Leitsatz:
Eine die Kündigungssperrfrist des § 577 a Abs. 1, 2 BGB auslösende Veräußerung des Wohnungseigentums an einen Erwerber liegt regelmäßig nicht vor, wenn ein Miteigentumsanteil an einen bisherigen (vermietenden) Miteigentümer übertragen wird.
BGH vom 22.6.2022 – VIII ZR 356/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 31 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung datierte aus 1985. Im Jahr 1996 erklärten die beiden Miteigentümer B. und A. die Teilung des Grundstücks nach § 8 WEG und wurden im Mai 1997 bezüglich der insgesamt elf Wohnungseigentumseinheiten zunächst jeweils als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Anschließend übertrug B. seinen 1/5-Miteigentumsanteil an der (auch) von dem Mieter genutzten Wohnung auf A., der am 1.12.1997 als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde.
Die vom BGH zu beantwortende Rechtsfrage lautete, ob die zehnjährige Sperrfrist hier am 1.12.1997 zu laufen begann und damit am 1.12.2007 „verbraucht“ war oder ob die Frist erst ab einer weiteren späteren Veräußerung begann. Nach § 577 a Abs. 1 BGB beginnt die Kündigungssperrfrist mit der (erstmaligen) Veräußerung des zuvor gebildeten Wohnungseigentums an einen Erwerber. Die im Jahr 1997 erfolgte Übertragung des 1/5-Miteigentumsanteils an der vermieteten Eigentumswohnung auf den weiteren Miteigentümer stellte aber keine Veräußerung an einen „Erwerber“ dar. Zwar – so der BGH – liege hierin, ungeachtet dessen, dass die Eigentumsübertragung nicht auf einem Kaufvertrag zwischen A. und B. beruhte, eine Veräußerung. Jedoch sei der bisherige Miteigentümer und Mitvermieter A. nicht „Erwerber“ nach § 577 a Abs. 1 BGB.
Dies folge aus dem Zweck der Norm, wonach allein dem durch die Umwandlung in Wohnungseigentum gefährdeten Bestandsschutzinteresse des Mieters Rechnung getragen werden solle. Eine solche Gefährdung löste der Übergang des 1/5-Miteigentumsanteils auf den bisherigen Miteigentümer zu 4/5, Herrn A., im Jahr 1997 nicht aus.
Angesichts des Schutzzwecks des § 577 a Abs. 1 BGB setze eine Veräußerung an einen Erwerber einen tatsächlichen Wechsel in der Person des Wohnungseigentümers voraus und zwar dergestalt, dass mit einem solchen Wechsel des Rechtsträgers neu in Betracht kommender, bis zu diesem Zeitpunkt für den Mieter nicht zu befürchtender Eigen- beziehungsweise Verwertungsbedarf geschaffen werde.
Ein solcher Rechtsträgerwechsel an der hier betroffenen Wohnung habe im Jahr 1997 nicht stattgefunden. Aufgrund der Veräußerung des 1/5-Miteigentumsanteils an der hier in Rede stehenden Wohnung durch B. an A. nach Begründung des Wohnungseigentums wurde letzterer zwar zum Alleineigentümer. Allein dieser Eigentumswechsel stelle jedoch – in Anbetracht des Schutzzwecks des § 577 a BGB – noch keine Veräußerung an einen Erwerber im Sinne des § 577 a Abs. 1 BGB dar. Denn entscheidend sei, ob sich infolge der Veräußerung des Wohnungseigentums die Gefahr einer Eigenbedarfskündigung zu Lasten des Mieters erhöht habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen, da sich (auch) durch diesen Eigentumswechsel an der Vermieterstellung nichts geändert habe. Vielmehr sei B. infolge der Übertragung seines Miteigentumsanteils nicht aus der Vermieterstellung ausgeschieden und demzufolge A. nicht allein Vermieter geworden. Denn die Voraussetzungen des § 566 Abs. 1 BGB hätten nicht vorgelegen. Hiernach müsse die Veräußerung an einen Dritten erfolgen, das heißt, der veräußernde Eigentümer und der Erwerber müssen personenverschieden sein, der Erwerber dürfe bis zum Erwerb nicht Vermieter gewesen sein. Dies sei nicht der Fall gewesen, da A. bereits vor dem (Mit-)Eigentumserwerb Vermieter der Wohnung war.
Nach alledem hätte eine Kündigung wegen Eigenbedarfs sowohl des A. als auch des B. in gleicher Weise vor wie nach der Veräußerung des 1/5-Miteigentumsanteils im Jahr 1997 erfolgen können. Denn auch ein Miteigentümer könne sich ohne Rücksicht auf seine quotielle Beteiligung am Grundstück auf Eigenbedarf gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berufen, da dieser nicht bei allen Mitgliedern einer vermietenden Bruchteilsgemeinschaft vorliegen müsse, sondern es vielmehr genüge, wenn er bei einem Miteigentümer gegeben sei. Damit habe sich das Risiko einer Eigenbedarfskündigung mangels eines Rechtsträgerwechsels infolge der Übertragung des 1/5-Miteigentumsanteils im Jahr 1997 nicht zu Lasten der Mieter erhöht. Die zehnjährige Kündigungssperrfrist habe damit noch nicht am 1.12.1997 zu laufen begonnen.
27.09.2022