Der Mietentisch Gropiusstadt kämpft gegen steigende Mieten infolge energetischer Sanierungen. Byrgit Balder, Marc Bock und Christel Wagner wohnen in unterschiedlichen Häusern des Unternehmens „Gropiuswohnen“ und engagieren sich in der Initiative Mietentisch Gropiusstadt.
MieterMagazin: Hätten Sie sich mal träumen lassen, Demonstrationen zu organisieren und Fernsehteams in Ihrer Wohnung zu empfangen?
Byrgit Balder: Bestimmt nicht. Aber als ich am 2. November 2018 – an das Datum erinnere ich mich noch genau – die Modernisierungsankündigung in den Händen hielt, war ich wütend: Um 168 Euro sollte meine Miete steigen – bei einer Heizkostenersparnis von 4 Euro! Die Gropiusstadt wurde einmal für sozial Schwächere erbaut. Es wäre nicht im Sinne des Architekten Walter Gropius, dass Leute hier ausziehen müssen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Viele Altmieter wohnen hier seit 50 Jahren. Für die geht es jetzt um Existenzielles, und deswegen bin ich auf die Straße gegangen.
Marc Bock: Ich bin 2016 in eine bereits modernisierte Wohnung gezogen. Im Innenstadtring hatten wir nichts Bezahlbares gefunden. Dass ich mich jetzt engagiere, zielt darauf, dass die Mieten nicht weiter steigen.
Christel Wagner: Ich wohne seit 2004 am Sollmannweg. Wir sind hierhergezogen, als mein Mann in Rente ging. Bei uns ist die Miete noch günstig, eine Modernisierung wurde noch nicht angekündigt. Aber ich will auf jeden Fall gewappnet sein.
MieterMagazin: Ist das Unternehmen „Gropiuswohnen“ gesprächsbereit? Was ist das für ein Vermieter?
Marc Bock: Ich bin mir sicher: Wenn wir uns nicht zusammengeschlossen und das Bezirksamt auf den Plan gerufen hätten, wäre das Unternehmen ziemlich skrupellos vorgegangen. Unser Kampf hat auf jeden Fall bewirkt, dass die „Gropiuswohnen“ nicht alles mit uns machen kann. Ich denke, sie wollen dort auf keinen Fall ein Negativ-Image wie die Deutsche Wohnen bekommen.
Byrgit Balder: Wir haben versucht, mit dem Vermieter ins Gespräch zu kommen, aber von der Mieterhöhung rückt er kein Stück ab. Im März 2019 haben wir eine Demo zum Büro der Gropiuswohnen organisiert. Dort hing ein Schild „Wegen technischer Störung geschlossen“. Wir haben uns dann an den Neuköllner Baustadtrat Jochen Biedermann gewandt und um Überprüfung gebeten. Dabei stellte sich heraus, dass gar keine Baugenehmigung vorlag. Weil es ein Hochhaus ist, muss aber ein Antrag gestellt werden. Es folgte dann ein dreimonatiger Baustopp. Im Oktober 2019, nach zahlreichen Protestaktionen, verpflichtete sich die Gropiuswohnen in einer Absprache mit dem Bezirksamt zu einer Kappung bei 2 Euro pro Quadratmeter und Monat – statt der ursprünglich geforderten 2,50 Euro. Diesem Kompromiss haben wir zugestimmt. Solange der Mietendeckel gilt, kann aber nur 1 Euro pro Quadratmeter umgelegt werden.
MieterMagazin: Was wollen Sie als Mieterinitiative erreichen?
Christel Wagner: Dass die Mieten bezahlbar bleiben.
Byrgit Balder: Unsere Erfahrungen an andere Mieter weitergeben und ihnen zur Seite stehen, damit es bei ihnen nicht so krass wird. Wir haben versucht, die anderen Mieter davon zu überzeugen, in den Mieterverein oder in eine Rechtsschutzversicherung einzutreten. Man kann sich nicht alles gefallen lassen, man muss sich wehren.
Marc Bock: Mir geht es nicht nur um Symptombekämpfung. Wir streben die Rekommunalisierung an, nur so können solche Preistreibereien langfristig gestoppt werden. Es ist doch klar, dass eine Aktiengesellschaft nicht im Sinne der Mieter handelt. Denen geht es um Profitmaximierung, nicht um das Wohl der Mieter …
Byrgit Balder: … denn den Aktionären wurde versprochen, dass die Rendite steigt.
Das Interview führte Bigit Leiß.
Mieterproteste an der Tagesordnung
Seit 2018 brodelt es in der einstigen Großsiedlung des Sozialen Wohnungsbaus im Süden Neuköllns. Es begann im Löwensteinring 23/25. Dort wollte die Gropiuswohnen, die in der Großsiedlung rund 4240 Wohnungen aus dem ehemaligen Bestand des Wohnungsunternehmens Gehag besitzt, energetisch sanieren. Die Mieter protestierten und erreichten, dass die Firma, die für die chaotisch ausgeführte Asbestsanierung verantwortlich war, ausgewechselt werden musste. Auf die Mieterinitiative Löwensteinring folgte die Mieterinitiative ULLI („Ullrich-von-Hassell-Weg 5-7/Lipschitzallee 59/61“). Der Mietentisch Gropiusstadt ist die übergreifende Organisation im Stadtteil.
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Das MieterMagazin stellt an dieser Stelle in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
29.01.2021