Eigenbedarf für das Au-pair-Mädchen, Kündigungen wegen verweigerter Modernisierungsarbeiten, Räumungsurteile wegen angeblich überzogener Mietminderung – die Liste solcher Gerichtsurteile aus den letzten Jahren ist lang. Für Vermieter war es noch nie so einfach, unliebsame Mieter loszuwerden. Dabei sind die Folgen ungleich dramatischer als noch vor fünf oder zehn Jahren. Weil sich häufig keine bezahlbare Wohnung in gleicher Lage findet, geht mit dem Zuhause auch das soziale Umfeld verloren. Droht eine Kündigung, ist eine gute anwaltliche Vertretung unverzichtbar. Werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, kann mancher Kündigungsversuch erfolgreich abgewehrt werden.
Claes Meyers tragischer Fall fand dank eines engagierten Anwalts ein glückliches Ende. Der sehbehinderte Mieter und seine blinde Lebensgefährtin waren im Juli 2014 durch Polizei und Gerichtsvollzieher zwangsweise geräumt worden – für die beiden eine traumatische Erfahrung, die sie bis heute nicht verwunden haben. Die Genossenschaft GeWoSüd hatte ihnen die Wohnung in der Tempelhofer Eythstraße wegen angeblicher Zahlungsrückstände in Höhe von circa 800 Euro gekündigt. Dabei ging es um diverse Aufrechnungen wegen Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung, einer strittigen Mieterhöhung sowie einer vereinbarten Umzugsentschädigung, die der Vermieter noch nicht ausbezahlt hatte. Claes Meyer sagt, er habe das Kündigungsschreiben nie bekommen. Weil er nicht reagierte, erging ein sogenanntes Versäumnisurteil. Darin wurden die beiden Mieter zur Räumung der Wohnung verurteilt. Erst einige Wochen später wurde ihnen das Urteil in blindengerechter Form zugänglich gemacht. Claes Meyer legte sofort Einspruch ein. Noch bevor darüber entschieden war, beauftragte die Genossenschaft den Gerichtsvollzieher mit der Räumung. „Leider habe ich viel zu spät einen Anwalt eingeschaltet“, räumt Claes Meyer selbstkritisch ein. Dabei ist er seit vielen Jahren Mitglied im Berliner Mieterverein.
Ein Kampf bis heute
Nach der Räumung schlief Meyer eine Zeitlang auf dem Sofa von Bekannten, bis er schließlich übergangsweise in der Wohnung eines sozialen Trägers unterkam. Seine Lebensgefährtin wurde in einer Kriseneinrichtung untergebracht. Im April dieses Jahres kam dann die gute Nachricht: Das Gericht hatte das Versäumnisurteil aufgehoben. Ein zur Kündigung berechtigender Mietrückstand habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, so die Amtsgerichtsabteilung. Rechtsanwalt Cornelius Krakau hatte die Forderungen und Gegenforderungen im Detail zusammengestellt – und das Gericht vollständig überzeugt. Die Genossenschaft konnte weder den Zugang des Kündigungsschreibens beweisen noch einen Bankbeleg für die angeblich gezahlte Entschädigung vorlegen. Am liebsten hätte die GeWoSüd das Mietverhältnis gegen eine Abfindung beendet, doch Claes Meyer bestand darauf, wieder in seine alte Wohnung zurückzuziehen. Bis heute kämpft er um Schadensersatz, denn sein Vermieter hat den Großteil seines Mobiliars entsorgt. „Unsere Möbel, Bücher in Blindenschrift, persönliche Erinnerungsstücke – alles ist weg!“
Der Fall zeigt: Wenn es um Zahlungsrückstände geht, kennen Vermieter und Gerichte kein Pardon. Kündigungsrelevant ist nicht erst ein Rückstand von zwei Monatsmieten, sondern bereits eine Monatsmiete plus ein Cent, wie der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahre 2012 entschied (BGH vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12). Zwar ist eine fristlose Kündigung nach dem Gesetz erst bei einem Mietrückstand von zwei Monatsmieten zulässig. Eine ordentliche, also fristgemäße Kündigung, so der BGH, kann jedoch bereits dann ausgesprochen werden, wenn der Rückstand eine Monatsmiete übersteigt. Das ist auch deswegen so fatal, weil lediglich eine fristlose Kündigung durch vollständige Zahlung der Mietschulden „geheilt“ werden kann. Innerhalb von zwei Jahren darf man davon aber nur einmal Gebrauch machen. Eine fristgemäße Kündigung dagegen kann auch durch vollständige Begleichung der Mietschulden nicht abgewendet werden. Insofern kann man von Glück sprechen, wenn der Vermieter „nur“ fristlos kündigt. Meist werden jedoch gleichzeitig die ordentliche und die fristlose Kündigung ausgesprochen – und Mieter verlieren auch dann ihre Wohnung, wenn sie ihre Mietschulden auf Heller und Cent zurückbezahlt haben.
