Mit dem Kauf von 3700 Wohnungen für 1 Milliarde Euro in Deutschland sorgte die Rentenkasse PFA aus Dänemark im Sommer 2018 für Schlagzeilen. Das ist kein Einzelfall, immer mehr aus-, aber auch inländische Pensionsfonds sehen in deutschen Wohnimmobilien eine sichere Bank in Zeiten von niedrigen Zinsen. Das hat auch Konsequenzen für Mieter, wie zwei Fälle in Berlin und München zeigen. Die Stadtverwaltungen schnappten dem dänischen Investor 440 Wohnungen weg – aus Sorge um die Mieter.
Der Kauf der dänischen PFA war zwar mit 1 Milliarde Euro der größte im vergangenen Jahr, aber auch andere ausländische Pensionsfonds waren in Kauflaune. Investoren aus den USA, Großbritannien und Frankreich kauften zusammen für weit über eine weitere Milliarde Euro ein, zusammen laut einem Bericht des Immobilienberaters Jones Lang Lasalle der bis dato größte Vermögensaufbau von Pensionskassen und Versicherungen am Wohnimmobilienmarkt. Der Anstieg hat eine einfache Erklärung.
Wer viele Milliarden Euro verwaltet, hat zwar keine Geldsorgen, aber dennoch ein Problem. Seit der Finanzkrise suchen sicherheitsorientierte Großinvestoren händeringend nach stabilen Anlagen mit vernünftigen Erträgen. Die Zeiten von Staatsanleihen mit Renditen ab 4 Prozent aufwärts sind vorbei, heute blicken sie auf äußerst magere Zinssätze.
Pensionsfonds müssen jedoch den Wert des anvertrauten Vermögens wahren. Die PFA spiegelt die Herausforderung beispielhaft. Sie verwaltet 80 Milliarden Euro, von denen rund ein Drittel keine Erträge abwirft. Ohne Strategiewechsel nimmt ihr Geldberg über die Jahre stetig ab. Sie steht also unter Zugzwang, bessere Anlagen zu finden – deutsche Wohnimmobilien sind da eine attraktive Verlockung.
3,5 Prozent sind besser als nichts
In der dänischen Zeitung „Finanswatch“ erklärte der Chef des Immobilienarms der PFA, Michael Bruhn, zur erwarteten Rendite seines Unternehmens: „3,5 Prozent sind im Vergleich zum hohen Einkaufspreis eher niedrig, aber wir haben 200 Milliarden Kronen (26 Milliarden Euro), die absolut nichts einbringen.“ Sein von der Industria Wohnen übernommenes Portfolio ist für ihn daher eine „anleiheähnliche Anlage“. Der Vergleich mag bei Mietwohnungen überraschen, Experten teilen aber diese Sichtweise.
Rein finanziell sind Wohnportfolios vergleichbar mit Staatsanleihen aus besseren Zeiten: Wenig Rendite, dafür verlässlich. Im Gegensatz zu Büro- oder Gewerbeimmobilien, wo Großmieter und Einnahmen wegbrechen können, verhindert die kleinteilige Mieterstruktur von Wohnimmobilien größere Ausfälle. Und besonders in Zeiten von Wohnungsnot gilt: Mieter sind keine Mangelware.
Bisher investierten Pensionsfonds und ähnliche Anleger wegen höherer Renditen bevorzugt in Gewerbeimmobilien. Doch ihr jetzt erstarkendes Interesse an Wohnimmobilien ist an aktuellen Zahlen ablesbar. Lag ihr Anteil an Wohnungsmarkt-Transaktionen 2014 bei rund 4 Prozent, so waren es 2018 knapp 14 Prozent, einer der höchsten Werte bis dato. Bei einem Marktvolumen von 16,3 Milliarden Euro sind das 2,3 Milliarden Euro. Weil Pensionskassen meist direkt kaufen, sind sie auch leicht identifizierbar verglichen mit Investoren, die über Mittler wie Immobilienfonds ihre Spuren verwischen. Insgesamt 22,6 Prozent der Käufer kamen zuletzt aus dem Ausland.
