Mieter müssen für das Fehlverhalten ihrer Gäste gerade stehen. Jedenfalls im Prinzip. Doch es kommt eben auf den Einzelfall an, wie das viel beachtete „Ohrfeigen-Urteil“ aus Neukölln zeigt.
In dem verhandelten Fall hatte der Gast eines Mieters der Hausbesitzerin eine Ohrfeige gegeben. Der Vorfall war Höhepunkt eines jahrelangen Streits. Der Mieter hatte den Bekannten immer wieder bei sich wohnen lassen und ihm auch einen Wohnungsschlüssel gegeben. Die Vermieterin war damit nicht einverstanden, es gab mehrere Abmahnungen. Schließlich kam es zur Eskalation. Bei einer Auseinandersetzung über die richtige Mülltrennung im Haus beleidigte der Besucher die Vermieterin und ohrfeigte sie. Diese erteilte dem rabiaten Gast daraufhin ein Hausverbot. Als der Mieter sich davon nicht beeindrucken ließ und den Bekannten weiter bei sich wohnen ließ, erhielt er eine fristlose Kündigung.
Das Landgericht Berlin erklärte die fristlose und auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung für unwirksam (18. März 2013 – 65 S 494/12 -). Der Mieter müsse sich zwar grundsätzlich das Verhalten eines Mitmieters oder Untermieters anrechnen lassen, nicht aber ohne Weiteres die Handlungen eines Besuchers. Ebenso wie die Vorinstanz, das Amtsgericht Neukölln, bewerte man die Ohrfeige zwar eindeutig als Körperverletzung. Doch der Mieter habe in diesem Fall keinen Einfluss auf die Situation gehabt, daher sei die Kündigung nicht gerechtfertigt.
Gute Gründe für manierliches Verhalten
„Entscheidend ist die Frage, ob der Mieter die Möglichkeit hatte, das Verhalten des Gastes zu beeinflussen“, erklärt der Rechtsexperte des Berliner Mietervereins, Frank Maciejewski. Zwar ist der Mieter grundsätzlich verantwortlich für das vertragswidrige Verhalten seiner Besucher, doch abgesehen davon, dass eine Kündigung stets eine erhebliche, schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt, ging das Gericht hier von einem Exzess des Gastes aus. „Das heißt, die Ohrfeige war nicht vorauszusehen, der Mieter hatte auch keine Chance, sie zu verhindern“, so Maciejewski. Anders sähe es beispielsweise aus, wenn man einen Gast einlädt, der zwei Promille im Blut hat und von dem man weiß, dass er alkoholisiert zu aggressivem Verhalten neigt.
Ähnlich sah es das Amtsgericht Lichtenberg vor einigen Jahren. Bei einer Silvesterfeier waren Briefkästen und Hauswand von Partygästen beschädigt worden. Das rechtfertige aber nicht zwangsläufig die fristlose Kündigung, entschied das Gericht (29. Juni 2005 – 11 C 80/05 -). Ein solcher Grund läge nur dann vor, wenn der Mieter damit rechnen muss, dass seine Gäste Schaden anrichten und er trotzdem nichts dagegen unternimmt.
In dem Neuköllner Fall spielte es zudem eine Rolle, dass die Vermieterin wiederholt unberechtigte Abmahnungen verschickt hatte. Auch das Hausverbot für den Besucher war zuvor gerichtlich aufgehoben worden. Die Vermieterin konnte sich daher auch nicht auf die Zerrüttung des Mietverhältnisses berufen. Zu der habe sie selber beigetragen, so das Gericht.
Grundsätzlich sind Mieter gut beraten, darauf zu achten, dass ihre Gäste nicht über die Stränge schlagen. Wenn ihre Besucher sich daneben benehmen, etwa das Treppenhaus beschädigen, Lärm machen oder in anderer Weise den Hausfrieden stören, drohen dem Mieter Abmahnungen, Schadensersatzansprüche und schlimmstenfalls die Kündigung.
Auf jeden Fall sollte man seine Gäste auch zu einem zivilisierten Verhalten gegenüber dem Vermieter anhalten. Das gilt auch für den Umgang mit dem Hauswart oder vom Vermieter beauftragten Handwerkern. „Ein Freibrief für schlechtes Benehmen ist das Urteil jedenfalls nicht“, warnt Maciejewski.
Birgit Leiß
MieterMagazin 1+2/14
Für Besucher haftet der Mieter – im schlimmsten Fall droht ihm die Kündigung
Illustration: Julia Gandras
Rat und Tat
Besucher brauchen keine Vermieterzustimmung
Grundsätzlich können Vermieter gegenüber unverschämten Besuchern ihrer Mieter ein Hausverbot aussprechen. Dazu muss es aber triftige Gründe geben, eine heftig geführte Meinungsverschiedenheit reicht da nicht aus. Daneben kann auch zivilrechtlich gegen einen störenden Besucher vorgegangen werden, etwa über eine Unterlassungsklage.
Ansonsten gilt: Mieter sind berechtigt, Besucher zu empfangen. Das muss dem Vermieter nicht angezeigt oder gar von ihm genehmigt werden. Als Besucher gelten – nicht zahlende – Gäste, die maximal sechs bis acht Wochen bleiben. Sie sind dann auch in den besonderen vertraglichen Schutzbereich des Mietverhältnisses einbezogen. Das heißt: Wenn ein Gast beispielsweise aufgrund einer losen Treppenstufe stürzt und sich verletzt, kann er Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen.
bl
18.05.2018