Besonders tragisch: In dem Fall, der dem genannten BGH-Urteil zugrunde liegt, hat eine Behörde den Rückstand zumindest mitverantwortet. Hartz-IV-Bezieher Dieter Scholz hatte über ein Jahr lang nicht bemerkt, dass das Jobcenter zwar die Grundmiete, nicht jedoch einen erhöhten Heizkostenvorschuss an seine Vermieterin überwies. Daraufhin erhielt er eine ordentliche Kündigung. Kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist bezahlte Scholz die ausstehende Summe. Das Jobcenter ging, warum auch immer, fortan davon aus, dass Dieter Scholz nicht mehr an dieser Adresse wohnte und stoppte die Mietzahlung. Daraufhin erfolgte eine zweite Kündigung wegen Zahlungsverzugs. „Ich bin sofort zum Jobcenter gegangen und habe den Irrtum aufgeklärt“, sagt Scholz. Man habe ihm zugesichert, dass die Miete innerhalb von drei Tagen überwiesen werde. Es dauerte dann doch länger, was aber letztendlich gar nicht entscheidend war. Der BGH erklärte nämlich schon die erste Kündigung für wirksam. Die nachträgliche Zahlung ändere nichts an der erheblichen Pflichtverletzung. Die Folge: Nach 40 Jahren musste Dieter Scholz aus seiner Wohnung in der Eisenbahnstraße in Kreuzberg ausziehen – und die Vermieterin konnte die Wohnung zum doppelten Mietzins neu vermieten. „Sie hatte nur nach einem Vorwand gesucht, mich loszuwerden“, ist sich Scholz sicher. Er ist nicht das einzige Opfer der Entmietungsversuche der Hauseigentümerin. Andere Mieter im Haus erhalten alle paar Jahre Eigenbedarfskündigungen, die vom Landgericht mit schöner Regelmäßigkeit als vorgeschoben zurückgewiesen werden.
Auch eine wiederholt zu spät gezahlte Miete kann eine Kündigung rechtfertigen, wie kürzlich wieder einmal bestätigt wurde (AG Tempelhof-Kreuzberg vom 8. September 2015 – 9 C 79/15). Im konkreten Fall hatte der Mieter stets zur Monatsmitte überwiesen, was vom vorigen Vermieter auch nicht beanstandet worden war. Doch der neue Eigentümer wollte das nicht hinnehmen und mahnte den Mieter ab. Gemäß Vertrag sei die Miete bis zum dritten Werktag des Monats fällig. Als der Mieter trotzdem sein Zahlungsverhalten nicht änderte, erhielt er die Kündigung. Nach vorangegangener Abmahnung sei das rechtmäßig, so das Gericht.
