Ein Vermieter schlägt Zinsen bereits getilgter Darlehen auf die Miete auf, und verteuert Wohnungen, die mit hohen Subventionen öffentlich gefördert worden sind: Das erlaubt das Gesetz bei Sozialwohnungen und leistet damit der Preistreiberei bei den Mieten Vorschub. Auf dem Tisch des Senats liegt ein Entwurf des Rechtswissenschaftlers Martin Schwab von der Universität Bielefeld, der diesem Missstand Einhalt gebieten will. Das MieterMagazin hat mit ihm gesprochen.
MieterMagazin: Ende letzten Jahres haben Sie dem Berliner Senat den Entwurf einer Rechtsverordnung übergeben, mit dem die derzeitige Berechnung der Kostenmiete im Sozialen Wohnungsbau korrigiert werden soll. Was hat es damit auf sich?
Schwab: Es geht darum, ein Schlupfloch im derzeit in Berlin geltenden Sozialwohnungsrecht zu stopfen, das für Mieter fatale Folgen haben kann. Kurz gesagt: Ein Eigentümer darf Zinsen für Darlehen selbst dann noch auf die Kostenmiete aufschlagen, wenn die Kredite längst zurückgezahlt sind.
MieterMagazin: Was heißt das für den Mieter?
Schwab: Im Sozialen Wohnungsbau ist die Kostenmiete die Miete, die ein Vermieter verlangen darf, um ein Objekt zu finanzieren und zu bewirtschaften. Wenn der Kauf des Grundstücks und der Bau des Objekts mit Krediten finanziert wurden, fallen Darlehenszinsen an. Diese Zinsen gehen dann in die Berechnung der Kostenmiete ein. Wir haben in Berlin das Problem, dass die Objekte des öffentlich geförderten Sozialen Wohnungsbaus zu teilweise irrsinnig hohen Kosten hochgezogen wurden. Das bedeutet, dass auch entsprechend hohe Zinslasten angefallen sind. Die Kostenmieten in Berlin sind daher teilweise deutlich höher als die ortsübliche Vergleichsmiete auf dem privaten Wohnungsmarkt. Die Darlehenszinsen sind dabei der ganz große Preistreiber. Es wirkt sich dann noch fataler aus, wenn der Eigentümer Zinsen, die er selbst nicht mehr zahlen muss, auf die Miete umlegt.
MieterMagazin: Aber gebaut wurden diese Wohnungen doch gerade für jene, die hohe Mieten nicht zahlen können…
Schwab: … und damit diese in den Förderobjekten auch tatsächlich wohnen konnten, hat das Land Berlin die Mieten mit Unsummen von Geld heruntersubventioniert. Da sollte man eigentlich erwarten dürfen, dass der Eigentümer im Gegenzug Maß hält und in die Kostenmiete nur solche Positionen einfließen lässt, die bei ihm selbst tatsächlich Kosten verursachen. Wenn das nämlich nicht geschieht, werden ausgerechnet die Mieten im Sozialen Wohnungsbau künstlich aufgeblasen.
MieterMagazin: Wie bei den Fällen in Neukölln am Maybachufer 40-42 und in der Manitiusstraße 17-19.
Schwab: Dramatische Fälle. Die Förderung für die Objekte ist zum 31. Dezember 2017 ausgelaufen. Die jetzige Eigentümerin hat die letzte Möglichkeit vor dem Auslaufen der Sozialbindung genutzt und zum 1. Dezember 2017 eine drastische Mieterhöhung geschickt.
MieterMagazin: War denn das Problem den politisch Verantwortlichen nicht bekannt?
Schwab: Das gesamte Feld des öffentlichen geförderten Sozialen Wohnungsbaus ist juristisch komplex. Aber bekannt war die Schwachstelle im Gesetz durchaus, die die Vermieterin hier bedenkenlos ausgenutzt hat. Man hätte die Lücke längst beseitigen müssen. Meine Vorlage hat das Ziel, dieses Schlupfloch zu stopfen, solange ein Objekt noch in der Förderung ist. Den Mietern am Maybachufer und in der Manitiusstraße wird das nicht mehr helfen, aber vielleicht anderen, die in eine ähnlich prekäre Lage kommen können.
Wird der Vorschlag versanden?
MieterMagazin: Wie geht es jetzt weiter?
Schwab: Der Verordnungsentwurf liegt auf dem Tisch des Senats, der ihn – zumindest dem Vernehmen nach – prüfen will. Aber ehrlich gesagt befürchte ich, dass er dort versanden wird. Dabei verlangt es gerade in Berlin, wo in den zurückliegenden Jahren dramatische Fehlentscheidungen getroffen wurden, nach klaren und mieterfreundlichen gesetzlichen Lösungen.
Das Interview führte Rosemarie Mieder.
Auslöser „Mani & May“
Anlass für den Entwurf der Rechtsverordnung durch Martin Schwab war die Mieterhöhung in den Wohnhäusern am Maybachufer 40-42 und in der Manitiusstraße 17-19. Sie wurden 1980 im Rahmen des staatlich geförderten Wohnungsbaus errichtet. Viele der 99 Mietparteien sind Alleinerziehende, Senioren, Studenten und auch Hartz-IV-Empfänger. Das könnte sich bald ändern: Die Vermieterin, die Maybach GmbH & Co. KG., hat das Auslaufen der Sozialbindung Ende letzten Jahres zum Anlass für eine gewaltige Mieterhöhung genommen – von 7,43 Euro auf 9,82 Euro nettokalt. „Entmietungsstrategie“ nennt das die Mieterinitiative „Mani & May“. Gerade an der Grenze zum hippen Kreuzkölln sollten die Wohnbestände aufgewertet werden und deutlich mehr Rendite abwerfen. Die Vermieterin geht dabei einen Weg, den das derzeit geltende Recht zulässt: Sie legt Zinsen für bereits getilgte Darlehen auf die Miete um und nutzt so ausgerechnet die einstige Förderung, um die Preise in die Höhe zu treiben. Ob sie tatsächlich so viel Miete mehr verlangen kann, darüber liegt die Eigentümerin jedoch derzeit im Rechtsstreit mit der Investitionsbank Berlin (IBB).
rm
27.02.2018