Die Mieter der Anzengruberstraße 24 haben sich sicher gefühlt vor dem Monopoly in Neukölln. Die ehemalige Besitzerin hatte ihr Haus 1995 dem gemeinnützigen Evangelischen Johannesstift vermacht. Doch nun bangen die Bewohner um ihr Zuhause.
Kurz vor Weihnachten wurde der Altbau mit 36 Wohnungen verkauft. Der Name des Käufers wird noch geheim gehalten. Die Mieter fühlen sich indessen getäuscht. „Wir verlieren die Gemeinnützigkeit und sind mit einem privaten Eigentümer allen Risiken des Marktes ausgesetzt“, sagt Lieke Rahn von der „Anzi 24“, wie sich die Hausgemeinschaft nennt. Sie fordert, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht zugunsten einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft oder einer Genossenschaft ausübt. „Wir sind ein typisches Neuköllner Biotop, hier wohnen Menschen vom Baby bis zur 78-Jährigen“, hieß es bei einer Protestaktion Anfang Februar. Viele hätten nur ein kleines Einkommen und seien auf die bezahlbaren Mieten angewiesen.
Beim Johannesstift versteht man die Aufregung nicht. Mit einer Sozialcharta will man die Bestandsmieter 15 Jahre lang schützen. Die Kritik der Mieter: Die Charta sei kaum das Papier wert, auf dem sie steht. So sind Eigenbedarfskündigungen 15 Jahre lang ausgeschlossen – nur drei Jahre länger als ohnehin in einem Milieuschutzgebiet. Auch der Schutz vor „missbräuchlichen Modernisierungsmaßnahmen“ entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Vor allem aber kritisiert die Hausgemeinschaft, dass die Umwandlung in Eigentumswohnungen nicht ausgeschlossen wurde. Die eigentliche Gefahr für Mieter bestehe nicht in der Umwandlung, sondern in der daraus eventuell folgenden Geltendmachung von Eigenbedarf, erklärt Lilian Rimkus, Sprecherin des Johannesstifts. Dass die Sozialcharta kaum über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht, weist sie mit Nachdruck zurück.
Der Berliner Mieterverein sieht das anders und unterstützt die Mieter. Nach Auskunft von Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Bündnis 90/Die Grünen) wird derzeit mit dem Käufer verhandelt. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts endete am 23. Februar (nach Redaktionsschluss des MieterMagazins).
Birgit Leiß
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28.03.2022