Einen „Warnschuss“ gibt es nicht
Generell gilt jedoch: Bei Zahlungsverzug darf auch ohne Mahnung gekündigt werden. Viele Mieter gehen fälschlicherweise davon aus, dass es erst einmal einen „Warnschuss“ geben müsse. „Das ist im Arbeitsverhältnis schließlich auch so“, meint Josef Hesse. Der Mieter verlor seine Wohnung in Prenzlauer Berg, weil er nach einem verlorenen Rechtsstreit wegen Betriebskostennachforderungen den ausstehenden Betrag zu spät überwiesen hatte. „Als Normalbürger kann man sich nicht vorstellen, dass man wegen einer solch lächerlichen Verfehlung auf die Straße gesetzt wird“, meint er. Vor Gericht führten die beiden Eigentümer zusätzlich an, dass der geschuldete Betrag ohne Zinsen überwiesen worden sei. „Ich hatte die Zinsen selber ausgerechnet und meine Vermieter um Bestätigung des Betrags gebeten“, so der Mieter. Stattdessen setzten diese eine Pfändung durch, was besonders absurd ist, weil es lediglich um ein paar Euro ging. Josef Hesse hatte aber bereits während des Prozesses eine volle Warmmiete als Sicherheit überwiesen – in der Hoffnung, damit die Kündigung abwehren zu können. Auch der Umstand, dass Hesse einmal aus Versehen eine Monatsmiete auf das Geschäftskonto der Hausverwaltung statt auf deren Mietkonto überwiesen hatte, wurde gegen den Mieter ins Feld geführt. All diese Umstände, so das Gericht, seien nicht dazu geeignet, das Vertrauen des Eigentümers in eine pünktliche und vollständige Zahlungsweise des Mieters herzustellen (AG Mitte vom 12. Dezember 2012 – 12 C 312/10). Die Kündigung sei daher rechtmäßig, eine Abmahnung sei bei einer solch erheblichen Pflichtverletzung nicht erforderlich.
Das Risiko wird unterschätzt
„Lebensfremd“ nennt Josef Hesse diese Argumentation. Ein Versehen bei der Überweisung könne schließlich jedem mal passieren: „Nach der Zahlungsmoral des Vermieters fragt niemand, bis heute habe ich weder Kaution noch die zusätzlich auf das falsche Konto einbezahlte Summe zurückbekommen.“ Auch er ist sich sicher, dass es seinen Vermietern nur darum ging, ihn loszuwerden und die Wohnung danach teurer zu vermieten. 18 Jahre lang hatte er in der Prenzlauer Allee gewohnt, die Miete war günstig. Mit der Wohnung verlor er sein gesamtes Lebensumfeld. Weil er in Prenzlauer Berg keine bezahlbare Wohnung mehr fand, musste er in ein Arbeitnehmerapartment nach Marzahn ziehen.
Beim Berliner Mieterverein hat man die Erfahrung gemacht, dass viele Mieter das Risiko eines Rausschmisses unterschätzen. „Gerade wenn man weiß, dass der Vermieter ein Interesse daran hat, die Wohnung freizubekommen, sollte man ihm keine offene Flanke bieten“, sagt Rechtsberater Stefan Schetschorke vom Berliner Mieterverein (BMV).
