Was tun, wenn Vorkaufsfälle die Möglichkeiten landeseigener Wohnungsunternehmen überschreiten? Der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat hatte die Idee zu einer neuen Genossenschaft. Das ungewöhnliche Modell kann funktionieren, wird aber wohl eine Randerscheinung bleiben.
Der Ausverkauf der Stadt schreitet voran. Diesem Problem möchte eine neu gegründete Genossenschaft etwas entgegensetzen: die „DIESE eG“. Vorstand Werner Landwehr stellte sie Mitte Juni 2019 in der Forum Factory vor. Die Genossenschaft war eine Woche zuvor gegründet worden und hatte bereits für drei Häuser, die in Milieuschutzgebieten verkauft worden waren, den Erwerb zugesagt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg machte sein Vorkaufsrecht zugunsten der Genossenschaft geltend, für etwa 70 Wohnungen und ein Investitionsvolumen von knapp 16 Millionen Euro. Mittlerweile sind sechs Häuser dazu gekommen, drei davon in Tempelhof-Schöneberg.
Die Idee zur Genossenschaft kam vom grünen Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt, als er im Mai 2019 gleichzeitig 13 Vorkaufsfälle in Milieuschutzgebieten auf dem Tisch hatte. Angesichts spekulativ überhöhter Preise lehnen landeseigene Wohnungsunternehmen trotz Zuschüssen aus dem Landeshaushalt den Erwerb oft ab, weil er für sie nicht wirtschaftlich wäre.
Die DIESE eG soll eintreten, wenn landeseigene Wohnungsunternehmen nicht wollen, und wenn keine Abwendungserklärung unterzeichnet wurde, mit der sich der Erwerber verpflichten würde, stärkere oder längerfristigere Auflagen einzuhalten, als sie im Milieuschutzgebiet ohnehin gelten.
Voraussetzung für ein Engagement der neuen Genossenschaft ist, dass die Bewohnerinnen und Bewohner sich „mit großer Mehrheit und nach Möglichkeit vollständig“ für DIESE eG entscheiden und bereit sind, sich mit einer Einlage von 500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche an der Genossenschaft zu beteiligen. Vom MieterMagazin gefragt, wie das für Leute mit geringem Einkommen möglich sein soll, erläutert Genossenschaftsvorstand Landwehr: „Kaum jemand hat dieses Geld, fast alle müssen es in der ein oder anderen Form finanzieren.“ Dies sei mit dem Programm der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) zur Förderung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen möglich. Bei einem Zinssatz von einem Prozent resultiere eine monatliche Belastung von 2,30 Euro pro Quadratmeter. Das Geld sei im Übrigen nicht verloren, sondern angespartes Vermögen. Bei geringem Einkommen käme auch ein Programm der Investitionsbank Berlin (IBB) infrage. Für Menschen mit Hartz IV-Bezug gebe es „aktuell zwei noch nicht verbindlich geregelte Wege“, entweder zeichne und zahle das Jobcenter die Genossenschaftsanteile und behalte sie im eigenen Vermögen, oder das Bundesprogramm „existenzsichernde Maßnahmen“.
In den Häusern, die sich hilfesuchend an DIESE eG wenden, gibt es bereits eine aktive Zusammenarbeit und Selbstorganisation der dort Wohnenden. Die Genossenschaft regt an, die zur Finanzierung auch erforderlichen freiwilligen Mieterhöhungen sozial zu staffeln.
Gegen die Probleme des entfesselten Wohnungsmarktes wird DIESE eG grundsätzlich nichts ausrichten können. Sie kann jedoch einen Schutz für die Häuser darstellen, deren Mieterinnen und Mieter sich auf die Bedingungen der Genossenschaft einlassen wollen und können.
Elisabeth Voß
29.08.2019