Das Bundesverfassungsgericht hat im Januar die Verhandlung über die Grundsteuer begonnen. Die Richter ließen durchblicken, dass sie die auf uralten Einheitswerten beruhende Berechnung nicht für verfassungsgemäß halten. Mieter- und Naturschutzverbände fordern seit Jahren eine grundlegende Reform.
Die Grundsteuer ist eine Steuer auf den Grundstücksbesitz. Mit jährlich rund 13 Milliarden Euro gehört sie zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Berlin hat im Jahr 2017 damit 804 Millionen Euro kassiert.
Die Berechnung ist kompliziert. Zugrunde liegt der Einheitswert, den das Grundstück im Jahr 1964 hatte. Im Osten ist das Basisjahr sogar 1935. Ausschlaggebend für die Höhe dieses Werts ist der damalige Jahresrohmietenertrag. Der Einheitswert wird dann mit der Grundsteuermesszahl multipliziert, die sich daraus ergibt, wie das Grundstück genutzt wird. Schließlich wird dieser Wert mit dem Hebesatz multipliziert. Den Hebesatz können die Städte selbst festlegen. Er variiert zwischen 0 Prozent – zehn Gemeinden erheben überhaupt keine Grundsteuer – und 960 Prozent im hessischen Nauheim. Unter den Großstädten hat Berlin mit 810 Prozent nach Duisburg den zweithöchsten Hebesatz.
Durch diese Berechnung kommt es zu sehr unterschiedlichen Steuerbelastungen von vergleichbaren Häusern – auch innerhalb derselben Stadt. So ist im Ostteil Berlins wegen des älteren Basiswerts die Grundsteuer im Schnitt niedriger als im Westteil. Zu weiteren Verzerrungen kommt es, weil jahrzehntelang eine Neubewertung der Grundstücke unterlassen wurde. Zwischenzeitliche Modernisierungen, altersbedingter Wertverlust oder die allgemeine Marktentwicklung bleiben unberücksichtigt. Die Einheitswerte weichen mittlerweile je nach Gebäudealter und Lage stark von den aktuellen Verkehrswerten ab. Im Jahr 2014 kam der Bundesfinanzhof zu der Erkenntnis, dass die Steuerberechnung nicht mehr mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes im Einklang steht, und rief das Bundesverfassungsgericht an.
Dass Reformbedarf besteht, ist schon seit Langem offensichtlich. Seit über 20 Jahren streiten sich die Länder und der Bund um eine Neuregelung – bis heute ergebnislos. Drei in den Jahren 2010 und 2011 vorgelegte Modelle wurden von den Finanzministern der Länder verworfen. Ein Kompromissvorschlag von Niedersachsen und Hessen fand 2016 die Zustimmung des Bundesrates, wurde aber im Bundestag nie behandelt. Allen Modellen gemeinsam ist, dass weiterhin sowohl der Grund und Boden als auch die darauf stehenden Immobilien in die Steuerberechnung einbezogen werden. Dafür müssten alle Gebäude amtlich neu bewertet werden. Schätzungsweise dauert das zehn Jahre.
Auch die Bodensteuer ist kein Allheilmittel
Von Bund und Ländern nicht ernsthaft geprüft wurde das Modell der reinen Bodensteuer, bei dem die Bebauung der Grundstücke außer Betracht bleibt. Das Bündnis „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ wirbt seit 2012 dafür. Zu den Unterstützern zählen über 50 Bürgermeister und Verbände wie der Deutsche Mieterbund (DMB), der Naturschutzbund NABU und das Institut der deutschen Wirtschaft. Mit der reinen Bodensteuer würde sich die Grundsteuer für Mehrfamilienhäuser in Städten verringern, für unbebaute, aber bebaubare Flächen jedoch deutlich erhöhen. Damit gäbe es einen Anreiz, innerstädtische Baulücken zu schließen. „Die Bodensteuer ist gleichermaßen plausibel, sozial und gerecht“, sagt DMB-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten.
„Mit einer solchen Umstellung der Grundsteuer entfiele auch die Umlagemöglichkeit der Grundsteuerkosten auf die Mieter“, ergänzt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. „Eine Bodenwertsteuer wäre eine klare Eigentumssteuer, die in der Miete nichts zu suchen hätte.“ Wild warnt aber auch vor der Illusion, mit einer Grundsteuerreform ließe sich der Anstieg der Bodenpreise verhindern. „Wir brauchen dringend neue planungsrechtliche Instrumente, um den Preisaufauftrieb bei Grund und Boden zu verhindern“, so Wild.
Jens Sethmann
Grundsteuer belastet Mieter
Die Grundsteuer kann über die Betriebskostenabrechnung vollständig auf die Mieter abgewälzt werden. Voraussetzung ist, dass dies im Mietvertrag vereinbart ist. In aller Regel ist das so. Nach der Berliner Betriebskostenübersicht 2017 müssen Mieter im Mittel monatlich 28 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche für die Grundsteuer zahlen. Die Spannweite ist riesig: Das Gros der Mieter zahlt zwischen 14 und 46 Cent pro Quadratmeter. Diese breite Streuung zeigt, dass die Berechnung nicht mehr zu sachgerechten und nachvollziehbaren Ergebnissen führt.
js
27.02.2018