Nichts schweißt eine Hausgemeinschaft mehr zusammen wie der gemeinsame Kampf gegen eine teure Modernisierung oder die Entmietungsversuche eines Neueigentümers. Und manchmal erwächst daraus ein weitergehendes Engagement.
Über ein halbes Jahr lang hatten sich die Mieter der Grunewaldstraße 87 gegen die schlimmen Zustände gewehrt. In dem einstigen „Horror-Haus“ lebten zeitweise Hunderte von Roma-Familien unter katastrophalen Bedingungen. Seit August 2015 ist nun Ruhe eingekehrt. Angespornt vom Erfolg haben sich die Altmieter und andere Anwohner zu einer Initiative zusammengeschlossen. Sie macht sich für Verkehrsberuhigung im Kiez stark und fordert vom Bezirk eine Grundreinigung der nahegelegenen Grünflächen. Einige Familien mussten hier nach der Räumung monatelang campieren. „Wir wollen, dass keine Kinder mehr auf dem Zebrastreifen angefahren werden und sammeln derzeit Unterschriften für die Einführung von Tempo 30“; berichtet Marija Kühn-Dobos.
Gerade wenn es um den Kampf gegen Modernisierung und Umwandlung eines Hauses geht, werden Mietergemeinschaften jedoch auf eine harte Probe gestellt. Zu unterschiedlich sind die Interessen. Einige kassieren hohe Abfindungen oder können ihre Wohnung sogar kaufen, andere werden verdrängt. Genau das wollten die Bewohner der Vorbergstraße 3 vermeiden. Sie wollten sich nicht auseinanderdividieren lassen. Entstanden ist eine außergewöhnliche Hausgemeinschaft – in der sogar einige der neuen Eigentümer die hauseigenen T-Shirts mit dem Slogan „Mieterschutz statt Eigenbedarf“ tragen.
Angefangen hat alles Ende 2013. Nachdem der Schöneberger Altbau an eine norwegische Investmentgesellschaft verkauft worden war, stand die Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen an. „Wir haben uns dann ziemlich schnell zusammengerauft und beschlossen, kreativ zu werden“, erzählt Friederike Sittler. Anknüpfen konnte man dabei an die gewachsene Hausgemeinschaft. Zum kreativen Protest gehört das sogenannte Investoren-Casting. Immer, wenn eine Besichtigung stattfindet, kommen die anderen Bewohner dazu, trinken gemütlich ein Glas Wein und schauen sich die Kaufinteressenten an. Dabei fallen dann auch Bemerkungen wie „An Ihrer Stelle würde ich eine leere Wohnung kaufen.“ Natürlich sind die Möglichkeiten begrenzt, aber einen gewissen Einfluss hat man offenbar: Mittlerweile schicke die Maklerin nur noch Käufer, die ins Haus passen. „Wir haben aber auch keine miese Stimmung gemacht und waren immer nett und freundlich“, erklärt Friederike Sittler den Erfolg.
Mindestens ebenso entscheidend war das solidarische Verhalten aller Bewohner. „Natürlich gab es auch mal Konflikte, aber der Vermieter konnte uns nicht gegeneinander ausspielen, weil wir immer im Bilde waren, wem was angeboten wurde“, so Sittler. Das gilt auch für diejenigen Mieter, die ihre Wohnung gekauft haben. „Ich habe schon öfter in der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Lanze für die Mieter gebrochen“, sagt etwa Kristina Wetzel.
Mittlerweile sind die meisten Wohnungen verkauft. Alle Mieter konnten bleiben. Nach wie vor gibt es regelmäßige Treffen. Außerdem wurde ein Verein gegründet mit dem erklärten Ziel, dass Menschen unterschiedlicher Bildung, Herkunft, Lebensweise, Einkommen und sexueller Orientierung wohnen bleiben können. Auch Eigentümer dürfen Mitglied werden – sofern sie sich dazu verpflichten, auf Eigenbedarfskündigungen zu verzichten und keine Mieterhöhungen über dem Inflationsausgleich vorzunehmen.
Birgit Leiß
Ein Park in Bürgerhand
Der Volkspark Lichtenrade hat eine besondere Geschichte. Ende der 1970er Jahre als Protest gegen die geplante Bebauung quasi besetzt, wird die 46 000 Quadratmeter große Grünfläche seit 1981 von Anwohnern gepflegt und gestaltet. Dazu wurde ein Pachtvertrag zwischen einem Trägerverein und dem Bezirk geschlossen. „Ich möchte etwas für die Allgemeinheit tun, außerdem würde es den Park ohne uns wohl nicht mehr geben“, sagt der Vorsitzende Wolfgang Spranger. Der Bezirk hat kein Geld für die Pflege. Verstärkung kann die Truppe gut gebrauchen. Jüngere Leute, so Sprangers Erfahrung, nutzen den Park zwar gerne, seien aber nicht bereit, sich zu engagieren.
bl
Trägerverein Lichtenrader Volkspark e.V.
Kontakt: Tel. 030-7452630 oder 0162-5454931 (Wolfgang Spranger)
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29.03.2022