Bezahlbarer Wohnraum und Mitbestimmung der Mieter sind die Hauptforderungen der internationalen Mietervereinigung, die fast alle Länder der Erde betreffen.
Seit fast 90 Jahren gibt es mit der „International Union of Tenants (IUT)“ eine nicht-staatliche Organisation, die sich weltweit für Mieterrechte und bezahlbaren Wohnraum einsetzt. Mittlerweile sind ihr 65 Mitgliedsverbände aus 44 Staaten angeschlossen, darunter 25 aus Europa. Sie alle erhoffen sich eine schlagkräftige Interessenvertretung – für bezahlbaren, gesunden Wohnraum und gegen eine Politik, die in erster Linie die Eigentumsbildung fördert.
Angefangen hat alles in den 1920er Jahren. Es waren vor allem Österreich, Schweden und Deutschland, die maßgeblich an der Gründung einer internationalen Mietervereinigung beteiligt waren. Schon damals gab es in diesen Ländern mitgliederstarke Mieterorganisationen, die auch erste Erfolge im Kampf gegen Zwangsräumungen und willkürliche Mieterhöhungen vorweisen konnten. Die entscheidende Initiative ergriff 1924 Robert Hoffmayr von der Mietervereinigung Österreichs. In einem Brief an die schwedische Mietervereinigung regte er einen Zusammenschluss der europäischen Mieterorganisationen an, auch um ein Gegengewicht zur kurz zuvor in Paris gegründeten Vereinigung der Hausbesitzer zu schaffen. Auf dem 1. Internationalen Mieterkongress in Zürich 1926 wurde schließlich eine gemeinsame Resolution verabschiedet und ein Dachverband mit Sitz in Wien gegründet. Die Forderungen: Verbesserung der ungesunden Wohnbedingungen, Einführung einer Sozialmiete und ein Ende der Spekulation durch die Hausbesitzer.
Bis 1939 wurden dann erste internationale Kooperationen aufgenommen. Es fanden einige Kongresse statt und es wurden vergleichende Untersuchungen zur Wohnungssituation erarbeitet. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Arbeit wieder aufgenommen und der Sitz der „International Tenants Union“, wie sie nun genannt wurde, nach Stockholm verlegt. Zum ersten Präsidenten wurde der Schwede Leonard Fredricsson ernannt.
1957 zählte man gerade mal fünf zahlende Mitglieder: Österreich, Schweiz, Deutschland, Schweden und Dänemark. Dementsprechend bescheiden waren Budget und Einflussmöglichkeiten. Ein halbes Jahrhundert später ist die IUT wesentlich größer und internationaler geworden. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem Australien, Kanada, Südafrika, Japan und die USA. Dennoch wird sie nach wie vor von Europa, und hier vor allem von den Ländern mit traditionell starker Mieterbewegung, dominiert. Fast alle europäischen Länder sind vertreten – bis auf Griechenland, Bulgarien, Moldawien und Litauen. „In diesen Staaten gibt es keinerlei aktive Mieterorganisation beziehungsweise sie hat wie in Griechenland ihre Arbeit eingestellt“, erklärt Sven Bergenstråhle, Präsident der IUT. Um Mitglied zu werden müsse man einige Standards erfüllen, allen voran natürlich, sich für die Interessen der Mieter einsetzen. Die Arbeitsstrukturen in den Mitgliedsländern sind ganz unterschiedlich. Neben Vereinen wie hierzulande gibt es in einigen Ländern auch Mietergewerkschaften. Die unterschiedliche Verankerung sorgt mitunter für Konflikte. So sorgte vor Jahren beim IUT-Kongress in Amsterdam ein Vorstoß der Schweden für einiges Kopfschütteln. In dem Entwurf für eine gemeinsame Charta wurde gefordert, dass tragbare Mieten unter Beteiligung staatlich anerkannter Mieterorganisationen zu vereinbaren seien – ein für viele Länder utopischer Gedanke, der das Prinzip der Marktmiete auf den Kopf stellt.
Die Ziele haben sich seit dem Geburtsjahr der IUT nicht wesentlich verändert, lediglich modifiziert. Nach wie vor geht es um den gemeinsamen Kampf gegen eine rein an Marktinteressen orientierte Wohnungspolitik. Eine der wichtigsten Aufgaben ist der Erfahrungs- und Informationsaustausch. Zu diesem Zweck gibt die IUT vierteljährlich ein Magazin, das „Global Tenant“ heraus. Alle drei Jahre findet ein Kongress statt, zuletzt 2013 in Krakau. Obwohl die Länder in Sachen Wohnungsmarkt und Mieterschutz ganz unterschiedlich aufgestellt sind, gibt es doch Themen, die alle angehen. Ausreichend bezahlbare Wohnungen beispielsweise oder eine stärkere Mitbestimmung von Mietern. Darüber hinaus setzt sich die IUT auf internationaler Ebene für einen besseren Mieterschutz und Sozialen Wohnungsbau ein. Sie genießt Beobachterstatus beim Europarat und bei den Vereinten Nationen und pflegt Partnerschaften mit internationalen Organisationen wie zum Beispiel dem „European Housing Forum“.
Insgesamt will die IUT dafür sorgen, dass Wohn- und Mietfragen auf die Agenda der EU gesetzt werden. Die Verfügbarkeit von bezahlbaren Wohnungen spiele schließlich eine große Rolle für den Arbeitsmarkt. Wo es an erschwinglichen Wohnungen für Verkäuferinnen oder Facharbeiter fehlt, hat das auch Nachteile für die Wirtschaft, denn dann können diese Stellen schlicht nicht besetzt werden. Wohnungs- und Arbeitsmarkt, so die IUT, müssten daher auf EU-Ebene als Einheit betrachtet werden.
Als assoziierte Mitglieder, die keine Beiträge zahlen müssen, gehören der IUT auch Länder wie Kongo, Kamerun, Nigeria oder Benin an. Hier kämpft man noch gegen Wohnverhältnisse, wie sie für die westliche Welt längst Geschichte sind: ungesunde, extrem überbelegte Behausungen ohne Wasser- oder Sanitäranschluss. Aber auch in einigen europäischen Ländern fehlt es an elementaren Bestimmungen zum Mieterschutz, oder die vorhandenen Gesetze scheitern an der Korruption. Der Kampf für eine starke und einflussreiche Mieterbewegung geht also weiter. Aus dem Schlachtruf „Tenants in Europe – Unite“ wurde „Tenants Unite!“
Birgit Leiß
MieterMagazin 7+8/14
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Die Gründung eines internationalen Dachverbandes der Mieter 1926 geht auf eine Initiative des Österreichers Robert Hoffmayr zurück (links im Bild)
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Die „International Union of Tenants“ hat ein Verbindungsbüro in Brüssel und genießt Beobachterstatus beim Europarat
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Foto: DAHW
Unzureichende Wohnverhältnisse finden sich vor allem in den armen Ländern der Welt (oberes Bild: Lagos/ Nigeria) – Korruption und mangelnden Mieterschutz gibt es hingegen auch in den wirtschaftlich starken Ländern (unteres Bild: Penthouse in New York)
Foto: Totya/Wikipedia
Internetseite der IUT:
www.iut.nu
03.09.2014