Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit war für den Berliner Senat lange Jahre kein Thema. Das soll jetzt anders werden. Auf der 1. Berliner Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe, an der für den Berliner Mieterverein Wibke Werner und Franziska Schulte teilnahmen, wurde unter anderem das Positionspapier „Leitlinien der Wohnungslosenhilfe/-politik“ der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales diskutiert.
4000 bis 6000 Obdachlose leben in Berlin. Dazu kommen nach Schätzungen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales rund 50.000 Wohnungslose, die in Notübernachtungen, bei Bekannten, in Frauenhäusern und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete leben. Genaue Zahlen gibt es nicht. Nur eins steht fest: Die Zahlen steigen ständig. Längst ist das Problem auch in der Mittelschicht angekommen. Um verlässliche Zahlen zu erhalten, will Berlin ab 2019 zweimal jährlich zu einem Stichtag die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ermitteln.
Weitere – wesentlich wichtigere – Ergebnisse der Konferenz sind eine bessere Zusammenarbeit der Bezirke und die Stärkung der bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle. Auch Amtsgerichte und Bezirke sollen bei drohenden Räumungsklagen besser kooperieren, um insbesondere Zwangsräumungen von Familien zu verhindern. Der Senat hat bereits die Mittel für die Wohnungslosenhilfe verdoppelt. Jeder Obdachlose soll eine feste Unterkunft bekommen – wenn er das will.
Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, macht den viel zu geringen Neubau von Sozialwohnungen, den Anstieg der Mieten und den mangelnden Kündigungsschutz für die massiv ansteigende Wohnungslosigkeit mitverantwortlich. Auch die Wohlfahrtsverbände sind skeptisch, ob die angekündigten Maßnahmen ausreichen. Auf der für den Herbst geplanten zweiten Konferenz wird eine erste Bilanz gezogen. Vielleicht ist Berlin dann wirklich eine „Hauptstadt der Herzen“, wie Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbands Berlin, hofft. Das Recht auf Wohnen darf nicht länger nur auf dem Papier stehen.
Rainer Bratfisch
29.01.2018