Das Energiewirtschaftsgesetz von 2005 schreibt für die Vergabe des Stromnetzes ein „diskriminierungsfreies und transparentes Ausschreibungsverfahren“ vor. Tatsächlich aber sucht und findet der Berliner Senat immer wieder neue Hintertüren, um seinem Wunschkandidaten Vattenfall den lukrativen Deal zuzuschanzen.
Fast zwei Jahre hat die Senatsverwaltung für Finanzen gebraucht, um in einem überarbeiteten „Zweiten Verfahrensbrief“ die Kriterien für die Vergabe des Berliner Stromnetzes neu zu formulieren. Ein Unterschied zum ersten Verfahrensbrief: Begriffe wie „transparent“ und „Transparenz“ tauchen nicht mehr auf. Die alte Version enthielt einen detaillierten Katalog mit 315 erreichbaren Punkten. Jetzt ist der Bewertungsmaßstab für die Bewerber in einer der zahlreichen Anlagen versteckt, die der Senat geheim hält. Die Finanzverwaltung argumentiert, dass ein rechtssicheres Verfahren nur auf vertraulicher Basis gewährleistet sei.
Aber der Verdacht liegt nahe, dass die Neuausschreibung der Stromnetz Berlin GmbH, einer Tochter des schwedischen Konzerns Vattenfall und Wunschkandidatin des Senats, zu sehr auf den Leib geschneidert ist. Der Sprecher des Berliner Energietischs, Stefan Taschner, fordert, die Vergabekriterien vollständig zu veröffentlichen: „Nur so kann der Senat den Verdacht ausräumen, dass es im Rahmen der Gespräche mit Vattenfall zu Vorabsprachen gekommen ist.“ Die Genossenschaft „BürgerEnergie Berlin“, einer der drei verbliebenen Bewerber, hat beim Bundeskartellamt bereits einen Missbrauchsantrag gegen das Verfahren gestellt.
Der dritte Bewerber, der Landesbetrieb „Berlin Energie“, kooperiert neuerdings mit der Edis AG, einer Tochter des größten deutschen Energiekonzerns E.ON, der damit langfristig Einfluss auf die Energieversorgung in Berlin nehmen will. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen fordert vom Finanzausschuss des Bundesrats, in der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes auch vergaberechtsfreie „Inhouse-Vergaben im Energiebereich“ vorzusehen. Das würde zwar Berlin Energie als Landesbetrieb bevorteilen und die Rekommunalisierung der Energieversorgung erleichtern, aber einen transparenten Wettbewerb ad absurdum führen.
Im März 2016 haben die Bewerber ihre Angebote für die Übernahme des Berliner Stromnetzes abgegeben. Diese werden zurzeit in der Vergabestelle des Senats gesichtet. Eine Entscheidung ist nicht vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September zu erwarten.
Rainer Bratfisch
04.06.2016