Ist es fair, dass die Kosten einer Modernisierung mangels zeitlicher Befristung im Prinzip zu 100 Prozent und mehr auf die Mieter abgewälzt werden können? Diese Frage soll nun erstmals vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden.
Es geht um die Modernisierungsmieterhöhung, eine Regelung, die es seit den 1970er Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt. Nach Paragraf 559 BGB darf der Vermieter sämtliche Kosten einer Modernisierung auf die Mieter abwälzen. Jährlich 8 Prozent (für Ankündigungen bis 31. Dezember 2018 sogar 11 Prozent) der Investitionen kann er auf die Miete aufschlagen. Irgendeinen Anreiz, Kosten zu sparen oder fragwürdige Maßnahmen zu unterlassen, gibt es für den Eigentümer nicht. Die Rechnung bezahlen die Mieter, ganz gleich ob sie die Modernisierung sinnvoll finden oder nicht. Der Vermieter macht sogar Rendite, denn nach neun beziehungsweise 12,5 Jahren haben die Mieter bei Eigenfinanzierung die gesamten Kosten der Modernisierung abbezahlt – ohne dass anschließend die Miete wieder gesenkt werden würde.
„Das ist nicht nur eine vom Gesetzgeber verantwortete Ungerechtigkeit, wir halten die aktuellen Regelungen darüber hinaus auch für möglicherweise verfassungswidrig”, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild. Zusammen mit der Mieterplattform „wenigermiete.de“ will er die Modernisierungsumlage – deren Abschaffung der BMV auf der politischen Ebene schon seit Langem fordert – nun grundsätzlich vor dem Bundesverfassungsgericht klären lassen. Erstaunlicherweise hat das bislang niemand getan.
Das Problem habe sich früher nicht in dieser Schärfe gestellt, meint dazu Dr. Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer von wenigermiete.de: „Mietern steht bei einer Modernisierung ein Sonderkündigungsrecht zu und bei einem entspannten Wohnungsmarkt sucht man sich dann einfach eine andere Wohnung.“ Diese Logik greife angesichts der Wohnungsmarktlage nicht mehr. Modernisierungen sind zu einer existenziellen Bedrohung geworden.
Kein Grund für einseitige Belastung ersichtlich
Die Rechtsexperten von Mieterverein und wenigermiete.de sehen in der derzeit geltenden Regelung einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Vertragsfreiheit. Zwar kann der Vermieter in gewissen Grenzen mit seinem Eigentum machen, was er möchte, und das Recht zum Modernisieren und die Duldungspflicht des Mieters lassen sich daher aus dem Eigentumsrecht ableiten – nicht jedoch das Recht auf volle einseitige Umlage der Modernisierungskosten. Dafür sei kein Grund ersichtlich. Schließlich profitiert der Vermieter von einer Wertsteigerung des Objekts. Halmer: „Mit der Modernisierungsumlage können sich Vermieter gleich doppelt auf Kosten der Mieter bereichern: Sie steigern den Objektwert und die Mieteinnahmen.“
Die Kritik, dass bei einer anderen Rechtslage notwendige und wünschenswerte Investitionen unterbleiben würden, läuft ins Leere, wie Reiner Wild erklärt: „Der Gesetzgeber hat dem Vermieter ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, statt der Umlage eine Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß Mietspiegel vorzunehmen.“ Das heißt: Der Vermieter kann wegen der neu geschaffenen wohnwerterhöhenden Merkmale die Miete anheben. Außerdem wird in dem Vorstoß gegen die jetzige Modernisierungsumlage gar nicht gefordert, dass die Mieter nicht an den Kosten beteiligt werden sollen. „Wir sagen lediglich, die einseitige Belastung der Mieter geht nicht“, so Halmer. Die Entscheidung, ob man eine 50:50- oder eine 70:30-Regelung einführt, sei dann Aufgabe des Gesetzgebers.
Birgit Leiß
Der Ausgangsfall
Berliner Mieterverein und wenigermiete.de unterstützen einen Mieter in der Tempelhofer Gontermannstraße, der sich gegen eine Mieterhöhung nach Modernisierung wehrt mit dem Argument, dass die Rechtsgrundlage verfassungswidrig sei. Wenn der Amtsrichter das auch so sieht, muss er dies dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Ansonsten geht die Sache vor die 66. Zivilkammer des Landgerichts. Falls auch hier die Klage abgewiesen wird, bleibt noch der Weg der Verfassungsbeschwerde. In jedem Fall wird es bis zu einer Entscheidung einige Jahre dauern.
bl
01.05.2019