Der Ankauf von Belegungsrechten ist eine sehr flexible Art der sozialen Wohnungspolitik. Sie schafft quasi Sozialwohnungen im Bestand. Berlin nutzt allerdings nicht einmal die vorhandenen Sozialbindungen im Sinne der Mieter.
Das Prinzip ist einfach: Die Stadt zahlt dem Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung einen bestimmten Betrag und erwirbt damit für einen festgelegten Zeitraum das Recht, einen Mieter mit Wohnberechtigungsschein dort unterzubringen. Das Wohnungsamt schlägt berechtigte Mieter vor, der Eigentümer wählt dann den Mieter aus. Der Mieter zahlt eine vergünstigte Miete, der Vermieter bekommt von der Stadt zum Ausgleich eine Subvention.
Für die Stadt hat das Verfahren den Vorteil, dass sie viel schneller auf Wohnungsengpässe reagieren kann, als wenn sie erst Sozialwohnungen bauen müsste. Die Belegungsrechte sind auch günstiger als der Neubau. Zudem kann man unabhängig von verfügbarem Bauland gezielt in den Stadtteilen ankaufen, in denen gebundene Wohnungen fehlen, und damit die soziale Mischung beeinflussen. So könnte man zum Beispiel im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo es wenige Sozialwohnungen gibt und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften kaum vertreten sind, ein Wohnungsangebot für Geringverdiener schaffen.
Schnell und punktgenau: Belegungsrechte-Zukauf
Die Stadt Frankfurt am Main bemüht sich intensiv um den Ankauf von Belegungsrechten. Von 2007 bis 2012 hat sie für 696 Wohnungen Belegungsrechte erworben. Hier zahlen die Mieter eine Nettokaltmiete von 5 Euro pro Quadratmeter. Die Differenz zur ortsüblichen Vergleichsmiete trägt die Stadt Frankfurt. Zusätzlich erhalten die Vermieter eine Bonuszahlung in Höhe von 10 Euro pro Quadratmeter und Bindungsjahr. Die Stadt bezahlt beispielsweise für eine 75-Quadratmeter-Wohnung mit 15-jähriger Bindungsdauer insgesamt 38.520 Euro. Die Stadt München hat sich das Ziel gesetzt, jährlich Belegungsbindungen für 200 Wohnungen zu kaufen und stellt dafür pro Jahr fünf Millionen Euro zur Verfügung.
Berlin ist von einem solchen Engagement noch weit entfernt. Wenn Berlin die vorgesehene Neubauförderung von 64 Millionen Euro pro Jahr für den Ankauf von Belegungsrechten einsetzen würde, könnten – dem Frankfurter Preisbeispiel folgend – jährlich bei weiteren 1660 Wohnungen die Mieten für 15 Jahre bei 5 Euro nettokalt gehalten werden.
Freilich: Berlin besitzt schon Belegungsbindungen für insgesamt rund 260.000 Wohnungen – nutzt seine Rechte aber nicht konsequent. „Bevor Berlin Belegungsrechte kauft, sollte es zunächst die bestehenden Belegungsrechte nutzen und endlich mit den Freistellungen aufhören“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Von den 143.000 Sozialwohnungen sind 34.300 von der Belegungsbindung ausgenommen. Dazu gibt es 27.000 Sozialwohnungen, bei denen nach der Streichung der Anschlussförderung sämtliche Bindungen entfallen sind, sowie weitere Sozialwohnungen, deren Belegungsrechte durch Einzelfreistellungen der Bezirke nicht wahrgenommen werden. Genutzt werden die Belegungsbindungen bei den noch 90.000 Wohnungen im Ostteil, die aufgrund der Altschuldenhilfe gebunden sind, sowie bei 28.000 Wohnungen, deren Modernisierung im Rahmen der Stadterneuerung gefördert wurde. Unter dem Strich wird die Belegungsbindung noch bei knapp 200.000 Wohnungen ausgeübt. Darauf kann man sich aber nicht ausruhen, denn die Bindungen laufen in den nächsten Jahren massenhaft aus. Nach einer Prognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt es im Jahr 2022 nur noch 139.000 Wohnungen, bei denen man Belegungsrechte geltend machen kann.
Eine vorsichtige Trendwende hat die Senatskoalition im Mai 2013 angekündigt. Wenn Grundstücke durch Bebauungspläne wertvoller werden – etwa indem eine Brache zu Wohnbauland erklärt wird – möchte Berlin diese Wertsteigerung abschöpfen und unter anderem zum Ankauf von Belegungsbindungen verwenden. Wie oft solch ein Fall vorkommt und welche Summen dabei erlöst werden, ist offen.
Völlig ungelöst ist immer noch das Problem der Miethöhe: Sozialwohnungen sind oft teurer als preisfreie Wohnungen und für die Bedürftigen kaum bezahlbar. Beim Zugang zu den Wohnungen, die tatsächlich noch der Belegungsbindung unterliegen, ist Berlin zudem seit 2002 besonders großzügig. Die Einkommensgrenzen für den Wohnberechtigungsschein (WBS) hat Berlin um 40 Prozent über das bundesweite Limit angehoben. Das heißt, man kann in Berlin mit einem deutlich höheren Einkommen als vom Bundesgesetzgeber gedacht einen WBS bekommen. Theoretisch können 57 Prozent aller Berliner eine Sozialwohnung beziehen. Die wirklich Armen müssen deshalb auch mit Durchschnittsverdienern um die gebundenen Wohnungen konkurrieren. Der Mieterverein schlägt deshalb vor, die Einkommensgrenze auf höchstens 20 Prozent über dem Bundeswert abzusenken. „Damit aber der Soziale Wohnungsbau für diese Haushalte auch bezahlbar wird, muss dringend ein neues Mietensystem, die Richtsatzmiete, eingeführt werden“, fordert Reiner Wild. Die Sozialmieten sollten auf diese Weise im Schnitt auf weniger als 5 Euro pro Quadratmeter festgesetzt werden.
Jens Sethmann
MieterMagazin 1+2/14
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