Glimpflich ging es dagegen für Mario Hofmann* aus. Weil sein Anwalt einen Formfehler im Kündigungsschreiben fand, kann er in seiner Wohnung bleiben. Der Selbstständige, der sich selber als „etwas verpeilt“ bezeichnet, hatte in einer Phase der finanziellen und persönlichen Krise ein paar Mal die Miete nicht oder nur verspätet gezahlt. Im Oktober 2014 schickte ihm sein Vermieter dann die ordentliche und gleichzeitig die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Innerhalb weniger Tage zahlte er alles nach. Die fristlose Kündigung war damit vom Tisch, nicht aber die ordentliche. In der Hoffnung, seinen Vermieter von seiner Zuverlässigkeit zu überzeugen, richtete der Mieter einen Dauerauftrag ein. „Dass ich seitdem immer pünktlich die Miete bezahle, hat ihn nicht beeindruckt. Er wollte mich loswerden und die Wohnung dann teurer vermieten.“ Für den Alleinerziehenden folgten Monate des Zitterns, bis die Räumungsklage im August 2015 vom Amtsgericht zurückgewiesen wurde. Ein formaler Fehler hatte ihn gerettet. Weil nur einer der beiden Eigentümer die Kündigung unterschrieben hatte und die Kündigung auch nicht im Namen des Miteigentümers ausgesprochen hatte, ist sie unwirksam. „Ich habe meine Lektion gelernt, sowas passiert mir nie wieder“, hat sich Hofmann geschworen. Die Wohnung sei schließlich etwas Existenzielles. Im „Kreuzköllner“ Kiez lebt er seit vielen Jahren, seine Tochter geht hier zur Schule. „Die Vorstellung, wegziehen zu müssen, ging mir schon sehr nahe.“
Die Fälle zeigen, dass die Rechtslage von Vermietern systematisch dazu benutzt wird, um Alt-Mieter zu verdrängen. Dass Mieter ihre Wohnung räumen müssen, obwohl der Vermieter finanziell voll zufriedengestellt wurde, sei absurd, kritisiert der Berliner Mieterverein. Die Schonfristzahlung müsse auch für die fristgerechte Kündigung gelten, fordert Geschäftsführer Reiner Wild. Eine entsprechende Gesetzesänderung fordert auch die Neue Richtervereinigung, ein Zusammenschluss von Richtern und Staatsanwälten.
Häufig suchen Eigentümer auch nach anderen kündigungsrelevanten Verstößen. Das gilt insbesondere nach Eigentümerwechseln. Da wird dann plötzlich die nicht genehmigte Untervermietung beanstandet, obwohl diese jahrzehntelang kein Problem war. Auch die Verweigerung von Sanierungsarbeiten kann ein Kündigungsgrund sein – selbst wenn die Frage der Duldungspflicht noch gar nicht geklärt ist. So hielt der Bundesgerichtshof kürzlich die fristlose Kündigung von Mietern für zulässig, die beauftragten Handwerkern den Zutritt in die Wohnung verwehrt hatten. Die Mieter argumentierten, dass zunächst einmal geklärt werden müsse, ob sie überhaupt verpflichtet seien, die angekündigten Arbeiten zu dulden. Die Karlsruher Richter sahen das anders (BGH vom 15. April 2015 – VIII ZR 281/13).
Die Vermieter-Hürden werden niedriger
Auch bei den ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten werden die Rechte der Vermieter zunehmend gestärkt. Bestes Beispiel: die sogenannte Verwertungs- oder Abrisskündigung, die früher auf wenige Ausnahmefälle beschränkt war. Mittlerweile wurden die Hürden erheblich gesenkt. Beispielhaft in dieser Hinsicht ist eine BGH-Entscheidung aus dem Jahre 2009: „Erstmals wurden hier die Renditeerwartungen eines Finanzinvestors höher bewertet als die Bestands- und Wohninteressen der Mieter“, kritisiert der Deutsche Mieterbund (DMB). In dem konkreten Fall ging es um ein 1914 erbautes, stark sanierungsbedürftiges Mietshaus. Laut Gutachten des Eigentümers hätte eine Sanierung mehr gekostet als ein Neubau. Der Eigentümer wollte daher zugunsten eines Neubaus abreißen und kündigte allen Mietern. Der BGH entschied: zu Recht (BGH vom 28. Januar 2009 – VIII ZR 8/08). Seine Begründung: Die geplanten Baumaßnahmen stellten sich als angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks dar, weil sie von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen seien. Zudem sollte in erheblichem Umfang neuer Wohnraum geschaffen werden.
Zwei Jahre später sorgte eine ähnliche Entscheidung für Aufsehen. Hier ging es um einen fast leerstehenden, maroden Wohnblock in Hamburg, der abgerissen werden sollte. Der letzte verbliebene Mieter wehrte sich gegen die Kündigung wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung – und unterlag. Entscheidend sei, so der BGH, dass sich der in den 1930er Jahren erbaute Wohnblock in einem schlechten Zustand befände. Der nicht mehr zeitgemäße Wohnstandard ließe sich durch bloße Sanierung nicht beheben. Durch den geplanten Neubau dagegen würden moderne, bedarfsgerechte Mietwohnungen entstehen (BGH vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 155/10).
