Das Bundesverfassungsgericht hat am 15.4.2021 den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt.
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Das Mietendeckel-Aus: Bewertung des Berliner Mietervereins
für seine Mitglieder und die Mieterinnen und Mieter Berlins
Liebe Mitglieder, sehr geehrte Mieterinnen und Mieter Berlins,
der 15. April 2021 war ein schwarzer Tag für die Mieterinnen und Mieter in Berlin. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat den Berliner Mietendeckel unter anderem auf eine Normenkontrollklage von CDU/CSU- und FDP-Bundestagsabgeordneten hin für von Beginn an nichtig erklärt. Das Land Berlin habe nicht die Kompetenz, Mietpreisregeln festzulegen.
Mit dem Mietendeckel waren viele Hoffnungen verbunden: Für zunächst fünf Jahre eine starke Beschränkung von Mieterhöhungen auch bei Modernisierungen, für breite Schichten bezahlbare Mieten bei neuen Verträgen und eine Absenkung von in der Vergangenheit stark erhöhten Mieten. Und nicht zuletzt war mit den öffentlich-rechtlichen Preisregulierungen eine bessere und sichere Interessendurchsetzung erwartet worden. Diese Hoffnungen wurden nun zerstört, mehr noch, durch die Nachzahlungspflicht können die Vermieter überwiegend so gestellt werden, als hätte es den Mietendeckel nie gegeben. Das ist enttäuschend und ruft Frust, Wut und Sorge bei vielen Mieterinnen und Mietern hervor, unter anderem weil manche die durch den Deckel eingesparten Mieten jetzt zurückzahlen müssen, sie aber wegen der Corona-Folgen für andere wichtige Dinge ausgeben mussten.
Wir sehen uns in einer besonderen Verantwortung
Der Berliner Mieterverein hat den Mietendeckel für richtig und notwendig erachtet. Deshalb haben wir den Berliner Senat unterstützt und das Gesetzgebungsverfahren aktiv begleitet. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb auch eine juristische Niederlage für uns, mit erheblichen Folgen. Wir sehen uns daher in einer besonderen Verantwortung, den Mieterinnen und Mietern mit all unseren Kräften bei der Bewältigung der nun entstandenen mietrechtlichen und sozialen Folgen zur Seite zu stehen. Auf unserer Internetseite sind alle wichtigen Tipps zu finden, bei Unsicherheiten empfehlen wir dringend, einen Beratungstermin zu vereinbaren. Wegen der Corona-Beschränkungen wird die Beratung zumeist telefonisch erfolgen.
Natürlich ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu respektieren. Allerdings darf er auch kritisiert werden. Und dafür gibt es durchaus Anlass. Befremdlich ist, dass sich die Richter nicht inhaltlich mit den Argumenten der Landeskompetenzbefürworter auseinandergesetzt haben, selbst wenn sie am Ende zu einer anderen Überzeugung gekommen wären. Befremdlich ist auch, dass sie keinen Anlass sahen, über eine Abmilderung ihres Beschlusses nachzudenken, das Gesetz nur für künftig unanwendbar zu erklären, wodurch sich die Folgen für die Mieterinnen und Mieter verringert hätten.
In den letzten Tagen war häufig der Vorwurf zu hören, die juristische Niederlage sei vorhersehbar gewesen. Diesen Stimmen sollte man nicht glauben – hier wird Stimmung auf dem Rücken der Mieterschaft gemacht. Denn sogar die Richter des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts haben in den Beschlüssen zu den allesamt verworfenen Eilanträgen gegen den Mietendeckel die Kompetenz-Frage ausdrücklich für offen erklärt. Zwei von drei Landgerichtskammern, die sich zur Verfassungsmäßigkeit äußerten, haben ihn als verfassungsgemäß erklärt, ebenso eine große Zahl von Amtsrichterinnen und -richtern. Auch diverse Verfassungsrechtler sahen keinen Grund, diesen Landesweg nicht zu beschreiten. Selbstverständlich bestanden bei einer Neuregelung Risiken. Wir erinnern an die Mietpreisbremse. Ihre Einführung war 2015 gleichermaßen umstritten und wurde mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen, in diesem Fall aber für die Vermieter erfolglos.
Jede gesetzliche Regulierung, die die Rendite beeinflusst, wird angegriffen
Natürlich haben wir wie alle Deckelbefürworter mit einer gerichtlichen Überprüfung rechnen müssen. Denn im Grunde wird jede gesetzliche Regulierung, die die Renditen spürbar beeinflusst, von Vermietern und ihren Verbänden angegriffen. Aber das kann und darf kein Argument gegen besseren Mieterschutz sein. Zudem zeigt es uns, dass ein deutlich höherer Anteil an Wohnungsanbietern notwendig ist, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet sehen.