Nicht der Fonds, die Verwaltung ist das Problem
Was bedeutet diese Entwicklung für Mieter? Verglichen mit vielen anderen Investoren bräuchten Mieter sich eigentlich nicht vor ihrem neuen Besitzer PFA zu fürchten. Ein Pensionsfonds ist keine Heuschrecke, die auf schnelle Profite aus ist. Für die Verwaltung seiner Immobilien ist ein ausländischer Investor jedoch auf lokale Partner angewiesen, die PFA wählte das Münchner Unternehmen Domicil Real Estate GmbH. Der Kommentar der Geschäftsführer Khaled Kassair und André Schmöller zum PFA-Deal ließ denn aber aufhorchen: „Das Portfolio bietet reales Potenzial zur Steigerung von Mieteinnahmen.“ Es veranlasste die Stadt München dann zur Ausübung ihres Vorkaufsrechts, als die PFA eine vertragliche Regelung ablehnte, die die Mieter eines ihrer Objekte vor Mieterhöhungen geschützt hätte. Ende November gingen 300 Wohnungen aus dem Vorkauf an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft.
In Berlin gab es einen ähnlichen Fall: Im PFA-Portfolio befand sich ein denkmalgeschützter Wohnkomplex mit 140 Wohnungen in Neukölln. Eine beispielhafte PR-Kampagne der Mietergemeinschaft BoeThie („Böhmische Straße/Thiemannstraße“) veranlasste auch hier den Bezirk zur Ausübung seines Vorkaufsrechts. Dank des Einsatzes mehrerer Mieter, darunter der Studentin Elena Poeschl, hatte es der Widerstand der knapp 300 Mieter in das regionale Fernsehen, in die Wochenzeitung „Die Zeit“, die französische Tageszeitung „Libération“ bis hin in die dänischen Medien geschafft.
Dass Pensionskassen vermehrt in Wohnimmobilien investieren, ist aber nur ein Symptom. Es ist die logische Konsequenz der Privatisierung von Hunderttausenden Wohnungen aus kommunalen Beständen MItte der 2000er Jahre. Diese führte zu spektakulären Preisentwicklungen – so wie bei einem weiteren Berliner Objekt, das die PFA kürzlich erstanden hat: neun Häuser mit 134 Wohnungen in der Gleditschstraße 49-69, einem besseren Wohnviertel in Gehweite zum Potsdamer Platz. Sie waren lange im Besitz der vormals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Gagfah. Sie wurde 2004 privatisiert, der neue Besitzer verkaufte 2008 die Anlage an eine Luxemburger Firma für 2,1 Millionen Euro. 2013 verkaufte diese sie weiter an die deutsche Industria Wohnen AG zu einem nicht bekannten Verkaufspreis. Die Industria verkaufte den energetisch sanierten Komplex 2018 schließlich an die PFA für einen Preis, der zwischen 30 und 35 Millionen Euro lag, genauere Zahlen liegen nicht vor. Nimmt man den unteren Wert dieses Preises, ist das immerhin eine Erhöhung auf 1428 Prozent – und das in nur zehn Jahren. Bewirkt wurde das unter anderem durch Modernisierungen, die Kosten von 7 Millionen Euro haben aber die Mieter bezahlt – die Mieten erhöhten sich um bis zu 30 Prozent.
Da die Kaufsumme dennoch 37,5 mal höher als die jährlichen Mieteinnahmen ist, wird die PFA mit hoher Wahrscheinlichkeit ihren Mieterhöhungsspielraum für die 3260 verbliebenen Wohnungen ausnutzen, um auf ihre Kosten zu kommen.
Dass die Objekte größtenteils ehemals städtische Wohnungen waren, ist aus Sicht der Städte und Mieter besonders bitter. Investoren wie der PFA kann man aber schlechterdings nicht vorwerfen, dass sie von attraktiven Gelegenheiten Gebrauch machen. Vielleicht sollte man sich ein Beispiel an Dänemark nehmen: Das Land hat erfolgreich seinen Wohn-Immobilienmarkt gegen ausländische Investoren geschützt.
Adrian Garcia-Landa
Wie Dänemark seinen Immobilien-Markt schützt
Wer Immobilien in Dänemark kaufen will, muss mindestens seit fünf Jahren im Land ansässig sein. Das gilt für Privatpersonen wie für Gesellschaften, Ausnahmen sind genehmigungspflichtig. Der Ursprung der Regelung liegt im Ferienhaus-Gesetz von 1957. Ziel war die Verhinderung von Preiserhöhungen durch ausländische Käufer, damit auch weniger kaufkräftige Einheimische sich Feriendomizile an den begehrten Küsten leisten konnten. Die Regelung wurde in den Maastricht-Vertrag übernommen. Laut J. Van Gehlen von der Beratungsfirma Dänische Advokaten wäre der Kauf der PFA vermutlich nicht möglich gewesen, hätte Deutschland eine ähnliche Regelung.
agl
26.01.2019