Beim DMB kritisiert man die Entscheidung, weist aber darauf hin, dass es sich um einen Einzelfall handele. Eine Rolle spielte auch, dass der Abriss Teil eines städtebaulichen Konzepts und für die verbliebenen Bewohner ein Sozialplanverfahren aufgestellt worden war. Ein Freibrief für abrisswillige Eigentümer ist die Entscheidung daher nicht. Nach wie vor gilt: Ein Eigentümer muss detailliert darlegen, warum eine Sanierung wirtschaftlich unzumutbar wäre. Dass der Verkauf einer leeren Wohnung mehr Geld einbringt, reicht nicht als Grund für einen Rauswurf der Mieter. Eine Spekulation darf mit der Kündigung nicht verfolgt werden.
Der häufigste Kündigungsgrund lautet jedoch: Eigenbedarf. Auch hier ist die Vorgehensweise vermieterseits äußerst ruppig geworden, wie es BMV-Rechtsberater Michael Häberle formuliert. „Die Anforderungen an den Kündigungswiderspruch sind stark gestiegen, mittlerweile wird fast jeder Eigenbedarf vor Gericht akzeptiert.“ Die Unterbringung eines Au-pair-Mädchens, die Umnutzung der Wohnung zur Anwaltskanzlei oder für gelegentliche Berlin-Besuche – all dies wurde bereits höchstrichterlich als Eigenbedarf anerkannt. Selbst die Unterbringung einer umfangreichen Puppensammlung rechtfertigt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Kündigung eines Mieters (Urteil vom 31. Januar 1994 – BvR 1465/93).
140 Quadratmeter für das Au-pair-Mädchen
Die Folge dieser rigiden Rechtsprechung: Selbst durchschaubare Fälle von vorgetäuschtem Eigenbedarf werden vor Gericht durchgewunken. Das musste auch Familie Schwarz* aus Zehlendorf erfahren. Bereits acht Monate nach dem Einzug erhielt sie eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. Die Begründung der Eigentümerin: Ihre Tochter, die ebenfalls im Haus wohnt, benötige die 140 Quadratmeter große Wohnung für das Au-pair-Mädchen. Später hieß es dann, die Tochter brauche zwei zusätzliche Arbeitszimmer. Während das Amtsgericht die Kündigung zurückwies, erlebten die Mieter in der zweiten Instanz eine Niederlage. Selbst die Tatsache, dass im Haus eine Wohnung freistand, beeindruckte die Richter nicht. Die Vermieterin argumentierte, die Wohnung sei stark vom Schimmel befallen und bedürfe einer Sanierung. Dafür habe sie kein Geld. Die Richter wiederum waren der Ansicht, dass ein Vermieter ohnehin frei wählen kann, welche Wohnung er haben möchte. Angesichts dieser vermieterfreundlichen Sichtweise ließ sich Familie Schwarz schweren Herzens auf einen Vergleich ein. „Wir waren völlig fertig mit den Nerven.“ Die vereinbarte Abfindung für den Auszug reichte aber nicht mal, um die mit dem Umzug verbundenen Kosten zu decken.