Was folgt nun nach der Zurückweisung des Mietendeckels? Das zentrale Problem von zu wenigen preisgünstigen Wohnungen ist mit der juristischen Niederlage ja nicht beseitigt. Im Gegenteil, die Immobilienwirtschaft in Berlin frohlockt und erwartet steigende Gewinnmargen. Vieles deutet auf eine neue Mieterhöhungswelle hin. Das Bundesverfassungsgericht hat die einzelnen Deckel-Regeln nicht bewertet. Der Berliner Mieterverein setzt sich daher nun verstärkt für bessere Regulierungen der Mietpreise beim Bundesgesetzgeber ein.
Gemeinsam mit den Mietervereinen und Mieterinitiativen aus anderen Städten, dem DMB, dem DGB und auch dem Paritätischen Gesamtverband werden wir den Bundestagswahlkampf für unsere Forderungen nutzen.
Die immer wieder beschworene Lösung durch Wohnungsneubau greift zu kurz.
Klar, bei fehlendem Angebot braucht es auch mehr Wohnungen. Aber es werden vor allem für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbare Wohnungen benötigt. Die aktuellen Fertigstellungen helfen leider nur den Haushalten mit hohem Einkommen, für die anderen bringt das so gut wie nichts. Stattdessen wird nun wieder mit fast jeder Wiedervermietung das Angebot preisgünstiger Wohnungen schrumpfen.
Unsere Bitte: Wählen Sie am 26. September die Parteien, die sich für bezahlbares Wohnen wirklich einsetzen wollen.
Dr. Rainer Tietzsch, Vorsitzender
Reiner Wild, Geschäftsführer
Warum der Berliner Mieterverein den Mietendeckel für verfassungsgemäß hielt
Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) waren mehrere Verfassungsbeschwerden von Vermietern anhängig. Darüber hatte der 1. Senat des BVerfG zu befinden. Alle Eilanträge von Vermietern gegen den Mietendeckel wurden zurückgewiesen.
Gleichzeitig hatte der 2. Senat über die Normenkontrollklage von Bundestagabgeordneten aus der CDU/CSU- und der FDP Fraktion gegen den Mietendeckel sowie über zwei Richtervorlagen (67. Kammer des LG Berlin und ein AG-Urteil) zu entscheiden.
Der 2. Senat hat dann – wie bekannt – am 15. April 2021 mit seinem Beschluss (2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20) zur Normenkontrollklage und den Richtervorlagen den Berliner Mietendeckel für „von Beginn an nichtig“ erklärt.
Dem 2. Senat lag auch die Stellungnahme des Berliner Mieterverein e.V. zu dem Normenkontrollantrag und den Richtervorlagen betreffend das Gesetz zur Mietbegrenzung für Wohnraum in Berlin vor. In dieser Stellungnahme begründet der BMV, warum der Mietendeckel für verfassungsgemäß erachtet wurde.
Stellungnahme des Berliner Mieterverein e.V. zum Normenkontrollantrag
und den Richtervorlagen
Der 2. Senat des BVerfG war anderer Auffassung.
Der Berliner Mieterverein konnte mit seiner Meinung nicht durchdringen, obschon auch andere Verfassungsrechtler wie auch zwei Kammern des Berliner Landgerichts und die Mehrheit der Amtsrichter in Berlin den Deckel für verfassungsgemäß betrachteten. Das hilft nun allerdings nicht mehr weiter.
Der Beschluss des BVerfG ist zu akzeptieren. Gleichwohl wird der BMV sich noch detaillierter mit den Argumenten des BVerfG auseinandersetzen, auch im Hinblick auf nun angestrebte bessere bundesgesetzliche Mieterschutzregeln.
Wie geht es nach dem Mietendeckel-Aus politisch weiter?
Berliner Mieterverein unterstützt die Online-Petition von Campact für eine bundesweit bessere Mietenregulierung.
Unterzeichnen Sie deren Online-Petition: Mieten deckeln – überall!
Der Berliner Mieterverein unterstützt schon seit mehreren Monaten die Kampagne für einen bundesweiten Mietenstopp.
Sie wird außerdem getragen von zahlreichen anderen Mietervereinen und Mieterinitiativen, dem Deutschen Mieterbund, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Paritätischen Gesamtverband, der Volksolidarität und verschiedene mehr.
Mehr Infos hier: mietenstopp.de
Der Wahlausgang bei den Bundestagswahlen entscheidet darüber, ob bezahlbares Wohnen in den nächsten Jahren ein Regierungsziel wird.
Hier unsere Forderungen des BMV zu den Bundestagswahlen 2021
23.09.2021