Unsanierte Wohngebäude verbrauchen bis zu dreimal so viel Heizenergie wie Neubauten. Wie wichtig es ist, sie energetisch zu modernisieren, bezweifelt deshalb kaum jemand. Die Deutsche Energie-Agentur geht davon aus, dass das meist sogar warmmietenneutral, also bei letztlich gleichbleibender Miete, möglich ist. Andere bestreiten das.
Ein gelungenes Beispiel für eine warmmietenneutrale Modernisierung steht im Spandauer Schwendyweg. Hier hat die Charlottenburger Baugenossenschaft sechs Wohngebäude aus den 1950er Jahren komplett wärmegedämmt und ein Mini-Blockheizkraftwerk (BHKW) für die Wärme- und Stromversorgung der Bewohner installieren lassen. Die zahlen zwar auf der einen Seite für die Modernisierung 84 Cent pro Quadratmeter und Monat mehr an Kaltmiete, sparen aber auf der anderen Seite 87 Cent pro Quadratmeter an Heizkosten. Rudolf Orlob, Vorstand der „Charlotte“, sieht diese warmmietenneutrale Modernisierung allerdings nicht unbedingt als Modell für andere Gebäudeeigentümer. Denn der Gebäudekomplex in Spandau ist nicht beziehungsweise nicht mehr finanziell belastet und die Investition auf eine langfristige Amortisation angelegt.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) geht allerdings in einer zusammen mit dem Institut Wohnen und Umwelt (IWU) erstellten Sanierungsstudie davon aus, dass hocheffiziente Modernisierungen bei sanierungsbedürftigen Wohngebäuden in den meisten Fällen nicht zu einem Anstieg der Warmmiete führen. Die Rede ist von Gebäuden mit einem sehr hohen Jahres-Energiebedarf von durchschnittlich 225 Kilowattstunden pro Quadratmeter für Heizung und Warmwasser. Hier seien Einsparungen um bis zu 75 Prozent möglich. Bei fast der Hälfte aller Wohnhäuser in Deutschland stünden in den nächsten 20 Jahren ohnehin Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten an. Die sollten Eigentümer nutzen, um ihr Gebäude gleich auch energetisch fit zu machen.
Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung energetischer Modernisierungen unterscheidet die Dena zwischen den Kosten für wohnwertverbessernde Maßnahmen, Instandsetzungskosten und energieeffizienzbedingten Mehrkosten. Sei zum Beispiel die Außenwand eines Mehrfamilienhauses sanierungsbedürftig und müsse erneuert werden, würden die Kosten für Gerüstaufstellung, Putzentfernung und -erneuerung ohnehin anfallen, aber keinen zusätzlichen energetischen Mehrwert bringen. „Wird die Gelegenheit genutzt und gleich eine energieeffiziente Wärmedämmung installiert, führt dies bei nur sehr geringen Mehrkosten zu merklichen Energieeinsparungen.“
Zwischen 45 und 70 Prozent der insgesamt anfallenden Kosten entfielen auf die reine Instandsetzung, wie die Dena aus den Daten ihres Modellvorhabens „Niedrigenergiehaus im Bestand“ ermittelt hat. 350 ganz unterschiedliche Gebäude waren dabei energetisch modernisiert worden. Werde der Energieverbrauch eines stark sanierungsbedürftigen Gebäudes um rund 60 Prozent auf Neubauniveau gesenkt, würden sich die energieeffizienzbedingten Mehrkosten im Schnitt auf 80 Euro, die Sanierung insgesamt auf circa 275 Euro pro Quadratmeter belaufen. Bei der deutlich besseren Sanierung zum „Effizienzhaus 70“ beziehungsweise einer Energieeinsparung von etwa 75 Prozent erhöhten sich die Mehrkosten für die bessere Energieeffizienz auf 158 Euro pro Quadratmeter. Bis zu diesem Standard könne der Vermieter seine Kosten decken, ohne die Mieter stärker zu belasten.
Staatliche Förderung kann die Lücke schließen
Einer Modernisierungsumlage von 82 Cent pro Quadratmeter und Monat stünden Energiekosteneinsparungen von 92 Cent pro Quadratmeter und Monat gegenüber. Teurer wird die Warmmiete laut Dena erst bei einer Sanierung zum „Effizienzhaus 55“ beziehungsweise einer Energieeinsparung von 80 Prozent: Die energieeffizienzbedingten Mehrkosten lägen dann im Schnitt bei 230 Euro pro Quadratmeter. Die Kaltmiete steige um 1,17 Euro, die Einsparung liege hingegen bei nur 0,99 Euro pro Quadratmeter und Monat. Eine finanzielle Förderung aus Bundes- oder Landesmitteln könne diese Lücke jedoch verkleinern.
Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, schätzt die möglichen Einsparungen sehr viel geringer ein: „In der Regel ergibt sich bei einer umfassenden Sanierung im energetisch sanierten Altbau ein maximales Einsparpotenzial von circa 50 Cent pro Quadratmeter und Monat.“ Nur in Einzelfällen seien 70 oder 80 Cent möglich. Zudem würden sich die wenigsten energetischen Modernisierungen innerhalb von 20 bis 30 Jahren rechnen. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Eigentümerverband Haus & Grund argumentieren gegen die Studie, es müssten stets die Vollkosten der Maßnahme angesetzt werden. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild, stellt jedoch klar, dass Instandsetzungsarbeiten keinesfalls auf die Miete umgelegt werden dürfen: „Lediglich bei bestimmten wohnwertverbessernden Maßnahmen ist strittig, welchem Posten sie zugeschlagen werden können: zum Beispiel wenn im Bad aus energetischen Gründen neue Stränge verlegt werden und dann gleich der ganze Raum neu gefliest wird.“
Schiefe Ausgangsbetrachtung?
Der GdW argumentiert auch, dass die Dena die durch die Modernisierung entstehenden neuen Kosten vernachlässige, etwa für Instandhaltung und Wartung von Lüftungs- und Solaranlagen. Mit der energetischen Sanierung würden häufig aber auch die Betriebskosten gesenkt, kontert Dena-Sprecherin Christina Rocker. „Es wurden deshalb in der Durchschnittsberechnung der Gesamtmaßnahmen weder Mehr- noch Minderkosten angesetzt.“
Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann kritisiert weiter, dass die Dena für ihre Muster-Berechnungen ausschließlich Gebäude heranziehe, die in einem verheerenden energetischen Zustand seien und einen hohen Instandsetzungsbedarf hätten. „So lässt sich jede energetische Modernisierung als wirtschaftlich darstellen.“ Auf mindestens 90 Prozent des Wohnungsbestandes träfen diese Bedingungen jedoch gar nicht zu. Tatsächlich basiert die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Dena nach eigenen Angaben lediglich auf etwa 15 Prozent des Mietwohnbestandes in Deutschland mit besonders hohem Energieverbrauch und hohem Instandsetzungsbedarf. Die Vorgehensweise sei dennoch seriös. „Aus Sicht der Dena ist es notwendig, den Gebäudebestand in sinnvollen Schritten zu sanieren“, erläutert Rocker. „Das bedeutet, dass sanierungsbedürftige Gebäude, deren Sanierungszyklus ohnehin ansteht, zuerst angegangen werden.“ Die Dena-Berechnungen haben allerdings auch für Reiner Wild vom BMV eher Modellcharakter. „In der Praxis sind warmmietenneutrale energetische Sanierungen nach unserer Erfahrung die Ausnahme und ohne öffentliche Fördermittel nahezu unmöglich.“ Am besten gehe die Rechnung auf, wenn in kleinen Schritten modernisiert werden könne: In einem Gründerzeithaus in Charlottenburg-Wilmersdorf sei zum Beispiel zunächst nur die Heizung auf Solarthermie umgestellt worden. Warmmietenneutral – allerdings auch dank öffentlicher Förderung.
Kristina Simons
MieterMagazin 5/11
Modernisierungszuschlag gleich Energiekostenersparnis: Am Schwendyweg geht die Rechnung auf
Foto: Christian Muhrbeck
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Ob sich Wärmedämmung und der Einsatz erneuerbarer Energien auch unter Kostengesichtspunkten rechnen, hängt von der Gebäudesubstanz und -technik ab
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Vorschlag zur Güte
Der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) schlagen eine Mustervereinbarung für die energieeffiziente Gebäudemodernisierung vor: Zum Beispiel müssen die baulichen Maßnahmen nachhaltig und spürbar Energie einsparen. Mieter sind dann in der Regel zur Duldung der zuvor dargelegten Maßnahmen verpflichtet. Der Vermieter soll statt bisher elf maximal sechs Prozent der Investitionskosten auf die Mieter umlegen dürfen und müsse nicht nachweisen, ob und welche Fördermittel er in Anspruch genommen hat.
ks
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Der Bedarf ist groß
Laut Dena sind 70 Prozent der rund 18 Millionen Wohngebäude in Deutschland vor 1978 und damit vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet worden. Sie verbrauchen besonders viel Energie. Nur zwölf Prozent der bestehenden Heizungsanlagen seien auf dem aktuellen Stand der Technik, viele sogar älter als 20 Jahre. Zahlreiche Gebäude seien ungedämmt, die Fenster erneuerungsbedürftig.
ks
Download der Dena-Sanierungsstudie:
www.dena.de
05.02.2018