Immer mehr bundesdeutschen Haushalten wird der Strom abgeklemmt, weil sie ihre Rechnung nicht zahlen können. In Berlin ist dagegen ein rückläufiger Trend zu beobachten. Ein Phänomen, für das offenbar niemand eine Erklärung hat.
Im Jahre 2014 hat die Zahl der Stromsperren in Deutschland ein neues Rekordniveau erreicht. Nach einem Ende 2015 veröffentlichten Bericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt wurde 352.000 Haushalten der Strom abgestellt. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um 7000 Fälle. Grund sind fast immer Zahlungsrückstände.
In Berlin sinkt dagegen die Zahl der Stromunterbrechungen seit Jahren. Gab es 2014 noch 16.000 Fälle, waren es im Vorjahr nur noch 15.000, so der Sprecher von Stromnetz Berlin. Als Netzbetreiber ist man hier für die Durchführung von Stromsperren zuständig – unabhängig davon, bei welchem Anbieter der Kunde seinen Strom bezieht. Eine Erklärung für die abweichende Berliner Entwicklung hat man weder bei Stromnetz Berlin noch beim Stromversorger Vattenfall. „Die Frage ist doch eher, warum die Stromsperren bundesweit zunehmen“, meint Unternehmenssprecher Olaf Weidner.
Doch hier muss man nicht lange nach Gründen suchen. Das Phänomen der Energiearmut ist seit Jahren bekannt. So belegt eine aktuelle Studie von Caritas und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, dass der Regelsatz für Stromkosten beim Arbeitslosengeld II (ALG II) nicht ausreicht, um die Ausgaben zu decken. Monatlich fehlen fünf bis elf Euro im Budget. Wird Warmwasser mit einem Boiler erzeugt, sind es sogar bis zu 19 Euro. Als beschämenden Ausdruck sozialer Kälte bezeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband die Zunahme der Stromabschaltungen. „In einer modernen Gesellschaft muss das Abschalten von Strom bei armen Menschen als barbarisch bezeichnet werden“, empört sich Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Insbesondere Menschen, die ALG II oder Altersgrundsicherung beziehen, müssten in die Lage versetzt werden, ihre Stromrechnungen zu bezahlen.
Birgit Leiß
Die Studie von Caritas und ZEW zur Energiearmut
bei Hartz-IV-Beziehern im Internet unter
www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/sozialpolitik/
energiearmut/zu-wenig-geld-fuer-strom
29.02.2016