Anfang des Jahres hat die Genossenschaft DIESE eG Darlehensverträge mit der Investitionsbank Berlin über 22 Millionen Euro abgeschlossen, um sechs Häuser mit 160 Wohnungen in Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg erwerben zu können. Bei Neuvermietungen hat der Senat ein Belegungsrecht für 25 Prozent der Wohnungen. Für zwei Häuser gibt es zusätzlich Senatszuschüsse von insgesamt 1,46 Millionen Euro mit weiteren 25 Prozent Belegungsrechten.
MieterMagazin: Bei einer Insolvenz – wie sie Ihrer Genossenschaft vor einiger Zeit drohte – hätten die Mitglieder der DIESE eG nicht nur die erhoffte Absicherung ihrer Wohnungen verloren, sondern auch ihre Genossenschaftseinlagen. War allen bewusst, dass sie mit den eingezahlten oder gezeichneten Genossenschaftsanteilen in Höhe von 500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche haften?
Landwehr: Dass das mit der Insolvenz so ein Thema wurde, hing damit zusammen, dass sich die Zahlung der öffentlichen Darlehen verzögert hatte. Es gab grundsätzliche Zusagen von öffentlicher Seite, sie waren nur noch nicht schriftlich vereinbart. Eine Verpflichtung für uns, etwas zu bezahlen, ohne im Gegenzug ein Haus dafür zu bekommen, bestand nicht. Den Mitgliedern war klar, dass die Beteiligung an der Genossenschaft zu 100 Prozent Risikokapital ist, das steht in den Beitrittserklärungen. Aber möglicherweise liest das der Einzelne nicht.
MieterMagazin: Ursprünglich hatten Sie für alle Häuser Förderdarlehen und Zuschüsse vom Land Berlin erwartet. Was bedeutet es für die Wirtschaftlichkeit der Genossenschaft, dass nun nicht alle acht Häuser gefördert werden?
Landwehr: Das bewirkt, dass wir mehr Darlehen brauchen und die Abzahlung länger dauert. Nach 30 Jahren haben wir noch 70 Prozent Schulden. Auf die Nutzungsentgelte hat das keinen Einfluss.
MieterMagazin: Ursprünglich hatten Sie mit erheblichen höheren freiwilligen Mietzahlungen der Mitglieder kalkuliert. Welche Auswirkungen hat der Mietendeckel auf die Mieten – die sogenannten Nutzungsentgelte – in Ihren Häusern?
Zunächst kein weiterer Erwerb geplant
Landwehr: Die Mieten in den Häusern sind sehr unterschiedlich: sie liegen teils bei 8 Euro nettokalt, teils bei 3,50 Euro. Wir haben mit den Mitgliedern besprochen, dass wir mindestens 6,50 bis 7 Euro brauchen und haben eine Vereinbarung über freiwillige Mieterhöhungen getroffen mit denen, die damit einverstanden waren. Dabei haben wir zwei Begrenzungen: Die Mieten bei der Übernahme und die ortsüblich zulässige Nettokaltmiete. Bei diesen Häusern kriegt man auskömmliche Mieten nur dadurch hin, dass die Einlagen in die Genossenschaft sehr hoch sind.
MieterMagazin: Wir geht es nun weiter? Werden Sie weitere Häuser erwerben, und wie lässt sich das Insolvenzrisiko zukünftig vermeiden?
Landwehr: Wir werden zunächst keine weiteren Häuser erwerben, sondern das Vorhandene konsolidieren. Wir haben in den Häusern auch einiges zu bauen. Und wir entwickeln ein Modell für einen genossenschaftlichen Verbund, der pro Haus eine kleine Genossenschaft betreibt, mit einem gemeinsamen kaufmännischen Verwaltungsbereich. Die Idee ist eine Stiftung, die ein Erbbaurecht an jede Genossenschaft vergibt. In den ersten 30 Jahren nimmt sie so gut wie keine Erbpacht, und danach, wenn eine Genossenschaft schuldenfrei ist, wächst die Zahlung, damit man neue Projekte angehen kann.
Interview: Elisabeth Voss
Holpriger Anfang
Die DIESE eG wurde 2019 gegründet, um Häuser in Milieuschutzgebieten zu erwerben, für die die Bezirke ihr Vorkaufsrecht ausüben können, landeseigene Wohnungsunternehmen eine Übernahme aus Kostengründen aber ablehnen. Das Eigenkapital wird neben den Genossenschaftseinlagen der Mitglieder aus Förderdarlehen der Investitionsbank Berlin (IBB) und Senatszuschüssen aus dem Genossenschaftsförderprogramm aufgebracht. Die ersten Häuser wurden erworben, als die öffentlichen Mittel nur in Aussicht gestellt, aber noch nicht bewilligt waren. Medien und Politik kritisierten den Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt für seine Zusammenarbeit mit DIESE eG. Als Schmidt den Vorkauf für das Haus Rigaer Straße 101 in Friedrichshain rückgängig machen wollte, weil DIESE eG die Immobilie nicht finanzieren konnte, drohte dem Bezirk ein erheblicher finanzieller Schaden. Daraufhin sprang die Wohnungsgenossenschaft „Am Ostseeplatz“ ein und übernahm das Haus.
ev
27.03.2020