Eine laute Bahnstrecke, Platz auf einer Tiefgarage und eine schwierige Hanglage – solchen und anderen schwierigen Bausituationen stellten sich Architekturbüros und lieferten in einem Wettbewerb Entwürfe für experimentelles und auch kostengünstiges Bauen. Ein Wettbewerb der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kürte die Gewinner. Bemerkenswert: Die Pläne sollen auch realisiert werden.
24 Entwürfe waren nach dem Aufruf an Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungsbaugenossenschaften, Baugruppen, Sozialträger und private Bauherren bei Senatsbaudirektorin Regula Lüscher eingegangen – darunter viele innovative Lösungen. So sollen Wohnungen auf einer ehemaligen Tiefgarage gebaut werden. Ein privater Bauherr erhöht einen dreigeschossigen Altbau um weitere vier Geschosse. Und es entstehen Wohnungen und Wohnplätze auf einer Hanglage, die für eine Bebauung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Gebaut wird kostengünstig, mit alternativen Materialien und Fertigteilen.
Die Idee experimentellen Bauens sei es, so Lüscher, über Pilotprojekte neue Ansätze im Wohnungsbau zu erproben. Um dies zu fördern, hat ein vom Berliner Abgeordnetenhaus eingerichtetes „Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ (SIWA) 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bauherren erhalten einen Baukostenzuschuss von 55.000 Euro pro Wohnung und 22.500 Euro pro Wohnheimplatz. Dafür müssen sie sich verpflichten, die Wohnungen für eine Anfangsmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter (kalt) zu vermieten – soviel, wie die durchschnittliche Anfangsmiete in einer neuen Sozialwohnung in Berlin kostet. „Wir haben neun Projekte ausgewählt, die wir auf dem Weg der Umsetzung finanziell begleiten“, gab die Senatsbaudirektorin am Ende über die Wettbewerbsentscheidung bekannt. In deren Jury war auch der Berliner Mieterverein (BMV) beratend tätig gewesen.
Dies sind die Gewinnerprojekte:
Am Nettelbeckplatz im Wedding errichtet die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 einen Neubau innerhalb einer Wohnanlage aus den 1960er Jahren. Sie setzt ein achtgeschossiges Punkthaus auf eine ehemalige Tief-/Hochgarage, die zum Teil abgerissen und überbaut wird. Das erspart Gründungs- sowie Abbruchkosten.
Zu den bereits bestehenden 164 Wohnungen kommen 46 neue hinzu. Dort sollen – nach dem Wusch der Vermieter – auch wieder mehr jüngere Bewohner und Familien einziehen. Geplant wurde die Wohnungsanlage vom Büro „Tafkaoo Architects“.
In der Neuköllner Rollbergstraße plant die Stiftung Edith Maryon gleich zwei Projekte. In einem davon sollen 30 temporär mietbare Wohneinheiten entstehen, die für eine bestimmte Zeit beispielsweise an Wissenschaftler, Künstler, aber auch Flüchtlinge vermietet werden können. Die Grundrisse der beiden drei- bis sechsgeschossigen Kopfbauten, die über ein Treppenhaus miteinander verbunden sind, wurden variabel und offen für verschiedene Nutzer konzipiert. Im Erdgeschoss soll es Studios und Werkräume geben. „Carpaneto Schöningh Architekten“ haben die Pläne dafür entworfen und Holz als Baumaterial für das mehrgeschossige Gebäude vorgesehen.
Besondere Wohnformen plant die gemeinnützige Gesellschaft für StadtEntwicklung in der Rathenower Straße in Moabit als Neubau mit insgesamt mehr als 70 Wohnungen beziehungsweise Wohnplätzen in Sonderwohnformen. Auf dem dafür vorgesehenen Areal war eine Bebauung bisher nicht vorgesehen, so dass mit den Plänen von S.E.K. Architektinnen auch ein ganz neues Baugrundstück geschaffen wurde. Die Brückengänge sind als Fluchtwege für Wohngemeinschaften vorgesehen, so dass zusätzliche Treppenhäuser gespart werden konnten.
In der Lynarstraße im Wedding will die Wohnungsbaugesellschaft „Am Ostseeplatz“ entlang der S-BahnLinie bauen. Das Grundstück war ursprünglich für eine Gewerbenutzung vorgesehen, nun sollen auf sechs Geschossen rund 60 Wohnungen und dazu Flächen für Ateliers und Werkstätten entstehen. Die gewerblichen Flächen werden sich im Bereich an der Bahn befinden und zum Lärmschutz für die Wohnungen beitragen. Gebaut werden soll mit einer hochregallagerartigen Holzkonstruktion. Ideen und Entwurf dazu kommen vom Büro „Carpaneto Schöningh Architekten“.
In der Amrumer Straße im Wedding will das Wohnungsunternehmen Gewobag gemeinsam mit der „Studentendorf Schlachtensee Genossenschaft“ zwei sich gegenüberliegende Gebäuderiegel errichten. Auf jeder Etage wird es Flächen geben, die die Gebäude miteinander verbinden und gemeinschaftlich genutzt werden können. Es entstehen über 50 Mietwohnungen und Angebote für Wohngemeinschaften. Der Entwurf stammt vom Büro „Carpaneto Schöningh Architekten“ mit Anne Berthod.
Ein privater Bauherr stockt ein Gebäude in der Habersaathstraße in Mitte auf. In modularer Holzbauweise werden auf das bisher dreistöckige Haus noch vier weitere Geschosse aufgesetzt – eine konstruktive Herausforderung, betonte Bau-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup. Im Erdgeschoss soll Gastronomie Platz finden, darüber Studenten in Gemeinschaftswohnungen und die oberen Etagen sind für luxuriöse Mietwohnungen vorgesehen. „Jan Wiese Architekten“ lieferten dazu den Entwurf.
In der Kreuzberger Ohlauer Straße wollen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und das Wohnungsunternehmen Howoge ein Wohnprojekt für verschiedene soziale Gruppen realisieren. Standort: das Gelände der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule. Beispielsweise Studenten oder auch Flüchtlinge könnten dort in 121 vorwiegend kleine Wohnungen einziehen. Im Erdgeschoss ist eine Kiezbibliothek vorgesehen. Die Wohnungen werden über Laubengänge miteinander verbunden, es sollen kleine öffentliche Terrassen zum Hof entstehen. Der Entwurf für das Neubauprojekt stammt aus dem Büro von „Zappe Architekten“.
Rosemarie Mieder
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26.01.2017