Derzeit sammelt eine von der FDP angeschobene Volksinitiative Unterschriften für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Nach dem Planfeststellungsbeschluss von 2004 muss Tegel sechs Monate nach Inbetriebnahme des neuen Großflughafens BER schließen. Die Volksinitiative ignoriert die Gefahren und Lärmbelastungen, denen hunderttausende Berliner beim weiteren Betrieb des innerstädtischen Flughafens ausgesetzt wären.
Rund um den Flughafen Tegel ist der Lärmschutz völlig unzureichend. Mit Blick auf die vermeintlich baldige Schließung hat man die Lärmschutzbereiche auf dem Stand von 1976 belassen und keine weiteren Vorkehrungen getroffen.
Nach dem 2007 neu gefassten Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm gibt es drei Schutzzonen. In der am stärksten lärmbelasteten Tag-Schutzzone 1 ist der Bau von neuen Wohnungen grundsätzlich verboten. In der Tag-Schutzzone 2 dürfen Wohnungen nur mit ausreichenden Schallschutzvorrichtungen errichtet werden. Schulen und Kindertagesstätten dürfen in beiden Tag-Schutzzonen nicht angesiedelt werden. Bei Flughäfen mit Betrieb zwischen 22 und 6 Uhr gibt es zudem noch eine Nacht-Schutzzone, in der ebenfalls keine neuen Wohnungen erlaubt sind. In keinem der Lärmschutzbereiche dürfen Krankenhäuser oder Altenheime gebaut werden.
Bei neuen oder wesentlich erweiterten Verkehrsflughäfen wie dem BER liegen die Grenzwerte für die Tag-Schutzzone 1 bei 60 Dezibel (dB), für die Tag-Schutzzone 2 bei 55 dB und für die Nacht-Schutzzone bei 50 dB. Dabei ist die an- und abschwellende Lärmbelastung des Flugverkehrs auf einen durchschnittlichen Dauerschallpegel umgerechnet. Wer in den Schutzzonen wohnt, hat Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen, in der Regel den Einbau von Schallschutzfenstern mit Lüftungsvorrichtungen.
Nicht so bei den bestehenden Flughäfen. Hier gelten auch jeweils um fünf Dezibel höhere Grenzwerte, die Schutzzonen sind also kleiner. Beim Flughafen Tegel ist der Schutz sogar noch schlechter: Die 1976 festgelegte Schutzzone 1 mit mehr als 75 dB liegt fast nur auf dem Flughafengelände, die Schutzzone 2 mit mehr als 67 dB reicht von der Residenzstraße in Reinickendorf bis zur Spandauer Neustadt. Es gibt hier keine Nacht-Schutzzone, obwohl bis 24 Uhr geflogen wird.
Berlin-Tegel ist der deutsche Flughafen mit den meisten Lärmbetroffenen. Hier werden 20.500 Menschen mit einem extrem lauten Tagesmittel über 65 dB beschallt. Sie wohnen also ohne Schallschutz in Bereichen, wo wegen des Lärms keine neuen Wohnungen entstehen dürfen. Das sind fast dreimal so viele wie an allen anderen deutschen Flughäfen zusammen.
Wollte man den Flughafen Tegel auch nach der BER-Eröffnung weiter nutzen, bräuchte er eine neue Betriebsgenehmigung mit den aktuellen Lärmgrenzwerten. In der Tag-Schutzzone 1 würden dann 109.300 Einwohner leben, in der Tag-Schutzzone 2 weitere 131.200.
Hunderttausend neue Schallschutzfenster?
Wenn man dort auch nach 22 Uhr fliegen wollte, kämen bis zu 54.000 Menschen in der Nacht-Schutzzone hinzu. Das bedeutet, zwischen Malchow und Falkensee hätten rund 150.000 Wohnungen einen Anspruch auf Schallschutz. Zum Vergleich: Beim BER werden laut Prognose trotz wesentlich mehr Flugbewegungen 8700 Menschen in der Schutzzone 1, 30.200 in der Schutzzone 2 und 6200 in der Nacht-Schutzzone leben.
Beim Vergleich von Lärmwerten ist zu beachten, dass die Einheit Dezibel nicht linear ansteigt. Ein Schritt von zehn Dezibel mehr nimmt man jeweils als Verdoppelung der Lautstärke wahr. Eine Reduzierung von 65 auf 55 dB klingt geringfügig, ist aber eine Halbierung des Lärms.
Jens Sethmann
Fluglärm im Mietrecht
Wer in eine Wohnung in einer bestehenden Einflugschneise einzieht, kann sich später nicht auf einen Mangel berufen und die Miete mindern. In der Nähe eines Flughafens gilt Fluglärm als ortsüblich und ist deshalb hinzunehmen.
Im Berliner Mietspiegel wird Fluglärm und sonstiger Umgebungslärm bei der Spanneneinordnung einbezogen. Er gilt in der Merkmalsgruppe Wohnumfeld als wohnwertminderndes Merkmal. In der Online-Mietspiegelabfrage wird die Lärmbelastung der Adresse automatisch berücksichtigt.
js
Weitere Informationen zum Thema Fluglärm:
- Karte der festgelegten Fluglärmschutzbereiche für Tegel und Schönefeld/BER:
www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/kb706.htm - Strategische Lärmkarten aus dem Umweltatlas:
www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/ka705.htm - Online-Mietspiegelabfrage:
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/ - BMV-Info 96: Lärmbelästigungen – Das ABC der häufigsten Streitpunkte
23.03.2017