Ein Neuköllner Mietshaus wird bei einer Auktion angeboten. Es soll den Streit beenden, die der Privatvermieter über Jahre mit den Bewohnern hat. Dabei ist er dem Milieuschutz geschickt zuvorgekommen.
Vom geplanten Verkauf ihres Wohnhauses erfuhren die Mieter der Boddinstraße 20 durch zwei Blätter, die jemand an ihre Haustür geheftet hatte: Eine Kapitalanlage mit Potenzial wird darauf angeboten. Für ein Mindestgebot von 6.800.000 Euro wird der 5-geschossige Berliner Altbau auf einer Auktion angeboten: 24 Wohnungen im Vorder- und Gartenhaus plus ausbaufähiges Dachgeschoss und Lagerräume im Souterrain, Baujahr 1909.
„Für uns war es ein Schock“, erklärt eine Bewohnerin, „obwohl wir von unserem Vermieter ja so einiges gewohnt sind.“ Der hatte das Haus zu Beginn der 2000er Jahre für einen Bruchteil der nun geforderten Summe in einer Zwangsversteigerung gekauft. Investiert wurde in den zurückliegenden fast 20 Jahren so gut wie nichts. Nur widerwillig seien notwendigste Reparaturen ausgeführt worden, berichten Mieter. Das sieht man dem Haus an: Die Fassade bröckelt, die Träger der Balkone müssen gegen Rost behandelt werden, und auch das Treppenhaus hat eine Renovierung dringend nötig. Statt Instandsetzungsarbeiten durchzuführen, erhielten die Mieter Ende 2015 eine Modernisierungsankündigung.
„Unprofessionell, unkonkret und rechtlich nicht haltbar“, nennt Rechtsanwältin Petra Goebel diese Ankündigung: „Ich habe inzwischen etliche Mieter vor Gericht vertreten, und sie haben bisher immer Recht bekommen.“ Zum Beispiel, weil Kosten viel zu hoch angesetzt waren.
Bei der Gelegenheit habe man auch erfahren, dass der Eigentümer noch Ende 2015 das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt hat, berichtet eine Mieterin – das war unmittelbar bevor der Kiez um die Boddinstraße zum Milieuschutzgebiet erklärt wurde. Die Aufteilung sei rechtskräftig, erfuhren die Bewohner auf ihre Anfrage beim Bezirksamt Neukölln.
Letzteres sei mit dem Vermieter viel zu nachsichtig umgegangen, befinden heute die Mieter in der Boddinstraße 20. So wurde immer wieder einer Verlängerung für notwendige Sanierungsarbeiten zugestimmt, und es blieb bisher folgenlos, dass auch der Termin für die bezirklich angeordnete Fassadenreparatur verstrichen ist. „Wir sind ein Beispiel dafür, wie der Milieuschutz versagt“, erklärt eine Mieterin. Wilhelm Laumann von der Neuköllner Bezirksleitung des Berliner Mietervereins kann ihr nur Recht geben. Altfälle wie in der Boddinstraße ließen sich mit dem jetzigen Gesetz nicht einfangen, erklärt er.
Allerdings sind auch dem neuen Eigentümer durchaus Grenzen der Verwertung gesetzt. Und er werde sich einer entschlossenen Mietergemeinschaft gegenübersehen, so die Bewohner: „Wir werden uns gegen rücksichtslose Verwertung auf jeden Fall wehren.“
Rosemarie Mieder
02.02.2020