Doch nicht immer haben Eigentümer Erfolg mit ihren Eigenbedarfswünschen. Als nicht ausreichend begründet wies das Amtsgericht Mitte kürzlich die Kündigung von Aragon Schraga und seiner Familie zurück (Amtsgericht Mitte vom 29. Oktober 2015 – 25 C 560/13). Das MieterMagazin hat über den skandalösen Fall bereits berichtet (Ausgabe 5/ 2015, Seite 11: „Spekulanten entern Friedrichswerder“). Trotz eines zehnjährigen Veräußerungsverbots wurde das Townhouse am Caroline-von-Humboldt-Weg im Jahre 2013 weiterverkauft. Die neuen Eigentümer kündigten zwei Mietern umgehend. Angeblich wollte das Unternehmerpaar aus München das gesamte Townhouse als Familiendomizil ausbauen. Die Mieter fanden durch intensive Recherchen heraus, dass ihre neuen Eigentümer über diversen Immobilienbesitz in Berlin verfügen, darunter ein Penthouse am Kurfürstendamm, eine Villa in Kladow sowie ein repräsentatives Anwesen in Dahlem. Im Kündigungsschreiben war das nicht erwähnt worden. In die Dahlemer Villa ist die Eigentümer-Familie inzwischen eingezogen, der Grund für den Eigenbedarf ist also weggefallen. Entscheidend für das Gericht war jedoch, dass der angebliche Nutzungswunsch voller „Widersprüchlichkeiten und Unwahrheiten“ vorgetragen wurde. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das Verfahren gegen den zweiten betroffenen Mieter läuft noch.
Trotz der restriktiven Rechtsprechung: Zur Verzweiflung besteht kein Grund. In vielen Fällen lässt sich etwas erreichen – allerdings nur, wenn man rechtzeitig aktiv wird. Das A und O: sich rechtzeitig beim Mieterverein beraten lassen und einen auf Mietrecht spezialisierten Anwalt nehmen.
Birgit Leiß
* Namen geändert
Gründe, Klauseln, Fristen: Ihr Recht in Sachen Kündigung
Mieter einer Wohnung genießen – im Gegensatz zu Gewerbemietern – einen gesetzlichen Kündigungsschutz. Der Vermieter darf ein unbefristetes Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse geltend machen kann. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten:
• Eigenbedarf: Der Vermieter benötigt die Wohnung für sich selbst, einen Familienangehörigen oder eine zu seinem Hausstand gehörende Person.
• Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung: Der Vermieter wird durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Hauses oder der Eigentumswohnung gehindert. Meist geht es um den Abriss oder die Kernsanierung des Gebäudes. Der Vermieter muss im Einzelfall nachweisen, dass er erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, wenn er das Haus nicht abreißt.
• Sonstiges Interesse: Der Vermieter kann das Mietverhältnis auch aus anderen, wichtigen Gründen kündigen. Beispiele: Eine Genossenschaft will einem ausgeschlossenen Mitglied kündigen oder eine Behörde will einen Mitarbeiter mit Wohnraum versorgen. In der Praxis kommt diese Begründung sehr selten vor.
Wichtig: Wenn in Berlin eine Mietwohnung erstmalig in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird, ist eine Kündigung wegen Eigenbedarf oder mangelnder wirtschaftlicher Verwertung zehn Jahre lang ausgeschlossen („Kündigungssperrfristverordnung“). Bei einer Berufung auf „Sonstiges Interesse“ gilt das allerdings nicht.
Selbst wenn der Vermieter zu Recht gekündigt hat, kann man sich unter Umständen auf Härtegründe berufen. Als solche gelten unter anderem hohes Alter, Schwangerschaft, bevorstehendes Examen oder schwere Krankheit. Wichtig: Der Widerspruch muss dem Vermieter spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich mitgeteilt werden. Das Gericht kann dann eine unbefristete oder befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen.
Zu den eingangs genannten Möglichkeiten kommt noch eine weitere außerordentliche Kündigungsmöglichkeit hinzu: die schuldhafte, nicht unerhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten. Damit sind Verstöße gegen den Mietvertrag oder gegen die Hausordnung gemeint, zum Beispiel Tierhaltung trotz Verbot, nicht genehmigte Untervermietung, ständige Ruhestörungen oder Mietschulden. Hier sind sogar fristlose Kündigungen möglich, nämlich dann, wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter keinen Umständen weiter zumutbar ist. Voraussetzung ist aber in der Regel, dass der Mieter vorher abgemahnt wurde. Nur beim Zahlungsverzug bedarf es keiner vorherigen Abmahnung.
bl
29.03.2022