder gar illegal?
Diese „großen Strukturen“ greifen die rund 20 Redakteure, die am Projekt beteiligt sind, in Zeitungsbeiträgen auf. Im ersten großen Auswertungsteil ging es um das Thema „möbliertes Wohnen“ – konkret darum, wie damit zunehmend die Mietpreisbremse ausgehebelt wird. Die Hinweise von den Teilnehmern brachten schockierende Zahlen ans Licht. So liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis einer möblierten Wohnung aktuell bei satten 27,44 Euro.
In den nächsten Wochen und Monaten plant das Team, weitere Auswertungen zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichungen sollen auch der Politik helfen, denn Senat und Bezirken fehle die Übersicht, welche Investoren wo in Berlin besonders aktiv sind, so das Rechercheteam.
Große Mitmachbereitschaft bei den Berlinern
Die Datensammlungsphase ist nun fast abgeschlossen. Seit dem Start des Projekts haben sich zahlreiche Mieter aus allen Teilen der Stadt an der Recherche beteiligt. „Wir waren überrascht von der großen Resonanz und Mitmachbereitschaft der Berliner“, so Hendrik Lehmann vom Tagesspiegel.
Diskussionsveranstaltungen, teilweise ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Mieterverein, flankieren die Aktion – sechs fanden bisher statt. Sie waren teilweise so stark nachgefragt, dass man nur der Hälfte der Interessierten zusagen konnte.
Die Aktion kommt aber nicht überall gut an: So ruft der Eigentümerverband Haus & Grund unter dem Titel „Datenkrake Tagesspiegel“ auf seiner Website Eigentümer dazu auf, auf Basis der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beim Tagesspiegel Auskunft darüber zu verlangen, welche Daten dort über sie gespeichert wurden. Nun ist aber gerade die Recherche von Journalisten von der DSGVO ausgenommen. Somit müssen derartige Anfragen nicht beantwortet werden. Die Beschwerde, die der Verband beim Presserat eingelegt hatte, wurde – nachdem dieser bei der Berliner Datenschutzbeauftragten nachgefragt hatte – dann auch in allen Punkten abgewiesen.
Katharina Buri
Ist die Geheimhaltung noch zeitgemäß?
In Deutschland kann man über eine Anfrage beim Grundbuchamt herausfinden, wer Eigentümer einer Immobilie ist. Dazu muss aber ein „berechtigtes Interesse“ vorliegen – und das ist oftmals aus Sicht des Amtes nicht gegeben. Durch die Recherche zu „Wem gehört Berlin?“ wird auch die Frage in den Fokus gerückt, ob diese Geheimhaltung noch zeitgemäß ist. In anderen Ländern, beispielsweise in Skandinavien, sind Eigentümerdaten längst frei einsehbar.
kb
Weitere Informationen zur Recherche unter
www.tagesspiegel.de/wem-gehoert-berlin
Weitere Recherchen des Netzwerks Correctiv, unter anderem auch die bereits abgeschlossene Recherche „Wem gehört Hamburg?“, unter
www.correctiv.org
01.05.2019