Deutschland ist die viertreichste Nation der Welt, das Bruttoinlandsprodukt befindet sich auf einem Rekordhoch. Aber die Armut nimmt zu. Der Paritätische Gesamtverband ermittelte für seinen Armutsbericht 2017 einen Anstieg der Armut in Deutschland auf 15,7 Prozent. Besonders gefährdet seien Rentner, kinderreiche Familien, Arbeitslose, Alleinerziehende und hier lebende Ausländer.
Eine Person gilt nach einer Definition des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales als armutsgefährdet, wenn ihr Äquivalenzeinkommen die Armutsgefährdungsschwelle – 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Nettoäquivalenzeinkommen – unterschreitet. Zum Nettoeinkommen zählen auch Wohngeld, Kindergeld und -zuschlag, andere Transferleistungen und sonstige Zuwendungen. Ein Single, der weniger als 917 Euro netto verdient, eine Alleinerziehende mit einem Kind unter sechs Jahren und einem Nettoverdienst von 1192 Euro und eine vierköpfige Familie, die zwischen 1978 und 2355 Euro netto im Monat zur Verfügung hat, gelten nach dieser Definition als arm. In Berlin stieg die Armutsquote von 19,7 im Jahre 2005 auf 22,4 Prozent im Jahre 2015. Die deutsche Hauptstadt gilt damit als „armutspolitische Problemregion“.
Aber es gibt auch Kritik an den Zahlen des Armutsberichts. Steigt zum Beispiel das mittlere Einkommen stärker als die unteren Einkommen, nimmt die Armut statistisch zu. In der Statistik werden auch Studierende und Auszubildende erfasst, die in der Regel ein sehr niedriges Einkommen haben. Rein rechnerisch würde sich die Armutsquote auch dann nicht verändern, wenn plötzlich alle das Doppelte verdienen würden. Statistiker wie Professor Dr. Walter Krämer von der Technischen Universität Dortmund plädieren derweil dafür, Armut an den Dingen festzumachen, die ein Mensch braucht, um nicht mehr als arm zu gelten – dazu gehört auch das Wohnen.
Am 27. und 28. Juni 2017 findet in Berlin der zweite Armutskongress statt. Der Deutsche Mieterbund engagiert sich im Bündnis „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle!“ für einen sozial- und steuerpolitischen Kurswechsel und die Verringerung der sozialen Ungleichheit.
Rainer Bratfisch
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21.11.2020