In Berlin kennt die Mietenentwicklung seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Auch wenn die aktuellen Berichte zum Wohnungsmarkt eine leichte Abschwächung des Anstiegs feststellen, bleibt der Trend für Mieter mit mittleren und niedrigen Einkommen bedrohlich.
Bei den Wohnungsangeboten stieg die mittlere Nettokaltmiete im Jahr 2018 auf 10,32 Euro pro Quadratmeter – 5,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist das Ergebnis des Wohnungsmarktberichts der Investitionsbank Berlin (IBB). Nur noch neun Prozent aller angebotenen Mietwohnungen waren für unter 7 Euro pro Quadratmeter zu haben. In der Innenstadt liegen die Angebotsmieten fast flächendeckend über 12 Euro.
Die Zahl der neu gebauten Wohnungen ist mit knapp 16.000 im Jahr 2017 so hoch wie seit 1998 nicht mehr. Dennoch hält der Neubau mit dem Bevölkerungswachstum von derzeit 32.000 Personen jährlich noch nicht mit. Es dauert mittlerweile 28 Monate, bis ein Geschosswohnungsbau fertig ist, ein halbes Jahr länger als noch 2013. Der Neubau ist für Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher nicht die einzige Lösung: „Wir brauchen den Zweiklang aus Wohnungsneubau und wohnungspolitischen Maßnahmen für den Bestand.“
Die Kluft zwischen der Miete und dem Einkommen wächst weiter: „Das verfügbare Einkommen hat gerade mal halb so stark zugenommen wie die ortsübliche Vergleichsmiete“, sagt der Autor des Berichts, Arnt von Bodelschwingh: „Wir kommen mit einer sehr hohen Geschwindigkeit in der Realität westdeutscher Großstädte an.“
Zu ähnlichen Zahlen kommt der Wohnungsmarktbericht von CBRE und Berlin Hyp: Er hat eine mittlere Angebotsmiete von 10,34 Euro pro Quadratmeter festgestellt – eine Abweichung von den Zahlen der IBB um 2 Cent. „Auch wenn sich das Mietpreiswachstum in Berlin ein wenig verlangsamt hat, ist darin kein Trend zu erkennen“, erklärt Berlin-Hyp-Vorstand Gero Bergmann. Die 10-Euro-Schallmauer sei schon in sieben Bezirken durchbrochen. In Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf liege der Schnitt bereits über 12 Euro.
Auch die Kaufpreise für Wohnungen, Häuser und Grundstücke stiegen im Jahr 2018 etwas langsamer als in den Vorjahren, doch der Trend zeigt immer noch steil nach oben. Das ergeben die Zahlen des Gutachterausschusses für Grundstückswerte, der alle 27.266 im vorletzten Jahr notariell beurkundeten Berliner Immobilienkäufe ausgewertet hat.
Der Handel mit Wohnimmobilien floriert weiter. Die mittleren Kaufpreise für Mietwohnhäuser sowie für Wohn- und Geschäftshäuser haben innerhalb eines Jahres um 10 Prozent zugenommen. 2017 betrug dieser Anstieg noch 15 Prozent. Die steigenden Kaufpreise werden über kurz oder lang auf die Mieten durchschlagen.
BMV: Schwerpunkte sind richtig gesetzt
„Der Mietenanstieg ist trotz Mietpreisbremse und Anstieg der Baufertigstellungen dramatisch“, kommentiert Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). „Eine Innenstadt, in der Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen keine Wohnung mehr finden, darf es nicht geben.“
Der BMV weist darauf hin, dass laut IBB-Bericht die Angebotsmieten der Genossenschaften und städtischen Wohnungsunternehmen mit 7,05 Euro beziehungsweise 7,11 Euro pro Quadratmeter deutlich unter dem Durchschnittspreis von 10,58 Euro der privaten Anbieter liegen. Zudem bauen die kommunalen Wohnungsunternehmen sechs Monate schneller als private Bauherren. Dies zeige, „dass der stärkere Fokus auf die kommunalen Wohnungsunternehmen ein richtiger Schwerpunkt der aktuellen Landespolitik ist“, so Wild.
Jens Sethmann
Kaum Spekulation mit Baugrundstücken?
Der Bericht der IBB hat den sogenannten Bauüberhang unter die Lupe genommen. Knapp 59.000 Wohnungen wurden noch nicht gebaut, obwohl eine Baugenehmigung vorliegt. „Das ist der höchste Bauüberhang, den wir je hatten“, sagt IBB-Vorstand Jürgen Allerkamp. Der Befürchtung, hier werde in großem Stil mit baureifen Grundstücken spekuliert, widerspricht er. 95 Prozent der genehmigten Wohnbauprojekte würden innerhalb von drei Jahren begonnen. „Eine mögliche Spekulation spielt demnach, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle“, so Allerkamp. „Das heißt nicht, dass es keine Spekulation gibt“, schränkt Senatorin Lompscher allerdings ein. Denn die unbekannte Zahl baureifer Grundstücke, für die noch keine Baugenehmigung beantragt oder nur ein Bauvorbescheid erteilt wurde, fehlt in der Untersuchung.
js
25.05.2020