Ein aktuelles Gerichtsurteil stärkt die Rechte betagter Mieter: Zwei Senioren dürfen trotz Räumungsklage in ihrer Wohnung bleiben. Das Gericht sieht in ihrem Alter einen besonderen Härtegrund.
Das Landgericht Berlin hat Mitte März ein richtungsweisendes Urteil gefällt: Es entschied, dass zwei 87- und 84-jährige Senioren in ihrer Wohnung bleiben dürfen, in der sie seit 1997 leben. 2015 hatte die Wohnungseigentümerin die Kündigung wegen Eigenbedarfs eingereicht. Dem widersprachen die Mieter mit Verweis auf ihr Alter, ihren gesundheitlichen Zustand, ihre Verwurzelung im Kiez und beschränkte finanzielle Mittel. Nachdem das Amtsgericht Mitte die Räumungsklage Ende 2018 in erster Instanz abgewiesen hatte, zog die Vermieterin vors Landgericht.
Dessen 67. Zivilkammer entschied nun, dass „der Verlust der Wohnung – unabhängig von dessen gesundheitlichen und sonstigen Folgen – für Mieter hohen Alters eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutet. Damit sah eine Kammer des Landgerichts Berlin zum ersten Mal allein schon im Alter eine Härte, ohne dass es auf weitere Umstände ankäme.
Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, äußerte sich erfreut über das Urteil. Es sei vor dem Hintergrund deutlich zunehmender vorgeschobener Eigenbedarfskündigungen besonders relevant. Er forderte zudem, in der sogenannten „Sozialklausel“ im Bürgerlichen Gesetzbuch festzuschreiben, dass eine Härte dann vermutet wird, wenn ein Mieter das 70. Lebensjahr vollendet hat oder eine Wohndauer von mehr als zehn Jahren besteht.
Katharina Buri
Mehr zum Urteil (67 S 345/18) unter Mietrecht: „Sozialklausel“
Weitere Informationen unter
BMV-Info 120: Die Sozialklausel – Kündigungswiderspruch nach § 574 BGB
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28.03.2022