Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2021 kann das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten praktisch nicht mehr angewendet werden. Ein Bericht des Senats zeigt, dass die Rechtsprechung in der Praxis der Bezirksämter angekommen ist.
In den 74 Berliner Milieuschutzgebieten haben die Bezirksämter im vergangenen Jahr bei neun verkauften Wohnhäusern geprüft, ob sie das Vorkaufsrecht zum Schutz der dort Wohnenden vor Verdrängung nutzen können – mit negativem Ergebnis. Im Vorjahr hatten die Bezirke noch bei 177 Häusern diese Möglichkeit erwogen und schließlich 13 Häuser per Vorkauf erworben.
In den meisten Fällen wenden Hauskäufer:innen den Vorkauf ab, indem sie mit dem Bezirk eine Vereinbarung abschließen. Darin verpflichten sie sich beispielsweise, auf Luxusmodernisierungen oder Eigenbedarfskündigungen zu verzichten. Mit 84 Abwendungsvereinbarungen sicherten die Bezirke im Jahr 2021 noch 2018 Wohnungen ab. Im Jahr 2022 waren es nur noch vier Vereinbarungen für 45 Wohnungen. Ein kleiner Lichtblick: Das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass einmal abgeschlossene Abwendungsvereinbarungen ihre Gültigkeit behalten. 70 Abwendungen, die zwischen 2015 und 2019 vereinbart worden sind, waren nachträglich aufgekündigt worden. In 15 Fällen hatten Eigentümer:innen gegen die vereinbarten Verpflichtungen geklagt.
„Die Entscheidung ändert aber nichts an dem dringenden Handlungsbedarf zur Reform des Vorkaufsrechts“, gibt Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, zu bedenken. Doch die dazu nötige Änderung des Baugesetzbuches wird seit eineinhalb Jahren von der FDP und ihrem Bundesjustizminister Marco Buschmann blockiert.
Jens Sethmann
26.05.2023