Aus der Wohnungstür im Erdgeschoss dringt miefiger Geruch, in der Wohnung nebenan wird Fisch gebraten, und wenn der Nachbar zum Rauchen auf den Balkon geht, zieht der Zigarettenqualm ins darüber liegende Schlafzimmer. Müssen Nachbarn das ertragen? Wann muss ein Vermieter Abhilfe schaffen?
Friedhelm Adolfs hat die Kündigung seiner Wohnung erst mal vom Tisch: Mitte Februar entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Fall des rauchenden Rentners aus Düsseldorf neu verhandelt werden muss – wegen Rechtsfehlern (VIII ZR 186/14). Die Bundesrichter haben damit das Urteil des zuständigen Landgerichts aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung und Aufklärung zurückverwiesen. Die Richter des Landgerichts hatten es im Juni 2014 als „schwerwiegenden Pflichtverstoß“ bewertet, dass der 76-Jährige seine Aschenbecher nicht leerte und die Nachbarn mit dem Geruch seiner vielen Zigaretten belästigte. Die Vermieterin hatte Adolfs den Mietvertrag nach mehr als 40 Jahren gekündigt.
Nun sollen erst einmal Beweise für die Belästigung erbracht werden. Kurz zuvor hatte der BGH ein durchaus vergleichbares Urteil gefällt. Dabei ging es um den Rechtsstreit zwischen einem Ehepaar und den rauchenden Nachbarn auf dem Balkon in der Wohnung unter ihnen. Rauchen gehöre grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Wohnung, entschied der Bundesgerichtshof (V ZR 110/14). Allerdings dürften sich andere Hausbewohner nicht gestört fühlen.
Belästigung bedarf des Beweises
Die Beurteilung ist eine Gradwanderung, wie aus der Erklärung des BGH deutlich wird: „Es kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen.“ Wie schwierig solch ein Ausgleich ist und wie unterschiedlich juristische Bewertungen ausfallen, zeigen das Urteil im Düsseldorfer Fall und einem weiteren, das ein Ehepaar aus dem brandenburgischen Premnitz betraf. Während in Düsseldorf die Juristen der Vermieterin Recht gegeben hatten, wiesen im Brandenburger Fall sowohl das zuständige Amtsgericht Rathemow (4 C 300/13) als auch das Landgericht Potsdam (1 S 31/14) die Klage beziehungsweise die Berufung der sich belästigt fühlenden Nachbarn zurück. Begründung: ein Rauchverbot auf dem privaten Balkon sei nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Dort werde in Artikel 2 Absatz 1 das Recht auf freie Lebensführung ausdrücklich geschützt. Die Juristen beim BGH haben versucht, die Rechte beider Seiten zu berücksichtigen: das der Raucher und das der Mitmieter, nicht belästigt zu werden. Allerdings – so fordern beide BGH-Urteile – müssen Beweise für eine ernsthafte Belästigung vorgebracht werden.
Die Entscheidung sei sachgerecht, meint Stefan Schetschorke vom Berliner Mieterverein. Er verweist aber auch auf Vermieterpflichten: Unangenehme Gerüche und schädlicher Qualm dringen ja nicht etwa nur durch offene Fenster und Türen. Sie kommen durch Ritzen im Mauerwerk, undichte Fugen oder verteilen sich über fehlerhafte Abluftanlagen von Wohnung zu Wohnung. Für solche Belästigungen können Haus- und Wohnungseigentümer in die Pflicht genommen werden: „Raucht ein Mitmieter so exzessiv, dass der Zigarettenrauch durch Decke und Wände in eine Nachbarwohnung dringt“, entschied das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, „kann der betroffene Mieter vom Vermieter Abhilfe durch Instandsetzung (Abdichtung) verlangen, so dass kein Zigarettenrauch (abgesehen von geöffneten Fenstern oder durch Außentüren) in die Wohnung eindringt.“ (211 C 3/07)
Rosemarie Mieder
Mietminderung zulässig?
Wenn sich Beteiligte nicht einigen können, haben nichtrauchende Nachbarn durchaus das Recht, ihre Miete zu mindern. Die Höhe hängt dabei immer vom Einzelfall ab. Das Hamburger Landgericht hielt beispielsweise eine fünfprozentige Mietminderung für gerechtfertigt (27 C 1549/13). Das Berliner Landgericht sah sogar eine Minderung von 10 Prozent als angemessen an (67 S 307/12). Da Mietminderungen immer ein juristisch vermintes Gebiet sind, sei auch hier darauf hingewiesen, vor entsprechenden Schritten den Rat des Mietrechtsexperten einzuholen.
rm
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30.07.2017