Weil das Unternehmen „Deutsche Wohnen“ die Beschränkung von Mieterhöhungen durch den Berliner Mietspiegel nicht akzeptieren will, hat es beim Berliner Verfassungsgerichtshof in mehreren Fällen Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Seit mehreren Jahren bekommen Deutsche-Wohnen-Mieter immer wieder Mieterhöhungen, in denen deutlich mehr Miete verlangt wird, als nach dem Berliner Mietspiegel zulässig wäre. Mieter, die sich dagegen gewehrt haben, bekamen vor den Amtsgerichten durchweg Recht. Auch mit ihren Berufungen ist die Deutsche Wohnen vor dem Landgericht Berlin gescheitert. Davon unbeirrt versucht das Unternehmen jetzt in mehreren Verfassungsbeschwerden weiterhin alle juristischen Register zu ziehen.
Die Beschwerden richten sich unter anderem gegen zwei. Urteile des Landgerichts zu Mieterhöhungen im Wilmersdorfer Rheingauviertel. Eine bezieht sich auf den Berliner Mietspiegel 2013, die andere auf den von 2015 – gemeint ist aber der Berliner Mietspiegel an sich.
Im ersten Fall sollte die Mieterin einer 63 Quadratmeter großen Wohnung in der Rauenthaler Straße statt bisher 432 Euro eine Nettokaltmiete von 497 Euro zahlen. Bereits die alte Miete lag über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Begründet hat die Deutsche Wohnen die Erhöhung mit zehn Vergleichswohnungen aus derselben Siedlung. Auch im zweiten Fall ging die Mietforderung über den Mietspiegelwert hinaus: In der Markobrunner Straße sollte die Miete für 46 Quadratmeter von 319 auf 358 Euro erhöht werden. Auf Grundlage des Mietspiegels stimmte der Mieter nur einer Erhöhung auf 337 Euro zu.
In beiden Urteilen haben Amts- und Landgericht festgestellt, dass der Mietspiegel eine geeignete Schätzgrundlage darstellt – unabhängig von der Frage, ob er als „qualifizierter“ oder „einfacher“ Mietspiegel anzusehen sei. Der Berliner Mietspiegel ist demnach ein besserer Maßstab als eine Auswahl von Vergleichswohnungen oder ein Sachverständigengutachten.
Die Deutsche Wohnen behauptet nun nicht nur, dass der Berliner Mietspiegel nicht „qualifiziert“ sei, weil er angeblich nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Sie zieht auch in Zweifel, dass der Mietspiegel eine für Richter geeignete Schätzgrundlage zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein kann. Durch die eingeschränkten Mieterhöhungsmöglichkeiten sieht sie ihr Eigentumsrecht verletzt und zieht deshalb vor den Verfassungsgerichtshof. Ob das Gericht die Beschwerde überhaupt annimmt, ist offen.
Deutsche Wohnen rüttelt am gesetzlichen Rahmen
Die börsennotierte Deutsche Wohnen ist in Berlin mit 110.000 Mietwohnungen das größte Wohnungsunternehmen. Nach Überzeugung des Berliner Mietervereins (BMV) geht es ihr vorrangig darum, bei ihren Mieterhöhungsverlangen auch die sogenannten „Marktmieten“ durchzusetzen, also die Preise, die bei Wiedervermietungen verlangt werden. Das widerspricht aber der Grundidee des Gesetzgebers, denn das System der ortsüblichen Vergleichsmiete, die mit dem Mietspiegel abgebildet wird, soll einen Rahmen für zulässige Mieterhöhungen setzen.
Ohne diese Regelung wäre fast jede erdenkliche Mieterhöhung möglich. BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Setzt sich die Deutsche Wohnen mit diesem Ansinnen durch, dann wäre das soziale Mietrecht in seinem Fundament getroffen.“
Jens Sethmann
Befriedungsinstrument unter Beschuss
Um wie viel sich die Miete einer nicht preisgebundenen Wohnung in einem laufenden Mietverhältnis erhöhen darf, richtet sich neben der allgemeinen Kappung von 15 Prozent in drei Jahren nach der ortsüblichen Vergleichsmiete. In Berlin wird alle zwei Jahre ein neuer Mietspiegel veröffentlicht, mit dem man die höchstzulässige Mieterhöhung errechnen kann. Sowohl Mieter- als auch Vermieterverbände sind an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt. Beiden Seiten gibt der Mietspiegel Rechtssicherheit. Einzelne Vermieter, die den Mietspiegel angreifen, kritisieren angebliche statistische und methodische Mängel, die dazu führten, dass der Mietspiegel nicht das Marktgeschehen wiedergäbe. Es ist jedoch nicht seine Aufgabe, alle Ausschläge des Wohnungsmarktes abzubilden. Deshalb werden Neumieten und Mietänderungen der jeweils vergangenen vier Jahre in die Berechnung einbezogen. Um den Mietspiegel auf eine noch breitere Basis zu stellen und die sich selbst verstärkende Mieterhöhungsspirale abzudämpfen, fordert der Deutsche Mieterbund, künftig mindestens die Mieten der letzten zehn Jahre zu berücksichtigen.
js
Angegriffene Urteile:
LG Berlin vom 13. Juni 2016 – 18 S 36/16
LG Berlin vom 10. November 2016 – 18 S 127/16
29.01.2018